Schaut man auf die letzten acht Bundesligaspiele der “Geißböcke” zurück, fällt auf, dass sie lediglich eine dieser Begegnungen für sich entscheiden konnten, und zwar gegen Tabellenletzten aus Fürth. Zwar verlor die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart auch nur zwei der Partien, doch niemand kann leugnen, dass die Kölner im Moment etwas auf der Stelle treten. Dies drückt sich vor dem Gastspiel beim 1. FSV Mainz 05 auch in der Tabelle aus: Der Vorsprung auf die Abstiegszone beträgt nur noch vier Punkte. Obwohl die Euphorie rund um den Verein in den vergangenen Jahren seit dem Europapokal-Einzug selten so groß war wie jetzt, droht sportlich doch wieder der graue Alltag namens Abstiegskampf.
Die Mainzer hingegen stehen vor dem Aufeinandertreffen nur einen Punkt hinter den Europapokal-Plätzen und setzen ihren Höhenflug aus der letztjährigen Rückserie in dieser Saison fort. Immer wieder betonen Beobachter*innen und Angehörige des Vereins den Teamgeist der Mannschaft, für welchen sich demnach größtenteils Cheftrainer Bo Svensson, der die 05er zum Jahreswechsel 2020/21 übernahm, verantwortlich zeigt. „Bo Svensson hat es geschafft, aus der Mainzer Mannschaft eine Einheit zu machen“, stellte auch FC-Trainer Steffen Baumgart auf der Pressekonferenz vor dem Spiel fest.
Mainzer Höhenflug im Jahr 2021
Rückblickend auf die vergangene Saison, spiegeln die Partien beider Mannschaften gegeneinander genau diesen Trend wider: Während der FC das Hinrundenspiel am 11. Spieltag glücklich mit 1:0 durch ein Tor von Elvis Rexhbecaj gewinnen konnte und die Schlussoffensive der Mainzer noch nicht belohnt wurde, kassierten die Kölner am 28. Spieltag eine 2:3-Niederlage, in welcher die Rheinhessen in der Nachspielzeit das entscheidende Tor erzielten. Ob ein Tor in den Schlussminuten nun direkt auf den Trainer an der Seitenlinie zurückzuführen ist, sei dahingestellt, trotzdem sind die beiden Spiele ein Pendant zur Gesamtsituation beider Vereine: Wähnte sich der 1. FC Köln zur Halbzeit der Saison 20201/21 noch vor den Mainzern, muss man heute festhalten, dass die 05er als ein deutlich gefestigterer Bundesligist wahrgenommen werden.
“Sie zeigen jetzt wieder ihr Gesicht, das sie über einen langen Zeitraum in der Bundesliga gezeigt haben. Sie treten kompakt auf und agieren gut als Mannschaft.”
Nach einem Ausrutscher am zweiten Spieltag gegen den VfL Bochum verloren die Rheinhessen danach ausschließlich gegen Leverkusen, Union Berlin und den BVB, welche allesamt ebenfalls in der oberen Tabellenhälfte stehen und die Bundesliga in europäischen Wettbewerben vertreten. Die 05er machen in dieser Saison also ihre Hausaufgaben vornehmlich gegen Gegner auf Augenhöhe beziehungsweise aus der unteren Tabellenhälfte und genau in diese Kategorie fällt am kommenden Sonntag auch der 1. FC Köln. “Vor dem Trainerwechsel hatte man das Gefühl, dass bei Mainz nicht alles rund gelaufen ist. Sie zeigen jetzt wieder ihr Gesicht, das sie über einen langen Zeitraum in der Bundesliga gezeigt haben. Sie treten kompakt auf und agieren gut als Mannschaft”, lobt auch FC-Coach Steffen Baumgart die Entwicklung des kommenden Gegners.
Der Mittelfeldmotor kehrt zurück
Im Kölner Lager keimte allerdings in der vergangenen Woche Vorfreude und Hoffnung auf, als sich Ellyes Skhiri im Training zurückmeldete. Der tunesische Nationalspieler hatte sich am 10. Oktober im Länderspiel gegen Mauretanien verletzt und wurde seitdem schmerzlich im Spiel der Geißböcke vermisst. FC-Trainer Steffen Baumgart versuchte mit verschiedenen Personalien und Systemen auf den Ausfall zu reagieren: So durfte sich zunächst Salih Özcan als alleiniger Sechser vor der Abwehr versuchen, anschließend Dejan Ljubicic und zuletzt fanden sich die beiden gemeinsam auf der defensiven Position im Mittelfeld wieder. Doch bei aller Freude über die Rückkehr des tunesischen Mittelfeldmotors in den Kader, stellte Baumgart bereits klar, dass Skhiri keine Option für die Startelf sein wird, sondern lediglich als Einwechselspieler in Frage kommt.
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Somit stellt sich erneut die Frage, wer seine angestammte Position zunächst übernehmen wird. Ausschließen kann man wohl, dass Jonas Hector von der linken Seite in die Mitte rücken wird, denn trotz der Genesung von Jannes Horn wird dieser, laut Aussage von Baumgart, gegen Mainz noch nicht im Kader stehen. Somit mangelt es auch weiterhin an Alternativen für die linke Abwehrseite sollte Hector ins Mittelfeld beordert werden. Ferner wird die Gestaltung des defensiven Mittelfelds auch davon abhängen, ob Coach Baumgart mit Anthony Modeste und Sebastian Andersson zwei echte Spitzen auf das Feld schicken wird oder mit beispielsweise Mark Uth einen verkappten Angreifer einbauen wird. Zuletzt konnte man am Personal im Sturm bereits vor dem Spiel ablesen, ob Baumgart ein Spiel mit viel oder wenig Ballbesitz für die Geißböcke erwartete: Stürmte Andersson neben Modeste, vermutete Baumgart mehr Ballbesitzphasen für seine Mannschaft.
Lebensversicherung Modeste im Fokus
Die Lebensversicherung der Kölner im Sturm ist und bleibt Anthony Modeste, welcher im Baumgart’schen System immer wieder mit Flanken gefüttert wird. Doch diese Spielweise der Kölner ist mittlerweile kein Geheimnis mehr und die Rheinhessen zeigten bereits am ersten Spieltag gegen Leipzig, dass sie in der Lage sind Flanken gut und konsequent zu verteidigen: So verdichteten sie primär die Mitte des Spielfeldes und ließen insgesamt 35 Flanken der Sachsen zu, ohne dass auch nur eine dieser zum Erfolg führte. Die Mainzer vertrauen hierbei auf die Kopfballstärke ihrer drei Innenverteidiger Stefan Bell, Alexander Hack und Moussa Niakhate. Die Kölner sollten, und das zeigte sich auch im letzten Spiel gegen Union Berlin, dringend mit einem offensiven Plan-B in der Tasche den Rhein hinaufreisen.
Eine weitere viel diskutierte Personalie steht im Tor der Rheinländer. Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel am Sonntag nahm Baumgart seinen Torhüter Timo Horn erneut in Schutz: „Wenn mir jemand sagt, dass der Flachschuss gegen Union leicht zu halten war, dann tut es mir leid. Der war gut geschossen“, sah er nur wenig Schuld beim Kölner Keeper am ersten Gegentor im Spiel gegen Union Berlin. Zudem betonte der FC-Trainer die Wichtigkeit Horns als Führungsfigur. Ein Wechsel auf dieser Position scheint somit auch in näherer Zukunft ausgeschlossen. Trotzdem muss Horn sich steigern und mindestens auf sein Niveau von Saisonbeginn zurückkehren, um die Diskussionen um seine Person endgültig zu beenden.
Polster im Abstiegskampf erspielen
Sicher ist, dass sich die Fans beider Vereine auf ein packendes Spiel einstellen können, denn beide Teams stehen in dieser Saison für Spektakel und offensiven Fußball. Auch deshalb dürfte hoher Unterhaltungswert beinahe garantiert sein, wie auch der Mainzer Coach Svensson betont: “Die Kölner ziehen ihr Ding durch, das spricht für den Trainer und die Mannschaft. Sie sind ein unangenehmerer Gegner als in der vergangenen Saison. Beide Mannschaften suchen den Weg nach vorne, haben aber unterschiedliche Strukturen im Spiel. Beide wollen etwas erreichen und nicht nur verhindern. Wie schon gegen Gladbach kann ich mir kein langweiliges Spiel vorstellen. Sowohl die Kölner als auch wir wollen dem Spiel den Stempel aufdrücken. Ich erwarte viele intensive Szenen, in den Zweikämpfen, in den Umschaltaktionen. Es wird einiges geboten für die Zuschauer, das kann ich fast versprechen.”
“Ich kann mir kein langweiliges Spiel vorstellen. Es wird einiges geboten für die Zuschauer, das kann ich fast versprechen.”
Versprechen wollte Steffen Baumgart nichts vor der Partie, unterstrich jedoch abermals die mutige Ausrichtung: “Wir hatten bislang in jedem Spiel die Chance, den Gegner zu knacken. Bis auf eine Partie hatten wir die Möglichkeiten, mehr Punkte zu holen. Es geht darum, bei uns zu bleiben. Wir schauen nur auf uns und gucken, wo wir uns verbessern können. Mainz ist eine Mannschaft, die sehr gut verteidigen kann. Wir haben gute Möglichkeiten, immer wieder in die Tiefe zu kommen. Wenn wir das schaffen, haben wir gute Chancen dort zu bestehen”, so der FC-Coach. Sollten es die “Geißböcke” schaffen, die Sieglos-Serie zu beenden, würden die Kölner in der Tabelle mit den Mainzern gleichziehen und könnten ihren Blick ebenfalls vorsichtig Richtung Europa wenden, aber vor allem ein angenehmes Polster im Abstiegskampf erspielen. Nach dem ersten Drittel der Saison ist der 1. FC Köln an der Kreuzung von Europa und Abstiegskampf angekommen und muss nun zeigen, welchen Weg er gehen will.