Der nächste Neuzugang beim 1. FC Köln ist perfekt: Timo Hübers wechselt ablösefrei von Hannover 96 zurück zum 1. FC Köln, für dessen Regionalliga-Reserve der Innenverteidiger bereits in der Saison 2015/16 (21 Einsätze in der Regionalliga West) spielte. Am Geißbockheim unterschreibt der 24-Jährige, der sich in den vergangenen Jahren bei den Niedersachsen zum Leistungsträger und Führungsspieler entwickelt hat, einen Zweijahresvertrag. “Mit der Rückkehr zum FC schließt sich für mich ein Kreis: In meinem Jahr bei den Amateuren habe ich immer im Stadion gesessen, zugeschaut und wollte selbst gerne auf dem Rasen stehen. Dass das jetzt so gekommen ist, ist großartig”, betonte Hübers anlässlich seiner Verpflichtung.
Ein Transfer, der mit kritischem Blick beäugt wird, bringt der 1,90 Meter große Abwehrhüne doch eine prall gefüllte Krankenakte mit nach Köln. Hat sich der FC etwa einen enorm verletzungsanfälligen Spieler an Bord geholt? Welche Stärken und Schwächen hat Hübers über seine körperliche Konstitution hinaus? Und was ist der 24 Jahre alte Verteidiger überhaupt für ein Typ? Wir sprechen mit Ansgar Löcke, seit über 20 Jahren leidenschaftlicher Fan von Hannover 96 und auf Twitter mit besonderem Blick auf die ehemalige Spieler der Niedersachsen unterwegs, über den Rückkehrer, der die Defensive der “Geißböcke” verstärkt.
Ansgar, Timo Hübers kehrt von Hannover 96 zurück zum 1. FC Köln, für dessen Regionalliga-Reserve er 2015/16 spielte. Ein ablösefreier Wechsel, der schon länger in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Wie schätzt du den Transfer ein?
Im Endeffekt war der Wechsel keine große Überraschung mehr. Hannover 96 hatte im Sommer 2020 zunächst zwei große vertragliche Baustellen für die Saison: die auslaufenden Verträge von Timo Hübers und Genki Haraguchi. Dazu kamen dann noch die zusätzlichen Umbrüche in Form von Vertragsauflösungen oder Verlegenheitsleihen von Torhütern zum FC. Da die Saison unter Kenan Kocak alles andere als nach Plan verlief und der Aufstieg in immer weitere Ferne rückte, war der Verhandlungshebel bei beiden Spielern sehr schlecht. Haraguchi war nach dem schnell feststehenden Nichtaufstieg schon früh nicht zu halten, bei Timo gab es berechtigte Hoffnung, dass er es trotz der Stagnation in Liga 2 auch einen weiteren Vertrag geben könne. Er studiert noch Wirtschaftswissenschaften und ist in der lokalen Studiszene gut vernetzt, ist generell ein sehr bodenständiger Typ und ist mit dem ersten Gehalt nicht direkt nach Dubai geflogen. Daher waren die gehandelten Transferziele wie Köln, Bielefeld und Bremen auch ähnlich in der Struktur oder zumindest nah an Hannover. Als Köln den Klassenerhalt geschafft hatte, waren sich eigentlich alle einig, dass man ihn nicht wird halten können. Durch das Hinhalten jetzt im vergangenen Monat hat er dabei noch ein wenig Kredit verspielt. Wenn er die Karten offen auf den Tisch gelegt hätte, wäre ihm niemand böse gewesen.
“Bei Timo gab es berechtigte Hoffnung, dass er es trotz der Stagnation in Liga 2 auch einen weiteren Vertrag geben könne. Als Köln den Klassenerhalt geschafft hatte, waren sich eigentlich alle einig, dass man ihn nicht wird halten können.”
2016 ging er den umgekehrten Weg, wechselte aus Köln zu 96 zurück und ist bei euch zum Stammspieler und Leistungsträger geworden. Wie beurteilst du Hübers’ zweite Zeit im Verein insgesamt?
Viel Licht und viel Schatten, ehrlich gesagt. Wobei der Schatten gar nicht mal seine Qualität meint, sondern vor allem seine Ausfälle. 2016 kommt er nach seinem Auslandsjahr in Köln zurück nach Hannover und reißt sich in der Vorbereitung das Kreuzband, verpasst die komplette Saison nach dem Abstieg, in der erst Daniel Stendel und dann Andre Breitenreiter den Wiederaufstieg schaffen. Dann macht er Ende der Saison 2017/18 die ersten Spiele in der ersten Liga und reißt sich im Sommer direkt wieder das Kreuzband. Und dann war er tatsächlich sehr lange raus und ich glaube, viele hatten die Hoffnung tatsächlich aufgegeben, dass es nachhaltig noch etwas wird. Aber seit Anfang 2020 hält sein Knie die meiste Zeit und sobald er fit war, wurde er von Kenan Kocak auch aufgestellt, weil er einfach der beste Innenverteidiger war. Von daher ist eine Beurteilung gar nicht mal so einfach, weil ihm so viele Spiele fehlen, aber in seinen tatsächlich absolvierten Spielen hat er fast immer überzeugt.
Lange hat 96 um einen Verbleib seines Abwehrchefs gekämpft, doch der Lockruf der Bundesliga scheint letztlich den Ausschlag gegeben zu haben. Hat Hübers in deinen Augen das Zeug für die höchste deutsche Spielklasse?
Die Anlagen dafür hat er auf jeden Fall. Zwar stehen in seiner Vita bislang nur fünf Einsätze in Liga 1, aber das hätten auch deutlich mehr sein können und sollen. Ich glaube auch, dass das sein eigener Anspruch ist, dort zu spielen und dies auch schon regelmäßiger und verlässlicher getan hätte, wenn sein Körper mitgespielt hätte.
In den zurückliegenden beiden Jahren war Hübers von außen betrachtet doch eher ein Lichtblick bei 96. Wo liegen seine Stärken, wo muss er noch zulegen?
Als Stärken kann man definitiv seine Kopfballstärke und seine Schnelligkeit benennen. Während andere Kollegen seiner Zunft dann doch eher in Sprints das Nachsehen haben, kann Timo eventuelle Stellungsfehler nochmal ausgleichen. Vorwärtsdrang verspürt er sowohl bei Standards als auch gelegentlich im laufenden Spiel. Die angesprochenen Stellungsfehler sind Dinge, an denen er aber sicher noch weiter arbeiten muss.
Schlagzeilen machte der Abwehrmann im vergangenen Jahr als erster Fußballprofi, der eine Coronainfektion durchmachte. Hat sich das – außer im Medienecho – irgendwie bemerkbar gemacht?
Stimmt, das kam ja zu den ganzen Verletzungen nach seinem Comeback noch dazu. Gesundheitliche Folgen hat er keine davongetragen, zumindest hat man noch nichts gehört, was darauf zurückschließen lässt. In den Medien war es natürlich dann brandaktuell Thema, gerade weil die Liga ja dann dicht war, aber ansonsten kam es nur nach dem falsch-positiven Test von Haraguchi im Laufe der vergangenen Saison nochmal kurz hoch. Das Tagesgeschäft hatte die Mannschaft sehr schnell wieder eingeholt. 96 selbst hat das Thema zum „Jahrestag“ nochmal hochgeholt und da geht es auch eher um Lockerungen, endlich wieder auf Festivals gehen. Normale Dinge für Studierende halt.
“Ja, ihr habt euch einen enorm anfälligen Spieler ins Haus geholt. Alles andere wäre ja Quatsch. Aber anfällig heißt nicht Sportinvalide, wie das schon so manch anderer Spieler war.”
Hübers hatte in seiner Karriere häufig mit Verletzungsproblemen zu kämpfen, absolvierte in der vergangenen Saison nur 20 von 34 Partien. Hat sich der FC da einen enorm anfälligen Spieler ins Haus geholt?
Was soll ich sagen? Ja, habt ihr. Alles andere wäre ja Quatsch. Aber anfällig heißt nicht Sportinvalide, wie das schon so manch anderer Spieler war. Vermutlich wäre es Timo selbst am liebsten, jede Minute der Saison auf dem Platz zu stehen und für sein Team die Knochen hinzuhalten. Aber ich denke, dass auch bei ihm die Erkenntnis eingesetzt hat, dass er sich lieber zwei Spieltage schonen muss, statt übers Limit zu gehen. Letzte Saison hätte er auch sicher mehr als 20 Spiele geschafft, vor dem Düsseldorf-Spiel musste er im Training getapet werden und Kocak war offensiv mit der Aussage in die Saison gegangen, dass bei ihm nur fitte Spieler spielen. Das Ende vom Lied war, dass nach 85 Minuten der Oberschenkel durch war und Hübers für zwei Monate raus. Wenn man Trainer und Defensivkader hat, um solch ein Missmanagement zu umgehen, dann kann er trotz seiner Anfälligkeit hilfreich sein.
Als Spieler kennen wir ihn nun etwas besser. Was für einen Charakter, was für einen Typen hat der FC verpflichtet?
Auf jeden Fall einen sehr bodenständigen. Wie oben angesprochen, er studiert noch und schreibt seine Klausuren. Momentan natürlich vieles von zuhause, aber er mischt sich auch am Campus unters Volk. Wäre das jetzt sein erstes Mal in Köln, wäre es vielleicht ein kleiner Kulturschock, aber ich glaube die wichtigsten Lektionen hat er in seinem ersten Aufenthalt bei euch schon beigebracht bekommen. Zwar ist er meist sehr ruhig und ausgeglichen, kann sich aber auch gut im Trubel der Domstadt zurechtfinden. Insgesamt ein guter, solider Typ, der auch mal für ein Projekt seiner alten Schule einen vegetarischen Burger kreiert.
Über unseren Interviewpartner: Ansgar Löcke ist seit fast 20 Jahren Fan von Hannover 96 und hat von Europapokal bis Michael Frontzeck alles mitgemacht. Auf Twitter findet ihr ihn unter @Ansgar_L, eins seiner Augenmerke dort sind die Karrieren ehemaliger 96-Spieler.