Nachdem die Wechselgerüchte rund um Sebastiaan Bornauw in den vergangenen Tagen und Wochen wieder Fahrt aufgenommen haben, hat sich der 1. FC Köln bereits um einen möglichen Nachfolger für den nach Wolfsburg strebenden Belgier bemüht und Timo Hübers verpflichtet. Der 24 Jahre alte Innenverteidiger stößt ablösefrei von Hannover 96 zu den “Geißböcken”, der 1,90 Meter großen Rechtsfuß unterschreibt bei den Kölnern einen Zweijahresvertrag. “Timos fußballerische Qualitäten als Innenverteidiger sind bekannt. Was ihn darüber hinaus auszeichnet, sind seine Mentalität und sein Interesse, sich permanent weiterzuentwickeln“, erklärte FC-Interimssportchef Jörg Jakobs bei der Verkündung der Verpflichtung, die sich bereits seit dem Frühjahr abgezeichnet hatte.
Hübers ist kein Unbekannter in Köln, trug der Abwehrspieler doch bereits in der Saison 2015/16 den Geißbock auf der Brust. “Mit der Rückkehr zum FC schließt sich für mich ein Kreis”, verkündete der 24-Jährige deshalb auch anlässlich seines Comebacks am Geißbockheim. “In meinem Jahr bei den Amateuren habe ich immer im Stadion gesessen, zugeschaut und wollte selbst gerne auf dem Rasen stehen. Dass das jetzt so gekommen ist, ist großartig”, betonte Hübers, der vor sechs Jahren für die Regionalliga-Reserve der “Geißböcke” unterwegs war. Für die FC-U21 absolvierte er damals als 18-jähriger Jungspund 21 Spiele in der Regionalliga West (ein Tor). Bei den Profis kam der zweikampf- und kopfballstarke Innenverteidiger zu dieser Zeit noch nicht zum Zug.
Ein Innenverteidiger mit Gardemaß und Führungsqualitäten
Auch ein Grund, weshalb es Hübers nach einem Jahr in der Domstadt zurückzog zu Hannover 96, seinem Heimat- und Ausbildungsverein. Der Abwehrhüne, in Hildesheim geboren, wechselte bereits im Alter von elf Jahren vom SV Hildesia Diekholzen in die Jugend der 96er und verbrachte dort, bis auf das kurze Intermezzo beim FC, seine komplette bisherige Karriere. Ein richtiges Eigengewächs der Niedersachsen also, daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sein erneuter Abgang nach Köln nicht geräuschlos über die Bühne ging: Am Training in Hannover durfte Hübers zunächst nicht mehr teilnehmen, obwohl sein Vertrag noch lief. „Die Tür ist zu!“, schob Martin Kind einer möglichen Rückkehr des Innenverteidigers einen Riegel vor.
“Das Gesamtpaket hat für mich einfach gestimmt. Ich kann wieder Bundesliga spielen, und das bei so einem besonderen Verein.”
Dass Gerüchte um einen eventuellen Verbleib in Hannover aufkamen, hing auch mit der Hängepartie von Seiten der Verantwortlichen des 1. FC Köln zusammen: Obwohl schnell klar war, dass sowohl Hübers als auch sein ehemaliger Verein an einer Zusammenarbeit enorm interessiert waren, zog sich die Verpflichtung. Medienberichten zufolge lagen beide Parteien in finanziellen Fragen lange noch etwas weiter auseinander – dass die Kassen in der Domstadt nicht prall gefüllt sind, ist letztlich bereits seit einiger Zeit kein gut gehütetes Staatsgeheimnis. Zudem sollen auch andere Bundesligisten wie Greuther Fürth Interesse an Hübers bekundet haben, der Spieler aber entschied sich letztlich doch für eine ablösefreie Rückkehr ans Geißbockheim. „Das Gesamtpaket hat für mich einfach gestimmt. Ich kann wieder Bundesliga spielen, und das bei so einem besonderen Verein”, so Hübers.
Der 1,90 Meter große Rechtsfuß, der sich in Hannover zum Leistungsträger und Führungsspieler entwickelt hat, soll nun also die in der vergangenen Saison wacklige Defensive der Kölner stabilisieren. Dank seiner Körpergröße gilt Hübers als zweikampf- und kopfballstarker Vertreter seiner Zunft, der auch offensiv bei Standardsituationen Gefahr ausstrahlt. In der vergangenen Saison konnte er in 20 Spielen für 96 in der 2. Bundesliga zwei Tore erzielen. Auch die Rolle, die Hübers in Hannover zuteilwurde, spricht Bände über den FC-Neuzugang: Als Abwehrchef und stellvertretender Kapitän war der Innenverteidiger eines der wichtigen Gesichter bei 96. Oder um es kurz zusammenzufassen: Die “Geißböcke” holen mit Timo Hübers nicht nur einen alten Bekannten zurück, sondern bekommen ablösefrei einen großgewachsenen Innenverteidiger mit Führungsqualitäten.
Variabel einsetzbar beim “neuen” 1. FC Köln
Die fußballerischen Qualitäten, die Mentalität, der Wille zur Weiterentwicklung – diese Punkte nannte Jörg Jakobs als Argumente für die Verpflichtung des 24 Jahre alten Innenverteidigers. Obwohl Hübers vornehmlich als ein Mann für das Abwehrzentrum gilt, hat der groß gewachsene Blondschopf auch schon Spiele auf der Position des rechten Außenverteidigers und im defensiven Mittelfeld bestritten. Interessant wird dies, wenn der FC zukünftig unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart mit einer Dreierkette auflaufen sollte, dann könnte die Erfahrung des Defensivspezialisten auf dem rechten Flügel durchaus positive Auswirkung auf eine mögliche Positionierung als rechter Innenverteidiger haben.
Seine Einsätze im defensiven Mittelfeld unterstreichen die ihm attestierten Qualitäten im Spielaufbau. Bemerkenswert ist, dass Hübers zudem, obwohl Rechtsfuß, viele seiner Spiele als Innenverteidiger in der Viererkette der Niedersachsen als linker Innenverteidiger bestritt. Mit Blick auf den Kader des 1. FC Köln könnte dies durchaus bedeuten, dass Hübers für beide zentralen Positionen in der Abwehrreihe der “Geißböcke” infrage kommt. Nach einem möglichen Abgang von Bornauw könnte der Neuzugang sowohl den rechten Innenverteidiger neben Rafael Czichos geben als auch bei einem Verbleib des Belgiers eine Option für die Position neben Bornauw sein, die in der vergangenen Saison der bei den Fans sicherlich nicht unumstrittene Czichos bekleidete.
In dieser Gemengelage müsste Hübers allerdings wohl den Löwenanteil des Spielaufbaus aus der Abwehr heraus übernehmen. Ob ein Rechtsfuß als linker Innenverteidiger dem FC allerdings die nötige Ausgewogenheit im Spielaufbau liefern kann, bleibt fraglich. Doch klar ist: Der neue FC-Verteidiger ist variabel einsetzbar, auf welches System Steffen Baumgart bei den “Geißböcken” zukünftig auch immer setzen mag. Je nach Konstellation könnte er auch schnell in eine Führungsrolle in der Abwehr hineinwachsen. Während diese Rolle zuletzt meist Czichos zufiel, profitiert Hübers von seiner Zeit in Hannover, in welcher er trotz seines jungen Alters bereits im Mannschaftsrat war und sogar zwei Spiele als Kapitän auflief.
Hübers: “Titel als erster deutscher Corona-Profi werde ich nicht mehr los”
Auch in seinem privaten Umfeld wird Hübers stets als kameradschaftlich beschrieben, auch seine Bodenständigkeit wird oftmals betont. Immer noch hält er Kontakte in sein Heimatdorf Diekholzen, zu seinem Jugendverein Hildesia, in welchem auch seine Eltern immer noch als aktive Mitglieder fungieren, und postet auf seinen Kanälen in den Sozialen Medien Bilder mit Familie und Freunden. Zudem scheint der Fußballprofi auch beruflich weitsichtig zu agieren. Neben seiner Laufbahn als Leistungssportler schloss er bereits seinen Bachelor im Studienfach Wirtschaftswissenschaften ab und baut sich ein zweites Standbein für die Karriere nach der Karriere auf. „Den Bachelor habe ich in Regelstudienzeit abgeschlossen. Für den Master werde ich wohl etwas länger brauchen, aber ich will mein Studium auf jeden Fall abschließen. Die Uni ist für mich kein Stress, ich sehe das als Ausgleich“, ließ Hübers die Medienvertreter bereits letztes Jahr wissen.
“Das war damals irgendwie surreal, schwer zu begreifen. Man hatte schon viel gehört, dass in China ein Virus kursiert. Aber das war noch so weit weg, es gab nur vereinzelt Fälle in Europa. Ich war ja einer der Ersten, die hier in der Region und Deutschland infiziert waren.”
Und wer weiß: Vielleicht wird der Innenverteidiger, der mit Zahlen umgehen kann, ja sogar der Kölner Vereinsführung auch an dieser Front mit dem ein oder anderen Rat zur Seite stehen können. Doch hatte Hübers in seiner Karriere auch oftmals Zeit, sich neben dem Platz entsprechend weiterzubilden. Traurige Berühmtheit erlangte der neue FC-Verteidiger beispielsweise, als er sich im März 2020 als erster deutscher Fußballprofi mit dem Corona-Virus infizierte. “Das war damals irgendwie surreal, schwer zu begreifen. Man hatte schon viel gehört, dass in China ein Virus kursiert. Aber das war noch so weit weg, es gab nur vereinzelt Fälle in Europa. Ich war ja einer der Ersten, die hier in der Region und Deutschland infiziert waren. Von daher war so ein bisschen Ungewissheit dabei, ob es jetzt wirklich so schlimm ist, wie es suggeriert wird”, so Hübers im Gespräch mit dem NDR.
Laut eigenen Angaben verlief seine Krankheit allerdings glimpflich und er zeigte lediglich leichte Grippe-Symptome. Doch die Corona-Krise zeigte noch einmal, dass Hübers’ Horizont nicht auf seinen Sport beschränkt ist. In Anbetracht der “Sonderrolle”, die der Fußball inmitten des Pandemiegeschehens einnahm und immer noch einnimmt, zeigte sich der Fußballprofi nachdenklich: “Man fragt sich natürlich: ‘Braucht man den Fußball jetzt unbedingt, wenn Schulen, Kindergärten und Restaurants schließen müssen und die Leute um ihre Existenz kämpfen?'”, stellte er im NDR-Interview Ende des vergangenen Jahres klar.
Die bange Frage: Hält die Gesundheit des Neuzugangs?
Seine frühe Covid19-Erkrankung steht allerdings auch ein wenig symptomatisch für die vielen Ausfallzeiten, die Hübers in seiner Karriere bisher zu beklagen hatte. Vor allem seine Knie sind fortlaufend ein Grund zur Sorge, genau in dieser Hinsicht hat der FC in jüngster Vergangenheit mit Sebastian Andersson keine guten Erfahrungen gemacht. Während Andersson letzte Saison 15 Spiele mit Knieproblemen verpasste und sich auch zum Saisonende hin gequält und wenig spielfit über den Platz bewegte, musste Hübers 2020/21 insgesamt 13 Partien wegen Verletzungen pausieren. Zwar waren davon offiziell nur vier aufgrund von Knieproblemen, doch seine Historie zeigt, dass die Gelenke immer wieder Probleme bereiten: So musste sich Hübers bereits zweimal von einem Kreuzbandriss zurückkämpfen. Während es im Sommer 2016 direkt nach der Rückkehr zu 96 noch das rechte Kreuzband war, erlitt er die gleiche Verletzung in der Vorbereitung auf seine erste volle Bundesliga-Saison mit Hannover 2018/19 im linken Knie.
Erst im Februar 2020 konnte Hübers dann wieder erste Spiele nach seiner Knie-OP absolvieren. Selbst in seiner Saison in der zweiten Mannschaft des FC verpasste er elf Spiele mit einer Schambeinprellung. Die große Frage, die sich stellt, ist, ob Hübers es zukünftig schaffen kann, von Verletzungen verschont zu bleiben. Zu hoffen bleibt, dass die Verantwortlichen beim FC aus der Situation um Andersson gelernt haben und einen Plan B im Falle eines erneuten längeren Ausfalls des Innenverteidigers in der Hinterhand halten. Die Vorstellung, dass nach einem Bornauw-Abgang Hübers ausfällt, die einzigen verbliebenen Innenverteidiger mit Bundesliga-Erfahrung Jorge Meré, Sava-Arangel Cestic sowie Rafael Czichos sind, dürfte bereits jetzt für schwitzige Hände bei so manchen FC-Anhänger*innen sorgen.
Ein klassisches Comeback, das die “Geißböcke” in der jüngeren Vergangenheit öfters einstielten, ist der Transfer jedenfalls nicht: Vergleiche mit umjubelten Rückholaktionen wie bei Lukas Podolski oder Anthony Modeste verbieten sich angesichts der Ausgangslage und werden auch weder Timo Hübers noch der sportlichen Führung des 1. FC Köln gerecht. Doch ist es für die Fanherzen in der Domstadt sicherlich schön zu sehen, dass sich ein talentierter Spieler bei seinem ersten Aufenthalt am Geißbockheim derart wohlfühlte, um den FC anderen Vereinen vorzuziehen. Charakterlich ist der neue FC-Verteidiger sicher ein Bereicherung für den Verein – ob er auf dem Platz das halten kann, was sich die Verantwortlichen von ihm versprechen, dürfte vor allem eine Frage der Gesundheit sein. Gelingt das, kann Hübers sowohl eine Führungsrolle im Team übernehmen als auch zur Identifikationsfigur für die kölsche Anhängerschaft werden. Dann kommen die Vergleiche zu alten FC-Größen sowieso ganz von allein.