Fünf Spiele sind Ende Oktober in dieser außergewöhnlichen und die Begleitumstände betreffend hoffentlich einmaligen Saison gespielt. Doch vor dem Heimspiel gegen den FC Bayern München droht beim 1. FC Köln schon wieder so etwas wie der Murmeltiertag: Die „Geißböcke” stehen mit lediglich zwei Punkten unter jenem berühmt wie berüchtigten Tabellenstrich, welcher den 15. vom 16. Tabellenplatz trennt und bewegen sich damit wieder in Regionen, in welchem das Umfeld beginnt viel zu hinterfragen.
Nur einen Punkt Rückstand haben die Kölner auf den strauchelnden Hauptstadtclub Hertha BSC, doch die nächsten Partien sind ohne Frage äußerst wichtig. Schafft es der FC in den kommenden Wochen, sich mit einem Befreiungsschlag sowohl der Sieglosserie als auch des zu diesem Zeitpunkt der Saison eher psychologisch ungünstigen Tabellensituation zu entledigen? Dann gibt es nach den zwei letzten immerhin phasenweise recht ansehnlichen Spielen gegen Frankfurt und Stuttgart durchaus Grund für Optimismus, das Saisonziel Klassenerhalt zu erreichen. Gelingt es nicht, dürfte das Grundrauschen spätestens nach dem Spiel gegen Bremen eine unangenehme Lautstärke erreichen. Der Druck auf die Verantwortlichen, es gar nicht so weit kommen zu lassen, steigt.
Druck liegt auch auf der Geschäftsführung
Erste Wirkungen dieses Drucks sind bereits zu erkennen und führen zu Abwehrkämpfen am Geißbockheim. Geschäftsführer Horst Heldt sah sich unter der Woche gezwungen, vermehrt Fragen zur Zukunft von Markus Gisdol zu beantworten, stellte sich wie zu erwarten vor ihn und nahm ihn in Schutz. Die Mannschaft hätte mehr als zwei Punkte, würden alle arbeiten wie Markus Gisdol, so Horst Heldt. Was der FC-Geschäftsführer damit genau meinte und wer am Geißbockheim schlechter als Gisdol arbeiten würde, blieb offen. Weniger offen ist freilich die Prognose, ob der Kölner Manager nach einer höheren Niederlage gegen die Bayern und erst recht bei einer Sieglosserie über das Spiel gegen den übermächtigen Rekordmeister hinaus die Trainerdiskussion mit mehr oder weniger starken Statements unterbinden wird können. Dass es für Gisdol eng werden wird, wenn nicht nur das Spiel gegen Robert Lewandowski, Manuel Neuer und Co. verloren geht, sondern auch in den anstehenden Spielen gegen Bremen und Union kein Sieg herausspringt, ist keine gewagte Prognose.
Auch die weiterhin akute und spätestes diese Woche wieder mit aller Macht ins Bewusstsein rückende Coronapandemie führt zu Abwehrkämpfen. Alexander Wehrle, Heldts Partner in der Geschäftsführung, setzte sich bis zuletzt vehement dafür ein, dass das Kölner Gesundheitsamt Zuschauer im Müngersdorfer Stadion zulasse. Dabei wurde er immer wieder von den in die Höhe schießenden Inzidenzzahlen gebremst, was ihn nicht davon abhielt mit Vergleichen zur Philharmonie, dem Phantasialand oder dem grundsätzlichen In-Zweifel- ziehen der politischen Obergrenze des Inzidenzwertes 35, Druck auf die Kölner Politik oder die Entscheidungsträger in den zuständigen Behörden zu machen.
Köln-Müngersdorf wieder ohne Fans
Der Kölsche Kleinkrieg Wehrle vs. die Stadt Köln fand nun in Berlin auf großer Bundesebene ein jähes Ende, die neuen Corona-Maßnahmen sehen bis auf weiteres keine Fans in Stadien mehr vor. Ein Umstand, den man am Grüngürtel mittlerweile realisiert, im Sommer aber naiverweise anders geplant hat. Weswegen jetzt eigentlich dringend benötigtes und verplantes Geld fehlen dürfte. Wehrle steht nach dem offensiven Kampf um Zuschauer wieder defensiv unter Druck, den 1. FC Köln vor größeren finanziellen Problemen zu bewahren und in sichere Fahrwasser zu führen.
„Jeder Punkt tut gut, speziell den letzten Punkt merkt man“
Doch nicht nur die Geschäftsstelle oder der Cheftrainer stehen unter Druck. Am Samstag wird es in Köln – Müngersdorf ab 15:30 auch für die Elf mit dem Geißbock auf der Brust vornehmlich darum gehen, unter allerhöchstem Druck zu verteidigen. Zu Gast ist der FC Bayern München, die „weltbeste Mannschaft“, wie Gisdol die Mannschaft aus der bayrischen Hauptstadt adelte und damit auch die Marschrichtung klarmachte. Es geht für die Mannschaft darum, individuell und im Verbund stark, klug und vor allem fehlerfrei von der ersten Sekunde an zu verteidigen, um überhaupt eine kleine Chancen auf zumindest einen Punkt zu haben.
Gisdol erwartet 90 Minuten Konzentration
„Es wird schwer. Aber es geht bei 0:0 los“ sprach Mittelfeldspieler Elvis Rexhbecaj sich und der Mannschaft unter der Woche Mut zu und offenbarte mit diesem sonst nur in der ersten Pokalrunde gebrauchten Satz allerdings auch, wie groß die Hoffnungen für die allermeisten Teams in der Liga sind, mit den Bayern mitzuhalten. Der Spagat zwischen der Ligaspitze und allem, was danach kommt, hat im Jahr 2020 Dimensionen angenommen, wo eigentlich nicht mehr von einem Wettbewerb gesprochen werden kann. „Es gab die unterschiedlichsten Ansätze, und die meisten endeten damit, dass die Bayern mehr als vier Tore erzielen“ analysierte Gisdol auch entsprechend wenig optimistisch.
Es wird dieses Wochenende vermutlich eher um das „wie“ als um das nackte Ergebnis gehen. Grund zum Ärgern könnte es vor allem dann geben, wenn die Mannschaft einmal mehr die Startphase verschlafen sollte. „Wir haben mit der Mannschaft darüber gesprochen. Soll das dahin führen, dass die Gegner wissen: Gegen Köln musst du eigentlich nur die ersten Minuten Vollgas gehen. Dann wirst du sie irgendwo erwischen, weil sie schläfrig rauskommen?“ machte Gisdol seinem Ärger Luft.
Personell kann Gisdol am Samstag weiterhin nicht auf Kapitän Jonas Hector zurückgreifen, er laboriert an seiner in Bielefeld erlittenen Nackenverletzung. Auch Modeste (Gisdol: „Das wird eher schwierig“) und Benno Schmitz („Fersenprobleme“) stehen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zur Verfügung. Zum Hoffnungsträger spielte sich in Stuttgart vergangene Woche jedoch Rechtsaußen Dimitris Limnios mit einer guten Partie – gut möglich, dass er seine Chance gegen die Bayern das erste Mal von Beginn an erhält. Auch wurde Youngster Sava Cestic diese Woche vor der Innenverteidigung getestet. Viel Druck für die jungen Spieler, den von den arrivierten Spielern in den Dreck gezogenen Karren wieder rauszuziehen. Oder vielleicht gerade nicht? Gegen die Bayern erwartet kaum noch jemand etwas, erst recht nicht von jungen und unerfahrenen Spielern. Vielleicht ist das ja die Chance für den 1. FC Köln.