So stand er nun da am Jahresbeginn, dieser 1. FC Köln. Vom Europapokal-Teilnehmer zum nahezu sicheren Absteiger. Ein tiefer Fall ans Tabellenende. Sechs mickrige Punkte hatten die „Geißböcke“ in der Hinrunde lediglich gesammelt, ein einziger Sieg war dem Team gelungen. Sechs verdammte Punkte. Ein verdammter Sieg. Das rettende Ufer war längst nicht mehr in Sicht, dennoch wurden in der Winterpause die Rechenschieber ausgepackt. War da etwa noch etwas Glaube an das Wunder übrig? Welche Punktzahl könnte in der Rückrunde für den Klassenerhalt reichen? Und wie soll ausgerechnet diese Mannschaft, die nur knapp am Minusrekord von Tasmania Berlin vorbeischrammte, das bewerkstelligen?
Derbysieg dank Neuzugang Terodde
Unterstützung musste her, Unterstützung wurde gefunden. In Stuttgart eiste der effzeh Simon Terodde los, der nach einem großartigen Jahr in der 2. Bundesliga eine Klasse höher so seine Schwierigkeiten hatte und nach der Verpflichtung von Mario Gomez das Schwabenland verlassen wollte. Und Armin Veh lotste Vincent Koziello nach Köln – ein kleiner Jüngling aus Frankreich, der vor kurzem sogar noch beim FC Arsenal auf dem Wunschzettel stand. Was zur Hölle will dieser spielintelligente und ballsichere Knirps bei einem zu 99 Prozent sicheren Absteiger wie dem 1. FC Köln? Eine der vielen Fragen, die sich vor dem Start in die Rückrunde gegen den rheinischen Rivalen aus Mönchengladbach rund um den effzeh stellte.
Eigentlich waren die Vorzeichen für das Derby klar: Die verhasste Borussia würde uns natürlich noch ein wenig tiefer mit dem Gesicht in den Abstiegssumpf drücken. Doch die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust hatten für den Auftakt ins neue Jahr offensichtlich andere Vorsätze: In einer ausgeglichenen Partie spitzelte Abwehrhüne Sörensen den effzeh nicht einmal unverdient in Führung. Es entwickelte sich ein echter Derbyfight, der hin und her wogte. Raffael sorgte für den Gladbacher Ausgleich, beide Seiten vergaben weitere Chancen. Sogar Glück mit dem Schiedsrichter hatten die „Geißböcke“, die in der Nachspielzeit den Schlusspunkt setzten. Rausch flankte, Terodde köpfte, das Müngersdorfer Stadion jubelte: In buchstäblich letzter Sekunde hatte sich der effzeh den Derbysieg gekrallt.
Auf den Derby-Rausch folgt der Karnevalskater
Es war der Auftakt zu fiebrigen Wochen, die die Hoffnung zurück in die Domstadt brachten. Beim ebenso taumelnden HSV setzte der effzeh zum nächsten Coup an – Terodde machte mit einem Doppelpack seinen Traumstart in Köln perfekt und sorgte für den dritten Sieg in Serie für die Ruthenbeck-Elf. Geht da doch noch etwas in Sachen Klassenerhalt? Schüchtern schielten die ersten bereits auf die Tabelle – und gerade zuhause hatte der sicher geglaubte Absteiger machbare Aufgaben vor der Brust. Nach dem 1:1 gegen Augsburg und dem bitteren Last-Minute-Knockout gegen Borussia Dortmund kehrte Ernüchterung ein, die spätestens an Karnevalssamstag zum Kater wurde. 2:4 bei Eintracht Frankfurt: Chancenlos kehrten die „Geißböcke“ geschlagen zurück – die Stimmung am Tiefpunkt.
Das galt auch für das Verhältnis zwischen Verein und aktiver Fanszene: In einem Offenen Brief attackierten die effzeh-Verantwortlichen seitenlang die Ultras – inklusive Namensnennung von führenden Köpfen und der bis heute üblichen Vermischung von einfachen, kritischen Fans und Krawallmachern. Es war nicht das einzige brenzlige Thema neben dem Platz in dieser Phase: Beim Derbysieg stibitzten zwei als Ordner getarnte effzeh-Fans den Gladbachern eine Zaunfahne, in Hamburg knallte es mächtig mit HSV-Anhängern. Der Tiefpunkt war aber erst mit den Beleidigungen gegen VfB-Keeper Ron-Robert Zieler erreicht – ein Vorsänger vergriff sich maßlos im Ton und sorgte für schlimme Schlagzeilen nach einer Niederlage, die so enttäuschend wie überflüssig war.
Auf der Stelle treten trotz Jubel gegen Leipzig und Leverkusen
Die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust traten tabellarisch komplett auf der Stelle, weil sie die sich bietenden Chancen nicht nutzen konnte. Wie schon gegen Augsburg (1:1) verpasste die Ruthenbeck-Elf auch in den Heimspielen gegen Hannover (1:1) und eben Stuttgart Big Points im Abstiegskampf. Da half auch der überraschende Auswärtserfolg bei der fußballspielenden PR-Abteilung eines Getränkeherstellers nicht wirklich weiter: Nach 0:1-Pausenrückstand drehte der effzeh in Leipzig auf und dann auch die Partie durch Treffer von Koziello und Bittencourt. Doch spätestens nach der 1:3-Niederlage in Bremen, wo der effzeh montags antreten musste, schien der bittere Gang in die 2. Bundesliga besiegelt zu sein.
Und wie immer, wenn der 1. FC Köln im Spiel ist, gilt folgendes Motto: Selbst wenn die eigene Erwartungshaltung gen Null tendiert, schafft es dieser Verein irgendwie doch einen Weg zu finden, einem mit ordentlich Anlauf in die Nüsse zu treten. Will heißen: Mit einem bärenstarken Auftritt gewann der effzeh um einen furios aufgelegten Koziello das Nachbarschaftsduell gegen Bayer Leverkusen mit 2:0. Geht da etwa doch noch etwas? Die Hoffnung flammte auf. Kurz. Exakt 13 Tage. Denn nach der Länderspielpause erleiden die Ruthenbeck-Schützlinge einen Komplett-Kollaps beim Auswärtsspiel in Hoffenheim. 0:6 heißt es nach 90 Minuten – und das Ergebnis war noch schmeichelhaft für völlig indisponierte Kölner. Darüber hinaus erfolgte auf den Rängen die Revanche für die Derby-Aktion: Mönchengladbacher Fans, inkognito neben dem Gästeblock präsent, nutzten kurz vor dem Anpfiff der Partie eine Pyroshow der effzeh-Ultras zum Klau der „Boyz“-Zaunfahne. Ein weiterer gebrauchter Tag in einer komplett gebrauchten Saison.