Es geht also wieder los: Etwa zwei Monate nach dem fußballerischen Shutdown einer gesamten Republik startet heute wieder Zirkus im deutschen Oberhaus – Bayern München empfängt zum Auftakt in die 56. Bundesliga-Saison die TSG Hoffenheim. In der deswegen ungewollt langen Sommerpause stand der deutsche Fußball trotz seines vielfach beklagten Zustands im öffentlichen Interesse, weil die Nationalmannschaft sportlich früh die Segel bei der WM streichen musste und im Anschluss viel über die Verantwortung einzelner Spieler, vor allem Mesut Özils, diskutiert wurde. Dass diese ganze Debatte irgendwann relativ geräuschlos die sportliche Ebene verließ, verleitete viele Kommentierende in einem politisch ohnehin immer radikaler werdenden Diskurs dazu, Özil als Hauptgrund für das Ausscheiden zu brandmarken – was dieser unter völlig berechtigter Kritik an der Krisenkommunikation des DFB natürlich so nicht auf sich sitzen lassen konnte und zurücktrat (im wahrsten Sinne des Wortes).
Joachim Löw, für viele Menschen in Deutschland ähnlich bedeutend für das Fortkommen des Landes wie die Bundeskanzlerin, entschied sich nach dem tristen Aufenthalt in Watutinki dazu, seine wohlverdienten Ferien andernorts anzugehen und zwischenzeitlich ein wenig darüber zu sinnieren, warum denn der deutsche Fußball in 270 Minuten Spielzeit gegen Mexiko, Schweden und Südkorea nicht besser abgeschnitten hätte. Seine Kollegen beim DFB taten etwas Ähnliches, viele Journalisten auch – der Zustand des deutschen Fußballs wurde aus allen erdenkbaren Perspektiven analysiert, kritisiert und für nicht mehr zukunftstauglich befunden. Was vorher noch als “international führend” angesehen wurde, war auf einmal schlecht – die Nachwuchsarbeit würde schließlich zu wenige Individualisten ausbilden, weshalb die deutsche Mannschaft folgerichtig gegen die tiefstehenden Gegner gescheitert sei.
Das Abschneiden der DFB-Elf als Gradmesser des Fußballs?
Diese Analyse ist natürlich genauso falsch wie gefährlich, denn der deutsche Nachwuchs hat im individuellen Bereich vielleicht gar nicht so viel Rückstand, wie man denken mag – offenkundig ist eher das fehlende Risikodenken vieler Trainer, sowohl im Jugend- als auch im Profibereich. Der Debatte blieb dann natürlich auch nicht erspart, dass der ganz große Bogen in die Bundesliga geschlagen wurde, wo “Fußball” unter komplett anderen Bedingungen gedacht und gearbeitet wird als beim DFB. Die fehlende Konkurrenz für den FC Bayern sei ein Problem, was dann langfristig auch der internationalen Konkurrenzfähigkeit aller Klubs schade, hieß es. Nachdem im Jahr zuvor noch gefeiert wurde, dass man sowohl Confed-Cup als auch U21-EM nach Deutschland holte. Doch Fußball ist, Alhamdulillah, ein schnelllebiges Geschäft und so drehte sich der Wind in der Berichterstattung dann auch wieder.
Dieses Jahr würde der FC Bayern München nämlich angreifbar sein, weil er sich nicht verstärkt hätte und die alten Leistungsträger buchstäblich zu alt seien, konnte man lesen. Die Vereine dahinter scharrten bereits mit den Hufen, insbesondere Borussia Dortmund und sein neuer Trainer Lucien Favre könnten wieder ein Konkurrent für die Mannschaft aus dem “Freistaat” sein. Leverkusens Verstärkungen, die gewachsene Erfahrung der Hoffenheimer und, natürlich, der Energydrink unter den Bundesligisten könnten ebenfalls mal mehr als 55 Punkte holen. Warum? Weil deren Trainer allesamt für offensive Ausrichtung stünden. Also etwas, das zuvor noch an der Bundesliga kritisiert worden war. Das ist ja irgendwo auch das Schöne an dem ganzen Zirkus, alle Daten und Eindrücke lassen sich immer so verwenden, dass es in die eigene Argumentation passt – das macht sich natürlich auch der Autor dieses Textes zunutze, wie den intelligenten Lesenden bereits aufgefallen sein wird.
Wichtiger als das Sportliche: Die gesellschaftliche Verantwortung
In diesem Spieljahr wird in der Bundesliga aber etwas ganz Anderes, weniger Sportliches das entscheidende Thema sein: Wie nimmt der Fußball, vertreten durch die 18 Mannschaften aus der Eliteliga, seine gesellschaftliche Verantwortung wahr? Über die Entfremdung zwischen den entscheidungstragenden Funktionären und den konsumierenden Fans ist bereits genug geschrieben worden. Montagsspiele, die zunehmende Zerstückelung der Spieltage und völlig inakzeptable Formen der Repression gegen Fußballfans – das und vieles mehr entwickelte sich in den letzten Monaten trotz eines vorsichtig geführten Dialogs nicht in die richtige Richtung aus Sicht derjenigen Menschen, denen noch etwas am Fußball mit gesellschaftspolitischer Verantwortung liegt. Bundesweit agierende Fanbündnisse und die Fanszenen der einzelnen Bundesligastandorte sahen sich dementsprechend vollkommen zurecht dazu gezwungen, den Dialog mit den Funktionären von DFL und DFB abzubrechen. Die Proteste dürften also auch in dieser Saison weiterhin von Relevanz bleiben.
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