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Fankultur

Vorfall nach dem Union-Heimspiel: Von Holzköpfen, Hollywood und Horrorszenarien

Schon zu Beginn der neuen Saison fallen einige Fans des 1. FC Köln negativ auf. Auch medial nimmt die Eskalationsspirale Fahrt auf.

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Schon seit geraumer Zeit startet die 2. Bundesliga exakt drei Wochen vor dem Premiumprodukt Bundesliga, ihrem höherklassigen Pendant, in die neue Spielzeit. Drei Wochen, die den Vereinen der 2. Bundesliga mehr Raum, mehr Präsenz, mehr Aufmerksamkeit verschaffen sollen. Wenig Urlaub, wenig Regeneration, wenig Zeit für die Kaderplanung: Das sind die Schattenseiten im grellen Rampenlicht. Doch grundsätzlich genießen die Zweitligisten die große Bühne, bevor der Zirkus um Bayern, BVB und Co. wieder vollends im Gange ist.

Nicht immer allerdings muss die volle Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von Vorteil sein: Der 1. FC Köln hätte sicherlich gerne auf die Schlagzeilen aus dieser Woche verzichtet. Nach dem Heimspiel gegen Union Berlin hatten einige Fans abseits des Stadions versucht, einen Bus mit Gästefans zu attackieren. Die Polizei, die die Union-Anhänger zur Autobahn eskortierten, konnten diesen perfiden Plan vereiteln – und geriet dadurch selbst ins Visier der gewaltbereiten effzeh-Fans. Die Bilanz: 28 vorläufige Ingewahrsamnahmen, ein Angreifer in Untersuchungshaft, glücklicherweise keine Verletzten. Eine Aktion, die in aller Form zu verurteilen ist und den gesamten Verein in schlechtem Licht dastehen lässt.

Die ewig gleichen Mechanismen der Medienbranche folgen

Die Mechanismen von rivalisierenden und gewaltsuchenden Fangruppierungen setzte dann die Mechanismen einer klicklüsternen und sensationsheischenden Medienmeute in Gang. Abermals war im Nachgang von einer „neuen Dimension der Gewalt“ die Rede, Angaben der Polizei kritik- und größtenteils recherchelos übernommen und Schreckensbilder skizziert, die bürgerkriegsähnlichen Horrorszenarien entsprachen. Aus voneinander unabhängigen Geschehnissen wurden geradezu willkürlich Zusammenhänge konstruiert: War es eine Revancheaktion, weil Union-Fans zuvor beim Spiel eine geklaute Kölner Zaunfahne gezeigt hatten? War es, weil auch die mit den Berliner befreundeten Ultras aus Mönchengladbach im Müngersdorfer Stadion dabei waren? Oder war es gar die Retourkutsche für den Besuch an der Südtribüne bei einem der vorherigen Gastspiele der „Eisernen“?

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Frei nach dem Motto „Nichts Genaues weiß man nicht“ wurde fröhlich wild durch die Gegend spekuliert. Trauriger Tiefpunkt der ganzen Debatte: Ein monatlich erscheinendes Kölner Sportmagazin schaltete sich mit einem moralinsauren Kommentar in die Diskussion – und geht zugleich aktuell mit dem „Langen Tünn“ auf ihrem Titelblatt hausieren. Da fällt angesichts des medialen Fallouts bei dieser äußerst beschränkten Aktion kaum noch ins Gewicht, dass sich selbst Funktionäre anderer Vereine dazu bemüßigt sehen, ihren Senf zum längst totgekochten Würstchen beizugeben. Wie es im Übrigen anders geht, beweist die Zeitung „Neues Deutschland“, die sich aus Sicht der Berliner Anhänger kritisch mit dem Handeln der Polizei auseinandersetzt.

Teile der Kölner Fanszene sind nicht zu belehren

Das alles soll jedoch nicht davon ablenken, dass Ursache und Wirkung in der richtigen Reihenfolge zu bleiben haben. So bekannt bedauerlich die Berichterstattung vieler Medien über Auseinandersetzung unter Fans ist: Den Anlass dazu lieferte wieder einmal die Kölner Fanszene selbst. Wie es scheint, haben einige effzeh-Anhänger nicht nur ein Problem mit nicht-individuellen Transportmitteln, sondern scheren sich auch wenig um die Konsequenzen ihres erlebnisorientierten Engagements. Könnte bei Auseinandersetzungen unter Gleichgesinnten weit abseits des Stadions noch der Mantel des Schweigens darüber gehüllt werden, ist bei Steinwürfen auf Fanbusse mit (dem Vernehmen nach) überwiegend minderjährigen Gästeanhängern eine Grenze deutlich überschritten.

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Das stellt, so viel sei einen Monat nach dem 20-jährigen Jahrestag des widerwärtigen Überfalls auf den französischen Polizisten Daniel Nivel gesagt, keinesfalls eine neue Dimension der Gewalt dar – es zeigt lediglich, dass das Problem gewaltbereiter Fans derzeit nicht gelöst ist und auch schwierig zu lösen sein wird. Da hilft auch der ständige Ruf nach mehr Härte seitens des Vereins nichts: Die Handlungsmöglichkeiten des 1. FC Köln erschöpfen sich, wie nach dieser Aktion auch geschehen, in der Verurteilung der Geschehnisse und der Erteilung von Stadionverboten. Wie Letzteres allerdings eine Attacke auf einen Bus in Bocklemünd verhindern soll, müssten die „Solche Leute sollte der FC lebenslang aussperren“-Brüller nochmals genauer erläutern. Dass allerdings mittlerweile viele auch in der Fanszene vernetzte Leute solche Ausbrüche wie am Montagabend nur noch achselzuckend und resignierend kommentieren, ist das erschreckendere Zeichen.

Was wohl am Sonntag passieren wird? Wohl eher nichts!

Ob dies jedoch so erschreckend ist wie die Horrorszenarien, die für das effzeh-Gastspiel im Pokal beim BFC Dynamo gezeichnet werden, darf bezweifelt werden. Der Boulevard aus Köln und Berlin überbot sich unter der Woche mit Meldungen, was alles am Sonntagnachmittag passieren dürfte, was unbescholtenen Fußball-Fans rund um die Partie alles droht und wessen Freundesfreunde und Feinde unserer Feinde anreisen wird. Vermeintliche Insider werden aufgetrieben, die Polizei befragt, Experten gehört. Der 1. FC Köln, der böse Bube der Bundesliga, zu Gast beim berühmt-berüchtigten BFC Dynamo? Das kann ja nur an allen Ecken und Enden knallen! Die Enttäuschung dürfte auf vielen Seiten groß sein, wenn am Sonntag dann gar nichts passiert. Sicher ist nur: Ungeteilte Aufmerksamkeit wird dem Ganzen dank der Fülle an DFB-Pokal-Partien nicht zu teil.

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