Bis spät in die Nacht bleibt unklar, was sich nach Abpfiff so glasklar angefühlt hat. Die Zeichen in Köln stehen auf Trennung von Peter Stöger. Es sind unwürdige Zeiten.
1634 Tage ist Peter Stöger der Cheftrainer des 1. FC Köln gewesen, als sich die Geißböcke am Samstag auf den Weg nach Gelsenkirchen gemacht hatten, um dort später einen Punkt zu erkämpfen. Man kennt ihn in Köln mittlerweile ein wenig, diesen kauzigen Wiener, der einst von der Austria für eine Ablösesumme zum 1. FC Köln kam. Das glaubt man nach viereinhalb Jahren mit Stöger an der Seitenlinie zumindest.
Und so entdeckte so mancher, der die Entwicklung des Clubs und die Arbeit des Österreichers in den letzten Jahren verfolgt hatte, beim Kölner Trainer schon während der Partie erste vermeintliche Zeichen, die einen ein wenig stutzig werden ließen. Es machte irgendwie den Eindruck, als wäre zumindest irgendwas an Stögers Verhalten anders als sonst in diesen Krisenwochen. Der 51-Jährige wirkte phasenweise entspannt, manchmal nahezu gelöst an der Seitenlinie. Nach dem Kölner Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich seiner Mannschaft schien für ein paar Millisekunden ein süffisantes Grinsen über das Gesicht des Österreichers zu huschen. Später kniff er seinem Co-Trainer Manfred Schmid amüsiert in die Wange und lächelte dabei. Es sind gewiss nur kleine Situationen gewesen, aber man kannte sie von Stöger in dieser Form vor allem in den letzten Wochen nicht mehr. Dennoch hätte man diese Beobachtungen noch unter der Kategorie “Hirngespinste” verbuchen können.
Abschiedsgrüße in Gelsenkirchen?
Spätestens nach dem Schlusspfiff verdichteten sich dann aber die Anzeichen, dass an diesem Dezemberabend etwas zu Ende geht, doch überaus deutlich. Stöger umarmte sein Trainerteam, Co-Trainer Schmid gleich mehrmals. Der Trainer ließ seine Mannschaft wieder einen Kreis bilden und richtete dann ein paar Worte an seine Spieler. Ob er die Mannschaft hier bereits darüber informierte, dass es sein letztes Spiel mit dem 1. FC Köln war oder es zumindest sehr wahrscheinlich ist, dass es so kommt, bleibt vorerst unklar. Dass er der Mannschaft “in der Kabine” seinen “Rücktritt” verkündet habe, verneinte Stöger im Laufe des Abends allerdings gegenüber dem “kicker”.
Dennoch machten Schmid und er sich nach der Ansprache an die Mannschaft auf in Richtung der Kölner Fankurve. “Peter Stöger”-Gesänge schallten aus den 3.500 mitgereisten Kehlen zurück, der Gefeierte zog seinen Hut vor den Anhängern. Derartig direkte Interaktion mit der Kurve ist in den letzten Jahren nicht gerade eine Gewohnheit des Wieners gewesen, umso bemerkenswerter waren die Szenen am Samstag auf Schalke.
Kölner Spieler mit Tränen in den Augen
Der junge Tim Handwerker, erst im Sommer zum 1. FC Köln gewechselt, konnte seine Tränen schließlich nicht mehr verbergen und zeigte damit nur umso eindrucksvoller, welchen Stellenwert der Österreicher bei seiner Mannschaft genießt. Dass einem Spieler, der gerade erst Teil des Gebildes geworden ist, der drohende Abschied seines Trainers derart nahe zu gehen scheint, ist keine Selbstverständlichkeit. Und es gibt einen guten Einblick in das Drama, das sich in Köln in den letzten Wochen offensichtlich abspielt.
Mit der Wochenfrist für Stöger – der in der aktuellen sportlichen Situation aberwitzigen Idee, erst entscheiden zu wollen, wenn man das Spiel auf Schalke gesehen habe – setzte der Club seinen Rekordtrainer im Grunde vorzeitig schachmatt. Es dürfte schließlich auch diese Maßnahme gewesen sein, die dazu führte, dass es rund um die Mannschaft und im Trainerteam kurz darauf erstmals in Stögers Amtszeit zu rumoren begann. Nie zuvor wurde Stöger von seinem Verein öffentlich angezählt.
Der 51-Jährige griff zu den letzten Mitteln, die er noch zur Verfügung hatte: Er kündigte gegenüber der Mannschaft an, genau auf die Disziplin der einzelnen Spieler achten zu wollen und entfernte den offenbar durch Illoyalität aufgefallenen Yann-Benjamin Kugel aus dem Fitnesstraining. Dann folgte schließlich die denkwürdige Pressekonferenz des Wieners. Offen benannte Stöger die Missstände, die er im Verein identifiziert hatte: Werte-Verfall, Vertrauensverlust, Respektlosigkeit. Vor allem aber forderte der Trainer eine Entscheidung seiner Vorgesetzten. Stöger wusste dabei vermutlich durchaus, dass er in Köln eine besondere Position inne hat. Er konnte sich die öffentliche Forderung nach Klarheit nach viereinhalb Jahren im Verein leisten. Am Pokertisch hätte man den Zug aber wohl trotzdem ein “All-in” genannt. Alles oder nichts.
Zeichen stehen auf Trennung
In der Öffentlichkeit sorgte der Auftritt des Österreichers für viel Gegenliebe – Presse und Fans stimmten zu, eine Entscheidung müsse her. Auch wenn der überwiegende Teil der Kölner Anhänger bei dieser Entscheidung für einen Verbleib des Trainers plädieren würde, gab es durchaus Stimmen, die sich einen Neuanfang an der Seitenlinie vorstellen konnten. Aber auch bei den Vertretern dieser Ansicht gilt der richtige Zeitpunkt für einen Trainerwechsel gemeinhin als schon lange verpasst.
Das Präsidium um Werner Spinner, so machen die Ereignisse des Abends zumindest stark den Eindruck, scheint ihren Entschluss trotzdem gegen Stöger gefällt zu haben. Das Märchen, das der Trainer mit dem 1. FC Köln in den letzten Jahren geschrieben hat, geht an diesem Sonntag wohl spürbar anders zu Ende, als man das jemals erwartet hätte. Auch wenn der Verein noch nichts diesbezüglich kommuniziert hat. Das am Sonntag nicht wie geplant um zehn, sondern erst um 13 Uhr trainiert werde, ließ man spät am Abend zwar noch wissen. Gegen Mitternacht gingen dann aber auch am Geißbockheim die Lichter aus – auch Stöger und Schmid machten sich auf den Heimweg.
Unwürdig – in jedem Fall
Dafür dass der Österreicher am Sonntag um 13 Uhr zurückkehren, auf dem Platz stehen und das Training leiten wird, spricht nicht mehr viel. Auf offizielle Klarheit müssen Fans und Öffentlichkeit aber trotzdem noch ein wenig warten – warum weiß derzeit niemand so genau. Theoretisch bleibt ein Verbleib Stögers also noch denkbar, bis der Verein das Gegenteil bestätigt.
Eines ist aber – ob Stöger gehen muss oder bleiben darf – bereits sicher: Der 1. FC Köln gibt auf den vermutlich letzten Metern der Zusammenarbeit mit seinem Europapokal-Trainer ein schwaches Bild ab. Man könnte fast meinen, das alles sei eines „feinen Vereins“ nicht mehr so richtig würdig.