Smells like Niederlage, ist dennoch ein moralischer Sieg: Der 1. FC Köln kassiert gegen Hoffenheim einen späten Genickschlag, liefert aber ein starkes Spiel ab.
Es ist doch so: Je näher das Ziel rückt, desto unruhiger wird man. Sind es beispielsweise noch 500 Kilometer auf dem Weg vom Auswärtsspiel in der Wallachei zurück ins schöne Köln, dann macht sich da eine meditative Ruhe in einem breit. Es dauert schließlich noch ewig. Leuchtet aber die eigene Heimat schon in der Ferne oder ist auf den Schildern sogar bereits ein Kölner Stadtteil zu finden, wird die Vorfreude größer, man kann es kaum erwarten. Auf dem Rasen ist es ähnlich: Geht es dem Spielende entgegen, wird das Kribbeln von Sekunde zu Sekunde mehr. Wie lang ist denn noch? Lässt der Schiedsrichter viel nachspielen? Setzt doch endlich den einen erlösenden Konter!
effzeh-Modus Wiedergutmachung
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Dass der 1. FC Köln gegen starke Hoffenheimer überhaupt in dieser Situation war, hatten vor dem Spiel nicht viele erwartet. Zu sehr wirkten die schwachen Leistungen der letzten Woche nach, insbesondere das recht unwürdige Gekicke in Augsburg hatte schwer auf die Stimmung gedrückt. Spieler machen Fehler. Trainer macht Fehler. Sportgeschäftsführer macht Fehler. Der Boulevard kritisiert, Fans kritisieren. Erste Wölkchen über dem Geißbockheim. Es ist alles ganz furchtbar da draußen. Exakt drei Jahre, nachdem der effzeh die Rückkehr in die Bundesliga perfekt machte, nahm das Team sein Herz in die Hand. Europapokal? Scheißegal – es zählt erst einmal nur dieses Spiel.
Eine Einstellung, die offenbar Wirkung hat, zeigen sich die Stöger-Schützlinge doch deutlich verbessert: Hoffenheim wird effektiv unter Druck gesetzt, im Zentrum wie auf den Außen haben die „Geißböcke“ deutlich mehr Zugriff als noch in den Vorwochen. Dennoch: Auch diesmal war die Abwehr nicht bei allen Situationen im Bilde, hatte aber an diesem Freitagabend das Glück des Tüchtigen. Kein Gegentreffer in den ersten 15 Minuten, kein Gegentreffer in der ersten Halbzeit. Dazu zwar spielerisch nicht komplett auf Augenhöhe mit der Offensivmaschine Hoffenheim, doch mit feinen Aktionen. Nach packendem Fight führte nach fast einer Stunde ein brillanter Angriff zum Kölner 1:0: Sörensen butterweich auf Klünter, der mit starker Ballkontrolle und dem Auge für Hector. Der Nationalspieler blickt hoch, sieht Bittencourt, legt quer – TOR!
#allesreinhauen
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Danach: Hoffenheim drängt, der effzeh hält tapfer dagegen. Abwehrschlacht? Fehlanzeige – selber Nadelstiche setzen. Dann der Blick auf die Uhr: Nur noch zehn Minuten. Jetzt kommt die kritische Phase. Zäh wie der Verkehr auf der Mülheimer Brücke nachmittags um 5 vergeht das Spiel. Hoffenheim drückt, der effzeh schmeißt sich mit allem rein, was er hat. Sörensen köpft Kühlschränke aus dem Strafraum, der überragende Klünter haut sich in die Bälle. Das muss doch irgendwie reichen. Da, Lehmann, Ballgewinn. Pass auf Tony. MACH IHN. Warum schießt du nicht? Spiel zurück auf Jojic. Ablegen: Lehmann, SCHIESS! Gehalten! Ach fuck – hoffentlich rächt sich das nicht noch.
Vier Minuten Nachspielzeit. VIER MINUTEN? Kommt, das packt ihr auch noch. Es ist, als ob das Zeit-Raum-Kontinuum gestört wäre. Vergingen die Sekunden nicht eben noch schneller? Lässt jemand die Erde langsamer drehen? Der effzeh im Verteidigungsmodus. Schlussphasen – irgendwie nicht so unseres. Knappe Rückstände aufholen mit Sturm und Drang? Gelingt uns seltener als sechs Richtige im Lotto! Knappe Führungen souveräner über die Zeit schaukeln? Das Bernsteinzimmer unter den effzeh-Spielen. Die Flanke ist zu lang, den haut Osako jetzt weg. Weggerutscht. Süle sieht Demirbay, der sieht den freien Weg zum Tor. Unten links, keine Chance für Horn. Stille, einfach nur Stille, wo vorher schon „Dat Trömmelche“ ging.
Auf Augenhöhe mit Hoffenheim
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Manchmal ist Fußball so … grausam. Kann Amnesty International dagegen nichts unternehmen? Das ist doch Folter. Als würde einem als kleiner Fetz das Weihnachtsgeschenk gezeigt – und dann deinem verhassten Cousin überreicht. Das sind Schmerzen, die auch nach einer Nacht nicht verschwunden sind. Und doch irgendwann verblassen.
Denn: Durch den Ausgleich in der Nachspielzeit schmeckt es zwar nach Niederlage, ist aber ein moralischer Sieg. Auf Augenhöhe mit dem formstarken Tabellendritten, nach den schwachen Auftritten der Vorwochen ein starkes Spiel abgeliefert und im Endspurt um Europa auch sich selbst bewiesen, dass man es deutlich besser kann. Und jetzt rückt das Saisonende immer näher – und wie wir wissen, wird die Unruhe, das Fiebern dadurch immer größer.