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100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Gründungsspieler, Geißbock-Namenspate, Doublesieger: Kaum jemand prägte den 1. FC Köln auf so unterschiedliche Art und Weise wie Hennes Weisweiler. Eine Würdigung des großen FC-Trainers zu seinem 100. Geburtstag.

Hennes Weisweiler Meisterschale
Foto: Edition Steffan

Weisweilers Pech in Barcelona war das große Glück des 1. FC Köln. Dort war in der Zwischenzeit eine phantastische Elf unterwegs, die insbesondere im Stadion-Provisorium Radrennbahn an guten Tagen absolute Weltklasse verkörperte und demzufolge auch Klasseteams mit hohen Niederlagen nach Hause schickte. Doch die Zeit mit großartigen Spielern wie Wolfgang Overath, Heinz Flohe, Herbert Neumann, Wolfgang Weber, Dieter Müller, Hannes Löhr, Bernd Cullmann und vielen anderen Stars blieb unverständlicherweise titellos.

Der Mannschaft fehlte schlicht die Stabilität, nach zum Teil grandiosen Heimsiegen holte man sich lustlos diverse unnötige Auswärtspleiten ab. Gerne auch mal bei den kleinen Vereinen in der Provinz. Den Grund dafür fand man, sicher nicht zu Unrecht, auch auf der Trainerbank. Kein Übungsleiter fand in dieser Phase den Schlüssel, die reichlich vorhandenen PS dauerhaft auf die Straße zu bringen.

Top-Team sucht Top-Trainer: Die Rückkehr des kölschen Hennes

Das hochveranlagte, aber sicher nicht einfach zu leitende Team um den äußerst selbstbewussten Weltstar Wolfgang Overath, der wie selbstverständlich die Richtung des Spiels und des Spielstils, manchmal gar die Umfänge seiner eigenen Trainingseinheiten bestimmte, verlangte nach einem mindestens ebenso hochbegabten und persönlichkeitsstarken Top-Trainer. Da konnte es zu dieser Zeit einfach nur einen geben, den man unbedingt holen musste. Es war an der Zeit, dass hier etwas zusammenkam, was eigentlich sowieso schon immer zusammengehörte: Der 1. FC Köln und Hennes Weisweiler.

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Weisweiler galt nicht unbedingt als Freund des kölschen Wesens. Jedenfalls nicht in Gänze, die kölsche „Et kütt, wie et kütt“-Mentalität war ihm zuwider, wenn er auch gerne feierte und durchaus seine rheinischen Seiten zu zeigen vermochte. Allerdings dürfte der Gedanke, dass nur er den Kölnern höchste Weihen bringen könne, auch eine Rolle gespielt haben. Im Fußball aber ging ihm der Erfolg über alles. Dies war wohl der Hauptgrund, warum es ihn nach Köln zurück verschlug. Letztlich sah Weisweiler nämlich ein absolutes Top-Team, mit dem die Chance auf die Meisterschaft am größten war, deshalb die Rückkehr ans Geißbockheim.

Foto: Edition Steffan

Manager Kalli Thielen gelang damit eine Rückholaktion, die ganz Köln in Aufruhr und Vorfreude versetzte. Vergessen waren die Sticheleien aus Gladbacher Zeiten, schließlich galt Weisweiler als einer der besten Trainer Europas. Auch die alte Verbundenheit aus gemeinsamen Zeiten war natürlich nicht vergessen. Wer, wenn nicht er, sollte den 1. FC Köln endlich zu den Titeln führen, die ihm mit solch herausragenden Spielern ja irgendwie auch zustanden. „Dä Hennes jehört zu uns wie der Dom zu Kölle, dä määt dat schon“ klang es aus vielen Fanmündern und so wurde der verlorene Sohn ganz schnell wieder ins kölsche Herz geschlossen. Die Erwartungshaltung der Fans, über 10.000 sahen das erste Training, … damals war sie im Verhältnis zu heute tatsächlich sehr hoch und Weisweiler war quasi zum Erfolg verdammt.

Wachablösung – Weisweiler demontiert Overath

All dies war ihm bewusst, er stellte sich dem und er schaute sich sein neues Team daraufhin ganz genau an.  Der neue Trainer erkannte rasch, dass auch an Wolfgang Overath, dem großen FC-Star der 60er und frühen 70er Jahre, der Zahn der Zeit genagt hatte, befand sich dieser doch zu Weisweilers Amtsbeginn bereits in seinem 33. Lebensjahr. Zusätzlich war der FC in den letzten Jahren zu leicht ausrechenbar geworden, hatte man das Spiel doch voll und ganz auf Overath ausgerichtet. Auch Weisweiler hatte schließlich von dieser Konstante im Kölner Spiel als Gladbacher Trainer in einigen Spielen profitieren können.

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Aus diesen Gründen demontierte der Top-Trainer den Weltmeister von 1974 nach und nach und hatte damit Erfolg. Entgegen der weit verbreiteten und falschen Annahme, dass Overath erst nach dem Pokalfinale 1977 zurücktrat, tat er dies bereits weit zuvor, um die Saison dann noch normal zu Ende zu spielen. Die Spannungen zwischen den beiden Top-Egos hatten den FC schließlich die komplette Saison über begleitet und sicher hatten diese heftigen Zwistigkeiten, die öffentlich ausgetragen wurden, die durchaus vorhandenen Meisterchancen mit zunichte gemacht.

In Weisweilers erstem Jahr feierte der FC durch den 1:0-Sieg über Hertha BSC im DFB-Pokalfinale dennoch seinen ersten Titel nach neun langen Jahren. Es war ein Titel, der ein wenig als Trostpflaster für die entgangene Meisterschaft galt und er wurde mit einem „Typisch FC“-Ausruf begleitet. Warum? Weil der 1. FC Köln die bis dahin und bis heute einzige Mannschaft darstellt, die dafür zwei Endspiele benötigte und das Ganze auch noch zum großen, finalen Krach zwischen Weisweiler und dem längst zurückgetretenen Wolfgang Overath führte. Diesen hatte Weisweiler nach dem 1:1 im ersten Endspiel am Ende gar nicht mehr aufgestellt und so für schlechte Stimmung gesorgt.

Flohes Beförderung durch Hennes

In der Saison 1977/78 sollte schließlich Heinz Flohe als Nachfolger von Wolfgang Overath das Team führen. Jahrelang hatte Flohe mit Overath und dem emsigen Arbeiter Heinz Simmet ein Mittelfeld gebildet, das seinesgleichen suchte. Nachdem er in den ersten gemeinsamen Jahren sicher von Overath profitierte und von ihm lernte, war er mit den Jahren immer selbstbewusster und besser geworden. Doch die Rolle des Regisseurs lag wie festgegossen bei Overath, auch als Flohe ab einem gewissen Zeitpunkt leistungstechnisch höher einzuschätzen war. Weisweiler hatte dies bereits als gegnerischer Trainer bemerkt. Er sah in ihm etwas, was viele vor ihm nicht erkannt hatten.

Dieser Spieler war nämlich deutlich mehr als nur ein überragender Dribbler. Er hatte eindeutige Leaderqualitäten, die er aber aufgrund der Machtfülle Overaths nur temporär einsetzen konnte. In der Mannschaft war „Flocke“ sehr beliebt, seine Dynamik war ansteckend, der Siegeswille enorm und vom technischen Rüstzeug her konnten ihm auf dem ganzen Planeten nur wenige das Wasser reichen. Jetzt aber sollte der weiße Brasilianer, als der er seinerzeit gerne bezeichnet wurde, vom Rastelli zum Chef werden. Jemand, der die Mannschaft anführt, ihr die Richtung und das Tempo vorgibt.

Heinz Flohe in Aktion gegen Bayern München | Foto: Edition Steffan/Pfeil

So jedenfalls lautete der Entschluss Weisweilers, der ab sofort voll auf den Euskirchener setzte. Doch konnte Flohe das überhaupt? Nicht wenige waren skeptisch, Flohe wurde zwar als trickreich-genialer Spieler enorm hoch geschätzt, aber man trauerte dennoch öffentlich der Führungsfigur Overath hinterher. Doch dies dauerte nicht lange, denn der von Weisweiler beförderte Flohe wuchs nach anfänglichen Schwierigkeiten mehr und mehr in die Rolle des Chefs hinein, ging voran und konnte sein ganzes Team mitziehen. Die Mannschaft überstand einige Krisen und belohnte sich mit dem Kampf um den Meistertitel.

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