Der 1. FC Köln hat es geschafft – der Klassenerhalt und damit das Minimalziel ist zur Freude der Verantwortungsträger nach dem 1:1 gegen Eintracht Frankfurt am 33. Spieltag rechnerisch unter Dach und Fach. Das vor der Saison vom damaligen Trainer Achim Beierlorzer ausgegebene Ziel, mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben zu wollen und keinem Existenzdruck ausgesetzt zu sein, wurde letztlich zwar verfehlt, wie der jetzige Trainer Markus Gisdol auf der Pressekonferenz mit den Worten „Man merkt jedem an, welcher negative Druck abgefallen ist“ einräumte.
Doch als Gisdol und Heldt Mitte November ihre Arbeit im Grüngürtel aufnahmen, stand der effzeh auf dem vorletzten Platz mit mickrigen sieben Punkten aus 12 Spielen, im Umfeld glaubten die meisten an einen direkten Wiederabstieg. Für die beiden fühlt sich die Saison zurecht nach “Mission accomplished” an. Am Ende reichte der Elf mit dem Geißbock auf der Brust bekanntlich ein winterlicher Zwischensprint mit acht Siegen in zehn Spielen, in welchen der Klassenerhalt effektiv eingetütet wurde – in den restlichen 23 Spielen holte man lediglich 12 Punkte und nach der Coronapause nur noch vier Punkte und kein einziger Sieg. Eine Tatsache, die intern dringend einer umfassenden Analyse unterzogen werden muss.
Bremen mit dem „Messer zwischen den Zähnen“
Doch vorher steht noch der 34. Spieltag bevor – und der ist anders als in den meisten Saisons kein reines Schaulaufen. Der 1. FC Köln reist nach Bremen, für Werder geht es um alles. Denn die Grün-Weißen stehen nach dem 33. Spieltag auf dem 17. Tabellenplatz und damit vor dem erstmaligen Abstieg nach 40 Jahren Bundesliga-Zugehörigkeit. Zwei Punkte davor und mit dem vier Tore besseren Torverhältnis auf Platz 16 rangiert Fortuna Düsseldorf auf dem Relegationsplatz. Die Rheinländer spielen auswärts bei Union Berlin, ein Sieg sichert ihnen die Relegation. Ein Unentschieden, und Werder müsste die Kölner mit vier Toren Unterschied besiegen.
Die Brisanz und die Wichtigkeit der Partie erklärt sich folglich von alleine – die „Geißböcke“ stehen in der Pflicht, Charakter zu beweisen, die Integrität des Wettbewerbs zu erhalten, mit allem dagegen zu halten und Werder, welches mit dem Mut der Verzweiflung 90 Minuten ohne Pause anrennen wird, einen ordentlichen Kampf zu bieten. „Es gilt nur: Messer zwischen die Zähne und raus da“ fasste Bremens Trainer Florian Kohfeldt die Marschrichtung für sein Team martialisch, aber wohl zutreffend zusammen.
Für nicht im Ansatz genau so viel geht es für die Kölner, doch mathematisch begabte Menschen haben ausgerechnet, dass ein Sieg in Bremen dem 1. FC Köln dank der Fernsehgeldtabelle fünf Millionen Euro wert sein kann. Geld, welches die Geschäftsführung um Alexander Wehrle sehr dringend gebrauchen kann, Der FC ist beileibe nicht nur, aber auch wegen der weltweit grassierenden Coronapandemie äußerst klamm und um jeden Cent froh, um auch in der kommenden Saison einen wettbewerbsfähigen Kader auf die Beine zu stellen.
Argusaugen und Daumendrücken in Düsseldorf
Die Leistungen der Kölner waren in den letzten Woche mau, in Köln wurde die Charakterfrage gestellt und auch dem Trainer fiel auf, dass das Team beispielsweise gegen Union Berlin offenkundig nicht an die eigene Leistungsgrenze ging. Nun wird man in Düsseldorf dank der Tabellenkonstellation am Samstag um 15.30 Uhr nicht nur die eigene Mannschaft in Berlin beobachten, sondern auch genau schauen, was der ungeliebte kölsche Rivale im Norden abliefert. Insbesondere Timo Horn und Rafael Czichos stehen dabei im Fokus.
„Nicht im Ansatz werden wir ein Bundesligaspiel dazu nutzen, Geschenke zu verteilen.“
– Markus Gisdol
Ersterer fiel im Winter mit der forschen Bemerkung auf, er wünsche Fortuna den Abstieg. Letzterer verriet unter der Woche, er habe als Kind tatsächlich in Werder-Bettwäsche geschlafen und seine gesamte Familie sei Bremen-Fan. Aus Kölner Perspektive ist es natürlich amüsant anzusehen, wie ausgerechnet die um keine unlustige und auch schon mal marketingagenturgestütze Spitze verlegene Düsseldorfer Fanszene insbesondere Horns Aussagen dankend aufnahm, um sich präventiv schon mal für den Fall des eigenen Versagens getriggert zu fühlen. Die Blöße eines Düsseldorfer Shitstorms und Vorwürfe, man hätte den Wettbewerb beschädigt sollte man sich nach dem Spiel dennoch nicht geben.
Gisdol kennt seine Mannschaft und will um jeden Preis vermeiden, dass ab Samstag Abend nicht nur in Köln, sondern in ganz Fussballdeutschland die Charakterfrage gestellt wird. Und so war es ihm auch wichtig für seine Mannschaft in Vorleistung zu gehen und ausdrücklich zu betonen, dass man nicht nach Bremen fährt um aus der Saison auszutrudeln. „Nicht im Ansatz werden wir ein Bundesligaspiel dazu nutzen, Geschenke zu verteilen. Das fängt bei der Nummer eins an, das wird Timo Horn sein, 100-prozentig, das ist jetzt schon sicher. Und das geht bis zum letzten Kaderplatz. Da geht es rein nach Leistung. Wir wollen noch einmal das Beste reinhauen, das wir haben.“
Thomas Kessler beendet Karriere
Damit ist auch klar, dass Thomas Kessler kein Abschiedsspiel bekommen wird. Der 34-jährige, der 325 Mal im Kölner Kader und 32 Mal zwischen den Pfosten stand und seine Karriere nach dem Spiel in Bremen beendet, wechselt innerhalb des Geißbockheims von der Spielerkabine in den Verwaltungstrakt, wo er das Innenleben des Vereins kennenlernen soll. Am Freitagnachmittag wurde er von seinen Mitspielern sowie vielen FC-Mitarbeitern feierlich verabschiedet und geehrt, als diese vor der Abfahrt Spalier standen und ihm applaudierten. Eine nette Geste, auch wenn Kessler in Bremen bestimmt gerne noch einmal zwischen den Pfosten gestanden hätte.
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Nicht die Reise an die Weser antreten und damit fehlen werden dem 1. FC Köln einige Schlüsselspieler vor allem in der Offensive. Jhon Cordoba laboriert an einer Verletzung an den Adduktoren und wurde nicht rechtzeitig fit, Jonas Hector ist nach einem Trauerfall in der Familie freigestellt, Florian Kainz ist gelb-gesperrt und Simon Terodde sowie Marcel Risse sind nach Knieproblemen noch nicht wieder fit. Stattdessen stehen Christian Clemens und Kingsley Schindler erneut im Kader. Talent Tim Lemperle darf ebenfalls wieder Bundesligaluft schnuppern.
Man darf gespannt sein, mit welcher Auf- und Einstellung die “Geißböcke” das Feld betreten werden. Modeste wird wohl von Beginn an spielen dürfen, auch Uth und Drexler dürften starten. Aber wichtiger wird letztlich wohl die Einstellung sein, Werder könnte forsch und sehr aggressiv beginnen und bei einer hohen Unioner Führung wie von Geisterhand plötzlich in den Verwaltungsmodus schalten. Darauf muss Gisdol seine Mannschaft einstellen. Keine ganz alltägliche Aufgabe, vor allem wenn die Spannung aus dem eigenen Team bereits raus zu sein scheint. Doch am Samstag um 15.30 Uhr steht man noch einmal in der Pflicht, die Saison professionell zu beenden, 90 Minuten konzentriert zu bleiben und Werder Bremen in die zweite Liga zu katapultieren.