Eigentlich genügen wenige Worte. So ein „Nee, das war nichts“. Oder vielleicht doch „Was war das denn bitte?“. Oder „Alter Schwede, war das schlimm“. Eigentlich. Doch irgendwie muss über den Auftritt des 1. FC Köln zum Start in das zweite Halbjahr der Zweitliga-Saison gesprochen und geschrieben werden.
Mit 0:2 hatten die „Geißböcke“ den Auftakt bei Union Berlin in den Sand gesetzt und sich dabei erschreckend präsentiert. In der Abwehr offenbarte der effzeh massive Probleme, nach vorne sah es über weite Strecken der Partie nicht besser aus. Da half es auch nicht, dass der Gegner ein Viertel der Spielzeit mit einem Mann weniger auf dem Platz bestreiten musste – ganz im Gegenteil sogar.
Albtraumstart durch Traumtor – ausgerechnet Hartel!
Viel Zeit, um überhaupt ins Spiel zu finden, gab es für den mit hohen Ambitionen, aber großen Personalproblemen an die Alte Försterei gereiste Mannschaft von Trainer Markus Anfang nicht. Schon nach 25 Sekunden lagen die „Geißböcke“, die auf die Neuzugänge Johannes Geis und Florian Kainz setzten, zurück – der ehemalige effzeh-Jungspund Marcel Hartel (auuusgerechnet!) hatte Union mit einem traumhaften Fallrückzieher äußerst früh in Front geschossen.
Dies tat er allerdings unter gütiger Mithilfe der Kölner, die sich in der Defensivarbeit offensichtlich noch nicht auf Betriebstemperatur zeigten. Irgendwo im schläfrigen Abwehrverbund zwischen Niklas Hauptmann, Benno Schmitz und Mittelfeldstratege Geis tat sich ein riesiges Loch auf, dass Union direkt zu nutzen wusste. Es sollte bei weitem nicht der einzige Defensiv-Fauxpas an diesem gebrauchten Abend bleiben.
Die beste Defensive der Liga konnte somit gegen die beste Offensive der Liga eine Führung verteidigen – und tat das gewohnt geschickt. Der effzeh bestimmte die Partie mit viel Ballbesitz, wirkte aber eher wie deutsche Handball-Nationalmannschaft in den entscheidenden Phasen der vergangenen WM: Viel Gepasse vor dem massiven Abwehrriegel des Gegners ohne Wege in die Tiefe, wenig Durchschlagskraft aus der zweiten Reihe und mitunter konfusen Entscheidungen vor den eigenen Abschlüssen.
Auf dem Statistikzettel bestimmend, auf der Anzeigetafel nicht
Dazu hielt Union mit allen Mitteln der Verteidigungskunst dagegen, insbesondere der abermals emsige Jhon Cordoba konnte von den Berliner Abwehrspielern öfters nur durch allzu körperliche Annäherungsversuche gestoppt werden. Die Folge: Spielrhythmus kam kaum auf, Torchancen waren Mangelware. Die beste Möglichkeit vergab Drexler, der eher zufällig vor Gikiewicz auftauchte, doch am polnischen Union-Keeper scheiterte.
Während die „Geißböcke“ bei zahlreichen Standards völlig harmlos blieben, zeigten die Gastgeber, wie diese Situationen erfolgreich zu nutzen sind. Hübner kam nach einem scharf ins Zentrum gezogenen Freistoß aus dem rechten Halbfeld völlig frei zum Kopfball und ließ effzeh-Torwart Timo Horn keine Abwehrchance. 0:2 – und das nicht unverdient gegen eiskalt auftretende Berliner, die in der wilden Viertelstunde vor der Halbzeit sogar noch hätten höher führen können.
Reichel vergab nach einem abermaligen Aussetzer aus der richtig schwachen rechten Seite um Marcel Risse und Benno Schmitz, Prömels Treffer wurde wegen einer Abseitsstellung die Anerkennung verweigert. Doch auch die Anfang-Elf hätte jubeln können, wenn nicht sogar müssen: Terodde vergab nach Drexlers Zuspiel nur knapp, Drexler dagegen scheiterte nach Jorge Merés Traumpass in die Tiefe mit einem zu lässigen Lupferversuch abermals an Gikiewicz.
In Überzahl ideenlos – trotz oder wegen McKenna reloaded
Wer dachte, der effzeh würde nach dem Seitenwechsel verändert aus der Kabine kommen, sah sich getäuscht. Personelle Wechsel, die zumindest bei der anfälligen Abwehrarbeit angemessen gewesen wären, blieben ebenso aus wie eine grundsätzliche Rhythmusverlagerung in der Spielanlage. Die Gäste dominierten das Spiel, ohne wirklich gefährlich zu werden. Nach dem Abpfiff sollte die Anfang-Elf in allen maßgeblichen Kategorien der Fußball-Statistik vorne liegen: Deutlich mehr Ballbesitz, erheblich bessere Passquote, mehr Torschüsse, bessere Zweikampfbilanz.
Und doch sprang dabei gegen einen hervorragend organisierten Gegner nicht Zählbares heraus. Weil den anrennenden Kölnern gegen clevere Köpenicker nichts Überraschendes einfiel, die Flanken und die Standards eine Katastrophe waren und dem Team in den entscheidenden Situationen die Durchschlagskraft komplett abging. Das änderte sich wenig verwunderlich auch nicht, als Union nach dem berechtigten Platzverweis gegen Reichel nur noch zu Zehnt agierte.
Eigentlich war über die restliche Spielzeit nicht zu spüren, dass der effzeh mit einem Mann mehr auf dem Platz stand. Mit grassierender Hektik versuchten es die „Geißböcke“ zunehmend mit langen Bällen, die gegen das kopfballstarke Berliner Bollwerk allerdings zum Scheitern verurteilt war. Das änderte sich erst recht nicht, als der Aufstiegsfavorit in der Schlussphase Innenverteidiger Frederik Sörensen einwechselte und als Zeichen purer Verzweiflung in die Offensive schickte. McKenna reloaded, nur ohne die Erfahrung und Qualitäten als Stoßstürmer – der Däne konnte einem in vorderster Front beinahe leid tun.
In dieser Verfassung muss der 1. FC Köln um den Aufstieg bangen
Lediglich einmal konnten die permanenten Angriffsversuche für Unordnung sorgen: Cordoba tauchte nach einer Hereingabe von Clemens nochmals gefährlich vor Gikiewicz auf, doch auch diese Prüfung bestand der sichere Rückhalt der Gastgeber. Es sollte die einzige Chance für den effzeh im zweiten Durchgang bleiben, während Union, das schon mehrere Möglichkeiten zur Entscheidung vergeben hatte, das 3:0 in der Nachspielzeit liegen ließ. Der Abpfiff kam dann auch für alle Kölner Beteiligten wie eine Erlösung – gefühlt hätte die Mannschaft noch Stunden spielen können, ohne entscheidend für Torgefahr zu sorgen.
Die Vorlage, mit einem Sieg an der Alten Försterei im direkten Duell für ein beruhigendes Polster zu sorgen, warf der effzeh bereits nach 25 Sekunden in schlafwandlerischen Sicherheit weg. Doch nicht das schmelzende Polster auf den Verfolger aus Berlin war an diesem Abend das Beunruhigende, vielmehr war es der Auftritt während der mehr als 90 Minuten in der Hauptstadt. In der Abwehr in sämtlichen Bereichen anfällig, in der Offensive mit wenig Durchschlagskraft und ohne Ideen: In dieser Verfassung muss der 1. FC Köln um den Aufstieg bangen!