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Trainingskiebitz

Trainingslager des 1. FC Köln: zwischen Vorfreude und Skepsis – ein Stimmungsbericht

In Donaueschingen bereitet sich der 1. FC Köln auf die anstehenden Aufgaben vor. Über das Wochenende war unser Autor zu Besuch im Trainingslager und kehrte mit gemischten Gefühle in seine Heimat zurück. Ein kleiner Stimmungsbericht.

Foto: imago / MiS

Ein Besuch am ersten Wochenende des Trainingslagers des FC in Donaueschingen hinterlässt mehr als gemischte Gefühle. Zu der Vorfreude endlich mal wieder vor Ort zu sein, ein Fußballspiel, auch wenn es nur ein Testspiel ist, mit Zuschauerbeteiligung anschauen zu können, mischte sich in regelmäßigen Abständen Skepsis inwieweit das mit der steigenden Infektionsgefahr durch die Delta-Variante vereinbar ist und man sich (und andere) schützen kann. Hinzu kommen dann noch Skrupel, musste doch ein gewisser Teil der FC-Fans auf das Trainingslager verzichten, weil sie von der Hochwasserkatastrophe direkt oder indirekt betroffen waren.

Endlich mal wieder ein Wochenende „Urlaub“ buchen: Da überwog für mich persönlich zunächst nur der Aspekt der Vorfreude. Während der gesamten Pandemie-Zeit habe ich mir das verkniffen und eigentlich ist es meiner Überzeugung nach auch weiterhin nicht risikolos, aber der Druck wird langsam zu groß.  Der Druck, zurück zur Normalität zu gelangen – und wie viele meiner Mitmenschen neige ich da manchmal zur Ungeduld. Nichtsdestotrotz, sagte ich mir, mach das. Du hast das Risiko minimiert, testest dich regelmäßig, bist geimpft, kennst die Regeln und hältst dich dran, du kannst dich und andere schützen. Nicht wie so viele deiner Mitmenschen, bei denen mit dem Wort „Lockerungen“ alle Schutzmaßnahmen wegfallen. Verständnis fällt da schwer, aber es ist wie ein Trieb der in uns drinsteckt, die geballte Lebensfreude, die vor allem den Rheinländer auszeichnet, wieder ausleben zu können. Lange genug sind wir mit unserem 300-PS-Sportwagen auf der rechten Spur Tempo 100 gefahren, es wird Zeit für linke Spur und Vollgas!

“Vernünftig ist das nicht, höre ich meine innere Stimme sagen.”

Vernünftig ist das nicht, höre ich meine innere Stimme sagen. Weder das mit dem Sportwagen noch das Risiko der Menschenansammlungen im Zusammenhang mit den Sportveranstaltungen im Trainingslager. Du hast doch Kinder, fährt sie fort. Na gut, denke ich mir, kannst ja mittlere Spur, kontrollierbar 130 fahren, unter Beachtung der empfohlenen Geschwindigkeit die Emissionen so gering wie möglich zu halten. Für den Hinweg zum Trainingslager hat sich das aber eh erledigt. Aufgrund persönlicher Termine komme ich erst spät los und merke schnell, dass es aufgrund von Staus knapp wird, meinen Termin am Abend zu erreichen. Das Navi sagt: Umfahren, Landstraße, langsam, aber stetig in Bewegung bleibend.

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Schiffstour auf dem Bodensee

Bringt aber auch viel Zeit zum Nachdenken. Die Gedanken schweifen ab Richtung ehemaliger Heimat. Viele Todesopfer und Verletzte in Landstrichen, die mir nur allzu bekannt sind. Und die letztendlich alle im Einzugsgebiet des FC liegen, zahllose Fans, die betroffen sind. Warum hat sich der Verein selbst noch nicht zu Wort gemeldet? In diese Gedanken mischt sich dann wieder die Sorge rechtzeitig in Konstanz zu sein. Geplant ist eine Schifffahrt mit knapp 50 weiteren FC-Fans auf dem Bodensee mit etwas Stimmungsmusik und einem kleinen Plausch mit einem FC-Offiziellen. Das Schiff soll um 19 Uhr ablegen, die errechnete Ankunftszeit ist 18:59 Uhr, dann noch Parkplatz suchen. Das wird knapp. Und wieder stellt sich die Frage nach dem kalkulierten Risiko. Wird das Schiff groß genug sein, dass man genügend Abstand halten kann? Hoffentlich regnet es nicht, so dass man den Außenbereich nutzen kann. Schaffe ich das überhaupt? Es wird knapp. Weil ich mich noch kurz verlaufe, komme ich um 19:10 Uhr an und der Skipper war so nett auf mich zu warten. Die Bedenken sind weg, es soll so sein, dass ich dabei bin, aber erst mal aufs Pissoir, musste knapp vier Stunden zukneifen.

Der FC-Offizielle ist Dr. Jörg Jakobs, der nach einer knappen Stunde Schifffahrt das Mikro ergreift und ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert. Ausgiebiger und gesprächiger als erwartet. Nicht viel Neues, aber die Bestätigung zu den Abgängen, dass, „wenn man die Summen aus den einzelnen Berichten zusammenzählt und durch die Anzahl teilt, dann hat man den wirklichen Betrag ziemlich genau“.  Auch keine wirklich neue Information, aber neu, dass es jemand ausspricht. Und er legt uns nah, den Nachwuchstorwart Jonas Urbig im Auge zu halten, der ein besonderes Talent sei. Für die FC-Delegation ist dann aber auch ein Zwischenstopp eingeplant, an dem sie etwas frühzeitiger das Schiff verlassen, vermutlich haben sie schon genug Karnevalslieder gehört. Offiziell heißt es, dass der Grund die noch nicht geschlossene Transferperiode sei. Und tatsächlich habe ich meine Kölsch-Stange kurz aus dem Augen gelassen. Da ich nicht sicher bin, ob das leere Glas auf meinem Tisch nur von mir oder auch von jemand anderem benutzt wurde, spüle ich es kurz ab, desinfiziere es mit dem Handdesinfektionsmittel und spüle noch mal durch. Nach drei, vier weiteren Kölsch ist auch der komische Geschmack verschwunden. Neue Zeiten, neue Sitten.

 

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Nach einem tiefen festen Schlaf geht es Samstagvormittag frühstücklich gestärkt zum Vormittagstraining. Erst mal noch die Episode „Morgäähn“ reinziehen und sich stark wundernd, dass man dieses Format, das offensichtlich von langer Hand geplant wurde, trotz der aktuellen Geschehnisse kompromisslos und ohne auf die Aktualität einzugehen durchzieht. Feingefühl geht anders. Spürbar anders. Immerhin macht die Meldung die Runde, dass man Spenden zusammen mit dem Sponsor des heutigen Spiels gegen die Bayern gesammelt hat. Außerdem tut es gut, hier auf dem Trainingsplatz des SV Aasen alte bekannte Gesichter wiederzusehen und zu sprechen. Mit der 3G-Regel (Genesen, geimpft oder getestet), einer kurzen Registrierung per LUCA-App oder schriftlich lässt sich hier genügend Abstand halten und erholt das Training beobachten. Zurück bleibt nur die Frage, ob Profis nach einer Stunde Training für die 600 Meter bergauf zum Hotel E-Bikes benötigen und ob sie das ohne Beihilfe nicht schaffen.

Das Testspiel gegen Bayern München

Im Vorfeld des Testspiels gegen die Bayern gab es bereits verschiedene Reibereien, als Karten aus dem FC-Block auch für Bayern-Fans zum erhöhten Preis angeboten wurden. Und auch vor dem Spiel wurden euphorische Bayern-Fans auf dem Weg in den Kölner Block nicht gerade freundlich darauf hingewiesen, dass sie dort nicht unbedingt erwünscht seien. Fußballfans sind halt meist nicht diplomatisch, aber ehrlich. Letztendlich war es aber genau so vom Veranstalter gewünscht, der eigentlich hauptsächlich potentielle Kunden aus der Region ansprechen wollte. Deshalb kamen die Karten auch gar nicht erst bei den Vereinen an. Allerdings muss man überlegen, ob man als Verein beim Unterzeichnen des Sponsorenvertrags im Sinne seiner Fans nicht besser hätte aufpassen können. Vermutlich wurde hier aber der einfachste Weg gesucht, die Unkalkulierbarkeit auch bezüglich des Pandemiegeschehens zu umgehen.

Die Fußball-Bubble muss geschlossen bleiben (Bild: effzeh.com)

Also wurde die Vorfreude auf ein Fußballspiel mit Präsenz nur von etwa ein Fünftel Bayern-Fans im FC-Block und der überraschend vollen Auslastung des Stadions getrübt. Offensichtlich gelten für Bundesliga- und DFB-Pokal-Spiele andere Regeln. Letztendlich entscheidet das örtliche Gesundheitsamt, und das ist auf dem Lande wohl etwas freizügiger. Wie auch immer: Wer wollte, hatte einigermaßen Platz Abstände einzuhalten, auch weil viele das nicht wollten. Man sollte meinen, dass der Durst nach einem Spiel mit Zuschauern und der damit verbundenen Stimmung im Block unstillbar sei. Weit gefehlt. Einzig die fünfköpfige Abstellung der Riedböcke, ein FC-Fanclub aus der Umgebung von Biblis, versuchte ab und an das ein oder andere Lied anzustimmen. Leider zog meist kaum jemand mit, so dass die Stimme von „Capo“ Michel ungewohnter Weise litt, die hält normalerweise mehr aus.

Befremdlich auch die Art und Weise, wie die Spieler sich bei den erstmals seit Langem wieder anwesenden Zuschauern „bedankt“ haben. Es wirkte mehr als gehemmt, wie sie fast an der Mittellinie stehen blieben und jeder zwei-drei Mal in die Hände klatschte. Auch bei von oben befohlener „Bubble“ wäre hier mit der anderweitig bereits monierten fehlenden Empathie etwas mehr drin gewesen. In ausreichender Entfernung die Jubelwellen der Fans aufnehmen, vor der Kurve zumindest einmal auf und ab laufen, es gäbe so viele Möglichkeiten, den erwartungsvollen Blicken der Fans etwas zu geben. Einzig Ehizibue erlaubte sich nach dem Spiel, ein Trikot einem Kind durch den Zaun zu stecken. Ob es Zufall war, dass er am nächsten Morgen ein paar Extra-Sprints hinlegen musste?

Der Sonntag im Zeichen des Ehrenamts

Apropos der Morgen danach. Nach dem aktuellen „Morgäähn“, in dem weiterhin fröhlich dahergewettert wird, rief wieder eine lockere Trainingseinheit beim SV Aasen. Ein kleiner Club in der Nähe des Fünf-Sterne-Hotels Öschberghof, in dem die FC-Delegation untergebracht ist. Ein Glück, dass dieses Hotel über einen 36-Loch Golfplatz verfügt, dessen Greenkeeper sich regelmäßig den Plätzen der umliegenden Amateurvereine annehmen. So dass auch Weltclubs ebenfalls hier zum Trainingslager einfinden, wie zum Beispiel der FC Barcelona ab dem 29. Juli. Die Anlage kann unter Pandemiebedingungen locker hundert Fans aufnehmen und die Spieler komplett von den Fans abschirmen. Auch die an dem Hintereingang wartenden Kids werden auf der Jagd nach Unterschriften regelmäßig von FC-Verantwortlichen weggeschickt, sobald sich Spieler nähern.

Der Platz des SV Aasen im Trainingslagerbetrieb des 1. FC Köln (Bild effzeh.com)

Für den Nachmittag stand das Spiel gegen den Schweizer Zweitligisten FC Schaffhausen an. Ausrichter war der FC Bad Dürrheim, ein Landesligist aus der Region, der sich über den Verkauf von Speisen und Getränken ein Zubrot verdient. Amateurvereine werden allzu oft im großen Geschäft des Fußballs vergessen. Deshalb hat sich der FC-Fanclub „Wilder Süden“ bereit erklärt, seine Zelte zum Spiel aufzuschlagen und zugunsten des FC Bad Dürrheims Getränke zu verkaufen. Im Zeichen des Ehrenamts. Der Vorsitzende des Landesligisten Benjamin Wildgruber bedankt sich mit den Worten: „Wir danken dem Fanclub Wilder Süden des 1. FC Köln für die tolle Unterstützung im Catering-Bereich. Es freut uns sehr, neue Freunde kennengelernt zu haben.”

Das erste Wochenende des Trainingslagers ist Geschichte. Keiner ist ohne Fehler, sicherlich lässt sich auch mein Verhalten kritisieren. Das tue ich selbst auch. Und zweifle nach wie vor an der ein oder anderen Entscheidung. Allerdings dürste auch ich, wie viele andere, nach besseren Zeiten. Zeiten, in denen man frei entscheiden kann, ob man ein Fußballspiel besucht oder in Urlaub fährt. Und dann kommen diese Gedanken zurück, dass eine Vielzahl von Menschen die nächsten Jahre gar nicht in Urlaub fahren kann. Sei es, weil sie an der Infektion oder deren Folgen leiden, sei es, weil sie durch die Katastrophe derart gebeutelt sind, dass es nicht drin ist, oder aus welchen Gründen auch immer. Und ich weiß, dass es Dinge sind, die ich als Einzelperson nicht lösen kann, aber ich kann empathisch damit umgehen. Ich muss hier keinen Artikel schreiben, mit euphorischen Berichten aus einem sonnigen Trainingslager. Dieser Bericht kann ruhig nachdenklich sein und soll es auch. Und trotzdem wünsche ich mir, neben vielen anderen und auch wichtigeren Dingen, dass der FC eine gute Saison spielt.

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