Mit einem harten Auftaktprogramm begann die Bundesliga-Saison für den 1. FC Köln – doch wer nach den ersten Spielen gegen starke Gegner auf sofortige Besserung bei den „Geißböcken“ hoffte, sollte enttäuscht werden. Auch im Oktober lief es nicht für den Traditionsclub vom Rhein: Zwar schien es nach einem 3:0-Sieg gegen den SC Paderborn am achten Spieltag kurzzeitig so, als könnten die Kölner die Wende schaffen. Es folgten allerdings prompt Pleiten gegen Mainz und Düsseldorf – und eine Menge Ernüchterung in der Domstadt.
Der 1. FC Köln hing nach zehn Spieltagen im Tabellenkeller fest, die Mannschaft von Achim Beierlorzer konnte ihren Gegnern in dieser Phase nur wenig entgegensetzen. Die Folge: Die Personaldebatte am Rhein spitzte sich erheblich zu. Nach der Pleite gegen Düsseldorf schien Beierlorzer schon fast gefeuert. Der Franke bekam schlussendlich nach langen Beratungen der Kölner Vereinsgremien doch noch eine weitere Chance – in einem „Endspiel“ gegen Hoffenheim. Neben der sportlichen Situation rückte rund ums Geißbockheim nun auch die Debatte darüber in den Fokus, welche nun die richtigen Weichenstellungen für den Club seien. Sollte man an Beierlorzer festhalten? Und was ist mit Armin Veh?
Es wurden turbulente Tage: Veh sprach sich für einen Verbleib seines Trainers aus, Kollege Alexander Wehrle pflichtete bei. Kurz darauf waberten sogar Gerüchte durch die Stadt, der Finanzchef habe seinerseits mit Rücktritt gedroht, sollte die Vereinsführung nicht Vehs Empfehlung folgen. Das wiederum dementierte der Vorstand ein paar Tage später – und stellte sich hinter Wehrle. Und damit zunächst auch noch hinter Veh und Trainer Beierlorzer – das allerdings nur für den Moment. Die Fans kommentierten die Posse mit diversen Spruchbändern – gegen Wehrle und Veh gerichtet.
Veh und Beierlorzer müssen gehen
Nach dramatischem Spielverlauf verloren die „Geißböcke“ trotz ansprechender Leistung schließlich auch gegen Hoffenheim – der Schlusspfiff war kaum verhalt, da teilte der 1. FC Köln die sofortige Trennung von Armin Veh mit. Am folgenden Tag musste dann auch Achim Beierlorzer seinen Hut nehmen, während quasi zeitgleich bereits durchsickerte, dass Bruno Labbadia nicht so viel Lust auf den Job als Trainer bei seinem Ex-Club hatte. Somit begann am Geißbockheim die doppelte Nachfolgersuche: Ein neuer Sportchef und ein neuer Trainer mussten her.
Für den neuen Vorstand um Werner Wolf, Jürgen Sieger und Eckhard Sauren standen die ersten wichtigen Weichenstellungen ihrer Amtszeit auf dem Programm. Und zunächst passierte: wenig. Die Länderspielpause stand auf dem Programm – und auch wenn bereits erste Namen durch die Stadt geflüstert wurden, ließen sich die Verantwortlichen am Geißbockheim zunächst Zeit. Geduld und Gelassenheit – das klang erst einmal nach keinem schlechten Ansatz, auch wenn es vielen Beobachtern nicht schnell genug hätte gehen können. Das ging es schlussendlich auch. Der Vorstand verlor bei der Personalsuche irgendwann beides auf einmal: Geduld und Gelassenheit, würden böse Zungen sagen.
Während Horst Heldt als Nachfolger von Armin Veh in der Vorwoche nahezu bereits als chancenlos gegolten hatte, wurde der ehemalige FC-Spieler plötzlich doch ruck zuck eingestellt – Markus Gisdol als neuer Trainer gehörte zum Paket dazu. Nun hatten Wolf und Co. plötzlich doch eine kurzfristige Lösung aus dem Hut gezaubert. Die Schattenseite: Der neue Vorstand nahm erste interne Streitigkeiten in Kauf – die plötzliche Abstimmung im entscheidenden Gemeinsamen Ausschuss ging nur knapp zu Gunsten von Heldt und Gisdol aus. Auch innerhalb des neuen Führungstrios dürfte es in diesen Tagen zu sichtbaren Rissen gekommen sein, die Wochen später mit dem Rückritt von Vize-Präsident Sieger offensichtlicher werden sollten.
Schwerer Start für Gisdol und Heldt
Doch wie dem auch sei: Zunächst einmal hatte der 1. FC Köln eine neue sportliche Leitung. Undankbarerweise musste sich Gisdol mit seinem neuen Team zur Einführung erst einmal von einem österreichischen Brausehersteller abschießen lassen, ehe mit einem Punktgewinn gegen den FC Augsburg immerhin das erste Erfolgserlebnis unter dem neuen Trainer folgte. Die Wende brachte das Remis aber nicht: Am nächsten Spieltag setzte es eine bittere Pleite beim direkten Konkurrenten Union Berlin.
Es war auch zu dieser Zeit, in der die ersten Fans und Beobachter schon ernüchtert begonnen, fest mit dem nächsten Abstieg zu rechnen. Doch die kölsche Düsternis sollte eine überraschende Erhellung am Hinrunden-Ende erfahren: Gefühlt chancenlos gingen die „Geißböcke“ in eine Englische Woche mit Gegnern aus Leverkusen, Frankfurt und Bremen. Im Nachbarschaftsduell mit der Vorstadt siegten die Kölner ebenso wie im Auswärtsspiel bei der Eintracht – und das sogar trotz eines 0:2-Rückstands. Mit dem knappen 1:0-Erfolg gegen Werder zum Abschluss durften sich Gisdol und seine Mannschaft dann nicht nur als große Gewinner der Englischen Woche fühlen, sondern verließen auch tabellarisch die Abstiegsränge. Das furiose Finale sorgte sportlich für einen versöhnlichen Jahresausklang in der Domstadt.
Politisch ging es derweil auch in dieser Erfolgsphase hoch her: Vize-Präsident Jürgen Sieger erklärte nach nur wenigen Monaten im Amt seinen Rücktritt, was wiederum noch während der Partie gegen Leverkusen an die Presse durchgesteckt wurde. „Persönliche Gründe“ habe der Schritt, teile der Club tags darauf mit. Beobachter wussten jedoch schon lange: Sieger war unzufrieden mit seinen Vorstandskollegen. Der Jurist hatte sich im Amt viel vorgenommen, mit Wolf und Sauren schienen seine Ideen jedoch nicht umzusetzen zu sein. Also zog Sieger die Reißleine. Für den Club war das kurz nach der Mitgliederversammlung nicht nur überaus peinlich, sondern bedeutete auch den Verlust eines überaus fähigen Mitstreiters. Für Sieger musste erneut ein Mitgliederrat als Interimsvorstand benannt werden. Mit Carsten Wettich übernahm der stellvertretende Vorsitze des Gremiums die wichtige Aufgabe.
Furioses Finale und Wirbel um China
Während die kölsche Mannschaft, von Gisdol mit einigen Youngstern verstärkt, auf dem grünen Rasen endlich wieder Siege feiern konnte, zeigte die Vereinsführung im Hintergrund also bereits nach kurzer Zeit erste Auflösungserscheinungen. Auch der Rest der Woche sollte nicht mehr für Harmonie am Geißbockheim sorgen. Zwar verkündete der Club via Kölner Stadtanzeiger den Ausstieg aus einem Projekt in China und erfüllte so eine zentrale Forderung der aktiven Fanszene. Doch hatte man offenbar nicht damit gerechnet, dass Mitgliederratschef Stefan Müller-Römer auf Nachfrage der Journalisten tatsächlich auch Gründe für den Ausstieg benennen würde. Und so erklärte Müller-Römer mit deutlichen Worten, es sei für einen gemeinnützigen Verein wie den 1. FC Köln keine Option, Geschäfte in oder mit Diktaturen zu machen.
Widersprechen wollte inhaltlich zwar niemand so recht. Dennoch sorgten die ehrlichen Worte des Juristen offenbar für Ärger in der Abteilung Businesshemd beim 1. FC Köln. Noch am Abend grätschte Präsident Wolf seinem Mitgliederratschef mit einer öffentlichen Distanzierung heftig in die Parade – gut sah der neue Vereinschef dabei nicht aus. Zum einen, weil es schwierig ist, sich von der Wahrheit (China ist eine Diktatur!) zu distanzieren. Zum anderen, weil durchsickerte, dass Wolf die „Klarstellung“ wohl nur veröffentlicht hatte, weil er sowohl innerhalb des Clubs als auch extern den Druck von China-Verstehern im eigenen Club als auch bei DFL zu spüren kam.
Das neue Vereinsoberhaupt musste sich also entscheiden: Die vermeintliche Option auf mehr Geld offen halten oder Anstand beweisen? Der Ausgang ist bekannt. Wolf stieß die Tür für andere Projekte in China mit seiner Wortmeldung weit auf, watschte Müller-Römer ab und stellte so unterm Strich ethische Bedenken hinter wirtschaftliche Interessen zurück.
2020: Es bleibt spannend
Es ist eine Entscheidung, die auch 2020 noch ihre Wirkung innerhalb des Clubs entfalten dürfte. Von der aktiven Fanszene gab es für das Gebahren beim Spiel gegen Werder Bremen prompt einen Schuss vor den Bug: Mehrere Tibet-Fahnen und zwei Spruchbänder handelten Wolf und Co. sich für ihren Eiertanz ein. Sollten die Fans eine solche Aktion in Zukunft in größerer Form durchziehen, wären alle China-Überlegungen am Geißbockheim ohnehin hinfällig. China versteht keinen Spaß bei Kritik. Eine Diktatur eben.
Während der 1. FC Köln das Jahr also sportlich überraschend positiv zu Ende gebracht hat, zeigen die politischen Vorgänge innerhalb des Clubs, dass auch mit Gisdol und Heldt noch viel Arbeit auf Wolf und Co. im kommenden Jahr zu kommen wird. Wie ihre Vorgänger auch, hat der amtierende Vorstand sein Schicksal mit der Entscheidung, nahezu allen Wünschen von Alexander Wehrle zu folgen, ein gutes Stück weit in die Hände des Schwaben, aber auch in die von Horst Heldt und Markus Gisdol gelegt. Bei einem weiteren Abstieg müsste der Vorstand höchst wahrscheinlich genau diese drei Personen wieder entlassen. Und selbst beim erfolgreichen Klassenerhalt sind langfristige Weichenstellungen notwendig. Auch 2020 verspricht also, auf und neben dem Platz ein spannendes Jahr mit den “Geißböcken” zu werden. Sonst wäre es ja aber auch nicht der 1. FC Köln – oder?