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Pfiffe beim 1. FC Köln: “Die fehlende Aufstiegseuphorie ist hausgemacht”

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Kaum war das Spitzenspiel der 2. Bundesliga zwischen dem 1. FC Köln und dem Hamburger SV beendet, da erschallte im Müngersdorfer Stadion ein gellendes Pfeifkonzert. Lautstark machte sich ein Teil der effzeh-Fans ihrem Unmut über die schwache zweite Hälfte der “Geißböcke” Luft – und sorgten dabei auf dem Rasen wie auch auf den Rängen für Irritationen. Denn: Der 1. FC Köln ist auch nach dem Remis gegen den direkten Verfolger immer noch Tabellenführer und hat den Aufstieg weiterhin fest im Blick. “Wahnsinn! Ich hatte das Gefühl, wir wären Fünfter und sieben Punkte hinter dem Dritten“, gab effzeh-Abwehrmann Rafael Czichos nach der Partie zu Protokoll. Auch bei anderen Verantwortlichen stieß die Reaktion des Kölner Publikums auf Unverständnis.

„Es ist normal, wenn du so eine erste Halbzeit hinlegst und kriegst dann kurz vor Schluss das Gegentor. Dass sie dann enttäuscht sind, muss man auch mal akzeptieren“, erklärte Markus Anfang: „Die Gesamtsituation ist, dass wir fünf Spieltage vor Schluss 10 Punkte vor Platz 3 und sieben vor Platz 2 liegen. Wir haben einen Schnitt von über 2 Punkte pro Spiel, dazu 75 Tore geschossen. Es ist nicht so, dass wir eine schlechte Saison spielen. Ich glaube, da kann sich keiner großartig beschweren“, so der effzeh-Coach. Doch warum ist die Stimmung dennoch getrübt? Wir haben auch in unserer Redaktion kontrovers darüber diskutiert.

“Die eigene Mannschaft pfeift man nicht aus”

Thomas: Trotz nahendem Aufstieg kommt die Stimmung rund um den 1. FC Köln ziemlich trüb daher, eine Aufstiegseuphorie machen wohl nur die wenigsten in der Domstadt aus. Nach dem 1:1 gegen den HSV gab es sogar von den FC-Fans, die die Verantwortlichen und Spieler verwundert zur Kenntnis nahmen. Woran liegt diese Diskrepanz? Warum herrscht beim souveränen Tabellenführer dicke Luft? Leute, was ist denn eigentlich los am Geißbockheim?

Sarah: Die Pfiffe nach dem Spiel nehme ich ehrlich gesagt auch verwundert zur Kenntnis. Die eigenen Mannschaft pfeift man nicht aus – war immer meine Meinung und ich kann mir schwerlich vorstellen, dass die sich mal ändert. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass einige der Pfiffe eher dem Schiri als der Mannschaft gegolten haben. ABER auch davon abgesehen: Ja, die Stimmung ist bescheiden. Von Euphorie ganz zu schweigen. Denn diese stellt sich nun wirklich nicht ein, wenn ich mir vorstelle, wie wir in unserem aktuellen Zustand in der Bundesliga von den Gegnern überrannt werden würden. Dass die Wahrnehmung zwischen Verantwortlichen und vielen Fans da so auseinander geht, stimmt mich wirklich nachdenklich. Vielleicht sollte man das Mantra “elitäre Arroganz” mal überdenken.

Die Rückkehr in die Bundesliga ist für viele nicht mehr als Wiedergutmachung. Und dennoch ist gegen Sandhausen und Co. die Bude rappelsvoll. Wenn dann bezüglich Erwartungshaltung der Fans herumgeheult wird, fehlen mir ehrlich gesagt die Worte.

Thomas: Für mich schwingt da halt tatsächlich noch der bittere Abstieg aus der letzten Saison mit, die Rückkehr in die Bundesliga ist für viele nicht mehr als Wiedergutmachung dieses Katastrophenjahrs. Und dennoch ist gegen Sandhausen, Heidenheim und Co. die Bude rappelsvoll. Wenn dann bezüglich Erwartungshaltung der Fans herumgeheult wird, fehlen mir ehrlich gesagt die Worte. Wer hat denn im Sommer herumgetönt, der FC sei top aufgestellt und eigentlich in der falschen Liga und wolle aufsteigen mit attraktivem Offensivfußball? Die Fans sicherlich nicht.

Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

David: Richtig. Das ist für mich auch der entscheidende Punkt. Pfiffe gegen die eigene Mannschaft? Klar, ein Unding. Aber wie ein Herr Czichos sich dazu äußert und wie bei den Verantwortlichen am Geißbockheim die große Verwunderung über die nicht vorhandene Euphorie ausbricht, ist ein erneuter Beweis, dass die Distanz zwischen Fans und Club nach wie vor groß ist. Dass man am Geißbockheim offenbar der Meinung ist, man könne den peinlichsten Abstieg aller Zeiten hinlegen und bekäme als Dank dann auch noch frenetisch jubelnde Anhänger, die Nicht-Leistungen wie in der zweiten Halbzeit Klatschpappe klatschend und amüsiert zur Kenntnis nehmen, ist nicht nur arrogant, sondern auch hochgradig undankbar. Die Herrschaften sollten sich lieber mal in Demut üben. Dass trotz der Vorjahresblamage das Stadion nach wie vor regelmäßig ausverkauft ist und sich tausende Fans bei Auswärtsspielen auf den Weg machen, um den 1. FC Köln zu sehen, ist alles, nur keine Selbstverständlichkeit.

Ich glaube, dass die zu Beginn der Saison vom Verein geschürte Erwatungshaltung den Umgang mit (Miss)-Erfolg schon unnötigerweise beeinflusst hat. Wäre man ein wenig demütiger gewesen, würde es einem jetzt weniger um die Ohren fliegen.

Arne: Wirkliche Euphorie gibt es nicht, da gebe ich euch beiden recht. Genauso sinnlos ist es, die eigene Mannschaft auszupfeifen, aber das muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass da auch Frust über die Entscheidungen des Schiedsrichters eine Rolle gespielt hat. Wir dürfen aber auch nicht zu weit gehen und jetzt schon anfangen, auf mögliche Szenarien in der Bundesliga zu schauen. Dazwischen liegt immerhin noch ein Transfersommer, in dem der effzeh die offenkundigen Baustellen hoffentlich passend besetzt. Wenn das gelingt, sehe ich die Mannschaft durchaus gut gerüstet – wenn Markus Anfang die richtigen Anpassungen vornimmt. Insgesamt glaube ich tatsächlich, dass die zu Beginn der Saison vom Verein geschürte Erwatungshaltung den Umgang mit (Miss)-Erfolg schon unnötigerweise beeinflusst hat. Wäre man ein wenig demütiger gewesen, würde es einem jetzt weniger um die Ohren fliegen.

Unmut über den Unmut – Verwunderung über die Verwunderung

Severin: Ich kann den Unmut über den Unmut von außen betrachtet sogar irgendwo verstehen. Das Team ist, wenn man nur rein auf die Tabelle schaut, auf Kurs. Die Zahlen, die Markus Anfang nach dem HSV-Spiel anführte, sind auch nicht von der Hand zu weisen. Es wirkt schon ein wenig “erfolgsfan-ig”, um das einmal so auszudrücken, wenngleich die Kritikpunkte, die viele derzeit haben, ihre Berechtigung haben. Das Ziel war doch für alle klar: Diese Schweineliga schnellstmöglich nach oben zu verlassen, letztlich egal wie. Es bleibt eben eine “Wiedergutmachungstour” – mehr aber auch nicht. Dennoch ist diese schleichende Unzufriedenheit natürlich offenkundig vorhanden – und mich verwundert es ehrlich gesagt, dass die Verantwortlichen verwundert sind. Diese Stimmungslage fällt ja nicht vom Himmel, die fehlende Aufstiegseuphorie ist eben hausgemacht!

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Verantwortlichen und öffentliche Reflektionsfähigkeit

Lino: So zweite Halbzeiten wie gegen den HSV gehen halt nicht. Wir hatten da zuhause gegen einen stark ersatzgeschwächten Gegner 20 Prozent Ballbesitz! Dass da nach einem späten Ausgleich nicht applaudiert wird, sollte doch eigentlich keinen verwundern. Unabhängig davon, dass ich für Pfiffe auch so gut wie nie Verständnis habe. Für Spieler wie Czichos ist die Bundesliga aber auch ein Lebenstraum, den er sich wahrscheinlich bald erfüllt. Der hat eine ganz andere Perspektive als wir. Ich finde es im übrigen sehr bedenklich, wie von den Verantwortlichen bei jeder Gelegenheit die zweite Liga stark gequatscht und dafür auf Pokalspiele verwiesen wird, wo der Zweitligist dem Erstligisten das Leben schwer gemacht hat. Die 2. Bundesliga ist nicht stark! Wenn man das ernsthaft glaubt, befürchte ich im Herbst einen harten Aufschlag in der Realität.

Die 2. Bundesliga ist nicht stark! Wenn man das ernsthaft glaubt, befürchte ich im Herbst einen harten Aufschlag in der Realität.

Thomas: Das ist eine Befürchtung vieler, die aus meiner Sicht durch die Reaktionen nach dem Hamburg-Spiel neue Nahrung erhalten hat. Anstatt klar zu benennen, dass die zweite Halbzeit nicht dem Anspruch des 1. FC Köln entspricht, wird sich auf den Schiedsrichter, die kräftezehrende Englische Woche und die Erwartungshaltung der Fans eingeschossen. Das ist ziemlich peinlich eingedenk der Leistung nach dem Seitenwechsel. Und es lenkt in meinen Augen nur davon ab, dass nach fast einer kompletten Saison als haushoher Favorit wenig Entwicklung zu sehen ist. Ein stabiles Spielsystem jedenfalls ist nicht zu erkennen, obwohl die Gegner sicherlich nicht den höchsten Ansprüchen genügen. Die Sorge, die ich teile: Wie soll das erst nächste Saison aussehen, wenn alle Beteiligten jetzt schon dermaßen wenig Kredit haben?

Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Lino: Ich muss da an Peter Stöger denken, der sich nach einem knappen Auswärtssieg in Bielefeld in seiner ersten Saison hingestellt und sich selbst dafür offen kritisiert hat, Gerhardt nicht von Beginn an rangelassen zu haben. Er hat sich dafür sogar bei Gerhardt entschuldigt! Das hat einem als Fan letztendlich das Gefühl gegeben, dass da ein reflektierter Typ an der Seitenlinie ist, der die Augen vor nichts verschließt und auch in der Lage ist, Anpassungen für die Bundesliga vorzunehmen. Bei Veh und Anfang habe ich überhaupt nicht das Gefühl, dass diese Saison kritisch reflektiert werden wird. Und angefangen beim Spielsystem über das fehlende Einbauen von Jugendspielern bis hin zu den zurückliegenden Transfers, die teilweise sehr enttäuscht haben, gäbe es da ja schon einiges aufzuarbeiten. Trotz Aufstieg. Mein Gefühl kann mich da natürlich täuschen, aber die beiden können sich meiner Meinung nach zumindest zudem nicht ausreichend verkaufen. Und im Krisenfall fällt das immer schnell auf einen zurück.

Eine griechische Tragödie beim 1. FC Köln in Planung?

Kurt: Lino, ich habe das Gefühl, dass es bei Veh und Anfang nicht darum geht, dass sie sich nicht verkaufen können, sondern dass sie ihrer ureigensten Aufgabe nicht gerecht werden können (Anfang) oder wollen (Veh). Anfang macht so viele handwerkliche Fehler (taktische Mängel, Auswechslungen, Fitnesszustand der Mannschaft, vor allem auch mangelnde Reflexionsfähigkeit), dass ihn dies alleine schon disqualifiziert, einen Verein wie den FC erfolgreich in der Bundesliga zu halten. Veh, ja der gute Armin, über dessen – ich drücke es mal diplomatisch aus – Hang zum ökonomischen Arbeiten kursierten schon zu seiner Zeit als Spieler bei BMG jede Menge Witze. Wann haben wir eigentlich unter Veh einen Spieler verpflichtet, der Ergebnis eines Scoutings war? Selbst Koziello ist ja nicht gescoutet worden, sondern war eine Empfehlung eines mit Veh befreundeten Spielerberaters. Mal ganz abgesehen davon, dass Problempositionen im Kader nicht ausreichend besetzt wurden. In a nutshell glaube ich, dass es mit drei, vier guten Transfers zur neuen Saison nicht getan sein wird (die ich Veh allerdings auch nicht zutraue), hier müssen zwei Positionen neu besetzt werden, die des Trainers und die des Sportdirektors. Ich weiß, wird nicht passieren. Und genau das hat was von griechischer Tragödie…

Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier irgendwann ein Aufstiegstrainer entlassen wird, so wie das in Mainz der Fall war. Handeln, bevor es zu spät ist – das wäre eine schöne Marschroute!

Thomas: Das wird wahrlich nicht passieren, Kurt. Ich kann mir selbst nicht einmal wirklich vorstellen, dass hier beim 1. FC Köln irgendwann ein Aufstiegstrainer entlassen wird, so wie das in Mainz der Fall war. Handeln, bevor es zu spät ist – das wäre eine schöne Marschroute, die aber bereits unter anderen Voraussetzungen bei Peter Stöger und Jörg Schmadtke in die Hose gegangen ist. Diese Erfahrung scheint auch jetzt ein Antrieb für die fehlende Euphorie zu sein. Es ist eine gänzlich andere Situation als noch 2013/14, als der effzeh mit frischen Kräften nach oben marschiert ist. Die Sorge vor dem Morgen, die Wunden von gestern und die Probleme, die sich rund um den Verein durch die Saison zogen, lassen aus meiner Sicht einfach keine unbeschwerte Feier zu.

Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Arne: Auch die Entscheidungsträger einer Organisation können immer nur so stark sein, wie die Organisation, die sie umgibt – und wenn man sich beim 1. FC Köln anschaut, was dort seit 2017 in der Führungsebene passiert ist, fällt es mir schwer, daran zu glauben, dass im Sommer die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Die strategische Neuausrichtung unter einem neuen Präsidium im September wird daher den Maßstab setzen für die Zukunft des Vereins, der bis dato hoffentlich schon ein paar Punkte in der Bundesliga gesammelt hat, damit es einigermaßen gesittet verläuft.

Auf der nächsten Seite: Die Möglichkeit, etwas
zu gewinnen, und die fehlende Geschichte dieser Saison

Severin: Jungs, auch wenn ich die Schwachstellen genauso sehe wie ihr, appelliere ich dazu, die Kirche im Dorf zu lassen. Ich bin da, was die Erstligatauglichkeit anbetrifft, sehr nah bei Arne. Es liegt viel Arbeit vor uns, das stimmt. Es liegt aber auch noch viel Zeit vor uns, die Schwächen auszumerzen. Zudem werden wir vermutlich gänzlich anders auftreten müssen in der Bundesliga. Und dort ist beileibe nicht alles Gold, was glänzt. Verständnis für die Unsicherheit habe ich aber dennoch – und die Woche hat das auch bei mir nicht geschmälert.

Das ist die Ursache dafür, dass Fans und Verein auseinanderdriften: Man versteht sich nicht (mehr). Die Verantwortlichen sprechen von überzogener Erwartungshaltung. Die Fans wollen aber nur eins: ehrlichen Fußball sehen.

Thorsten: Und hier ist die Ursache dafür, dass Fans und Verein auseinanderdriften. Man versteht sich nicht (mehr). Die Verantwortlichen sprechen von überzogenen Erwartungshaltungen und Fehleinschätzungen seitens der Fans. Die Fans wollen aber nur eins: ehrlichen Fußball sehen. Das liefern die Verantwortlichen wiederum nicht, sondern heulen herum. Sei es Czichos wegen der Pfiffe (die ich gehört, aber keinen gesehen habe, der pfeift, sonst hätte ich dem was gesagt, das geht gar nicht) oder Anfang, der ständig davon redet, dass das Publikum in Köln schönen und erfolgreichen Fußball sehen will. Und was Veh so von sich gibt, ist auch ziemlich weit weg von den Fans. Und ganz ehrlich: Mir reißt langsam auch der Geduldsfaden. Veh und Anfang haben alle Möglichkeiten bekommen, es aber nicht geschafft, eine solide Abwehr zu formieren, ein Spielsystem zu etablieren geschweige denn ein funktionierendes Mannschaftsgefüge aufzubauen. Ich sehe da durchaus keine Einheit. Weder auf noch neben dem Platz. Und das alles, obwohl etliche Wunschspieler geholt wurden.

“Auf dem Papier eine Eins, für die Fans eine Drei plus”

David: Das ist dann vermutlich auch genau der Kommunikationspunkt, an dem offenbar wird, dass die Wahrnehmung innerhalb des Clubs kaum in Einklang zubringen ist mit der außerhalb. Es bleibt bei “auf dem Papier”-Argumenten. Natürlich ist der FC Erster, hat unendlich viele Tore geschossen und steigt vermutlich souverän auf. Während das für die Mitarbeiter am Geißbockheim offenbar reicht, um beste Stimmung und für Köln typische Euphorie zu erwarten, ist es für die vom Vorjahr nach wie vor schockierten Anhänger schlichtweg das Minimum dessen, was man zur Wiedergutmachung und angesichts der starken Einzelspieler im Kader erwarten konnte. Daher reicht eine schwache Halbzeit gegen Hamburg dann auch bereits für Frust. Was auf dem Papier wie eine glatte Eins aussieht und beim FC auch so aufgefasst wird, fühlt sich für die Fans eher wie eine wohlwollende Drei minus an. Das ist das Problem.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Severin: Das ist definitiv das Problem. Und das liegt allerdings auch zu gewissen Teilen daran, dass der 1. FC Köln in dieser Liga mit dieser Wucht nur verlieren kann. Pumpt er erbarmungswürdige Teams wie Holstein Kiel oder Arminia Bielefeld komplett aus dem Stadion, ist das angesichts des Klassenunterschieds, was Kader, Finanzen und Club anbetrifft, einfach nur standesgemäß. Rumpelt er sich zu einem Sieg wie gegen Sandhausen oder Ingolstadt, ist das ein Arbeitssieg und unter der Würde eines feinen Vereins wie dem 1. FC Köln. Von Niederlagen gegen Paderborn oder Bochum will ich erst gar nicht anfangen. Du kannst einfach nichts gewinnen in dieser Saison. Das ist eine schwierige Ausgangslage, die erst einmal in die Köpfe der Verantwortlichen muss. Die Chance auf Belohnung und Feiertage gibt es kaum – umso verwunderlich dann aber, dass sie bei einer solchen Chance, die der HSV nun einmal darstellt, dann gleich doppelt derart leidenschaftslos auftreten.

Einfach einmal mit der Etatwalze über die Liga, ohne groß Jugendspieler einzubinden oder irgendeine Art von Perspektive aufzuzeigen, wie es in der Bundesliga klappen soll, reicht vielen nicht. Das ist nicht zufriedenstellend.

Lino: Ich denke schon, dass man etwas hätte gewinnen können. Man merkt ja auch hier: Am Ende geht es uns als Fans um mehr als Sieg oder Niederlage. Wenn es nur das wäre, würde es mir ausreichen, am Montag das Ergebnis in der Zeitung zu lesen. Ich werfe mal in den Raum, dass es eine Art Saisonnarrativ braucht, mit dem ich mich emotional identifizieren kann und das mich begleitet. Das kann eine große Vereinsidentifikation auf dem Feld sein. Oder eine junge Mannschaft mit Potential, die ab und an einfach an ihre Leistungsgrenze stößt. Oder auch, wenn man schlicht seriös die gesetzten Ziele abarbeitet. 2013-17 war super. Es braucht aber irgendetwas, vor allem nach der letzten Saison. Und das bietet der Verein 2019 nicht. Einfach einmal mit der Etatwalze über die Liga, ohne groß Jugendspieler einzubinden oder irgendeine Art von Perspektive aufzuzeigen, wie es in der 1.Liga klappen soll, reicht vielen nicht. Das ist nicht zufriedenstellend. Man hat es verpasst, irgendeine Art positiver Geschichte zu erzählen, Hoffnungen zu wecken oder „ehrlichen Fußball“ zu spielen, darum gibt es auch keine größere Euphorie.

Keine ausufernde Aufstiegsparty – und doch wird gefeiert!

Martin: Ich bin da voll bei Lino. Es ist schon verwunderlich, dass trotz der vermeintlichen Vielzahl an Identifikationsfiguren im Team, das heißt Jungs aus der Region, die trotz besserer Angebote den Weg in die 2. Liga mitgemacht haben, nie so recht dieses “Jeföhl, dat verbingk” aufgekommen ist. Es ist aber manchmal eben auch nicht so leicht, dieses herzustellen. Ich sehe da unsere Stürmer sinnbildlich für die Gesamtsituation. Simon Terodde ist ein aufrechter, netter Kerl, der die Liga auseinanderschießt. Zudem wirtschaftlich ein absolutes Preis-Leistungsschnäppchen. Gefeiert werden aber mit Cordoba und Modeste zwei weitaus kontroversere Typen. Ein Schwabe mag sich vielleicht fragen, warum man einen Spieler so feiert, der 17 Millionen Euro gekostet hat, eine Saison lang nix reißt und dann in der 2. Liga ein paar Buden schießt, weil die dortigen Verteidiger ihm körperlich hilflos unterlegen sind. Aber da sind wir eben wieder beim Narrativ des grandiosen Comebacks und der Art und Weise, wie Jhon Fußball ehrlich arbeitet, wie er sich zerreißt. All diese Sachen fehlen im Gesamtbild des Vereins irgendwie. Es wird augenscheinlich attraktiver Fußball gespielt, es wurden augenscheinlich gute Transfers getätigt und eigentlich besteht die Mannschaft ja noch immer aus einer Menge Spielern mit hoher Vereinsidentifikafion. Doch zum Jeföhl fehlt diese spezielle Cordoba-Story. Auf den ersten Blick scheint das so einfach zu sein, das herzustellen, ich glaube aber, in dieser Situation ist es sauschwer.

Foto: Mika Volkmann/Bongarts/Getty Images

Severin: In Sachen “Geschichte”, die die Saison braucht, bin ich bei euch – aber eben auch bei Martins Bewertung, dass das sauschwer ist. Die letzte Saison hat unfassbar geschmerzt und wir schauen auch mit dieser frischen Erfahrung im Hinterkopf in die nähere Zukunft. Dazu kommt eben, dass die Voraussetzungen so sind, wie sie sind. Dass es eben kaum neue Gesichter gibt wie 2013, dass wir den anderen Vereinen wirtschaftlich haushoch überlegen sind, dass die Ansprüche von Beginn an knallhart und dezent überheblich formuliert wurden. Dass es sich aus dieser Melange keine Euphorie entwickeln kann, ja nicht einmal ein ausreichend starkes Band zwischen denen auf dem Rasen und denen auf der Tribüne, war eigentlich zu erwarten.

Thomas: Bestimmt haben sich einige aus dem Verein das Ganze etwas glamouröser vorgestellt. Es wird auch keine Aufstiegsfeier geben, wie es sie vor fünf Jahren gegeben hat. Aber die Jungs werden gefeiert werden – das haben sie sich, ehrlich gesagt, auch verdient. Und dann wird der Unmut über den Unmut, wie Severin es so schön genannt hat, längst wieder verraucht sein.

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