Max Meyer heißt der zweite Neuzugang des 1. FC Köln in diesem Winter. Der zentrale Mittelfeldspieler, der nach seiner Vertragsauflösung beim Premier-League-Club Crystal Palace bis Saisonende bei den “Geißböcken” unterschreibt, soll der Mannschaft von Trainer Markus Gisdol im Abstiegskampf die notwendigen spielerischen Impulse bringen, um den Verbleib in der Bundesliga zu schaffen.
Doch wen hat sich der FC mit dem ehemaligen Schalker überhaupt ins Haus geholt? Sein Abgang bei “Königsblau” verlief alles andere als geräuschlos, auch ein Skandal um ein Whatsapp-Video seines Vaters half dem angeschlagenen Image des einstigen Nationalspielers nicht gerade auf die Sprünge. Wir sprechen mit S04-Experte Torsten Wieland, der einst den “königsblog” betrieb und nun unter torstenwieland.com über seinen Herzensverein schreibt, über den Werdegang des Schalker Eigengewächses, seine sportlichen Qualitäten und den unrühmlichen Abschied Richtung Crystal Palace.
Mit Max Meyer holt sich der 1. FC Köln einen ehemaligen Schalker Jung ins Team – ein Deal, der im Abstiegskampf dem FC gut und S04 weh tut?
Dass sein Wechsel nach Köln Schalke weh täte, würde ja bedeuten, man hätte hier erwartet, dass er zurück käme. Nun sind Schalker viele, und wenn Du lange genug suchst, findest Du bestimmt jemanden, der diese Erwartung hatte. Ich denke allerdings, den meisten Schalkern war klar, dass es nicht so kommen würde.
“Das Tamtam vor seine Abgang war vor allem Christian Heidels Ego geschuldet. Er wollte nicht noch ein Schalker Eigengewächs ablösefrei verlieren.”
Meyer verließ die „Königsblauen“ 2018 mit großem Tamtam, es gab Streitigkeiten zwischen ihm und dem damaligen S04-Manager Christian Heidel. Wie ordnest du die Szenerie mit etwas zeitlichem Abstand ein?
Ich denke, das Tamtam war vor allem Christian Heidels Ego geschuldet. Er war angetreten, Schalke voran zu bringen und vernünftig zu wirtschaften. Er musste hinnehmen, dass Leon Goretzka seinen Vertrag nicht verlängerte und ablösefrei zu Bayern München wechselte. Er wollte nicht noch ein Schalker Eigengewächs ablösefrei verlieren. Diesen Druck versuchte Meyers Berater Wittmann auszunutzen, forderte entsprechend viel. Als Heidel merkte, dass er Meyer verlieren würde, machte er die Sache öffentlich und erzählte die Geschichte vom “Weltklassespieler”, als den ihn Wittmann angepriesen haben soll. Wittmann ist auf Schalke wohlbekannt. Es gab Zeiten, da hatte man den Eindruck, Schalke betreibe gar kein Scouting, sondern bestelle seine Spieler direkt aus dem Katalog von Wittmanns Beraterfirma ROGON. Viele Fans sahen das seit Jahren kritisch. Deshalb war es billiger Applaus, den Heidel mit der Geschichte erntete.
Sportlich schien Meyer dagegen in seinem letzten Schalker Jahr endlich den Durchbruch vom Toptalent zum Leistungsträger geschafft zu haben – dank Domenico Tedesco, der ihn im zentralen Mittelfeld deutlich defensiver einsetzte. Wo lagen in dieser Zeit seine Stärken, wo seine Schwächen?
Max Meyer war als Jugendspieler stets ein offensiver Mittelfeldspieler. In der Jugend wurde er schon mit 17 Jahren in die U19 beordert, weil er spielerisch den Jungs seines Alters überlegen war. Auf Bundesliganiveau hatte man allerdings den Eindruck, als seien ihm die Räume vor dem gegnerischen Strafraum zu eng. Tedescos Idee, ihn weiter hinten einzusetzen, verschaffte seinem Spiel mehr Raum. Dort begegnete ihm das Pressing des Gegners hauptsächlich von vorne, nicht mehr von allen Seiten gleichzeitig. Mit seiner guten Technik brachte er eine gewisse Pressingresistenz mit. Das Auge für den Mitspieler hatte er auch. Dass er körperlich nicht der stärkste war, machte er mit einer gewissen Bissigkeit in Zweikämpfen wett. Diese Position lag ihm. Ich bin gespannt, wo Gisdol ihn sieht.
Sechs Jahre war Meyer Teil des Profikaders bei S04. Wie bewertest du insgesamt diese Zeit?
Das Meiste ist mit der Beschreibung seines Positionswechsels bereits erzählt. Er kam mit viel Vorschusslorbeeren zu den Profis, was eine entsprechende Erwartungshaltung erzeugte. Der wurde er als Zehner eigentlich nie gerecht.
Er scheint sich im Anschluss an seine Zeit bei S04 ziemlich verzockt zu haben, der ablösefreie Wechsel zu Crystal Palace sorgte jedenfalls für viel Häme und hat sich auch sportlich nicht ausgezahlt. Hast du seinen Werdegang nach seinem Abgang noch verfolgt und hat dich diese Stagnation in seiner Karriere überrascht?
Er hat sich verzockt, wenn er hätte weiter Fußball spielen wollen. Finanziell hat er sich nicht verzockt. Es hieß, er hätte bei Crystal Palace 10 Millionen pro Jahr verdient. Nach zweieinhalb Jahren sollte er für sein Leben genug verdient haben, falls er seinem Vater nicht allzu viel abgeben musste. Als Fan wünscht man sich natürlich, dass Spieler Lust auf Fußball haben, dass es nicht nur um die Kohle geht. Und dann liegt eine gewisse Schadenfreude eben auch nah.
“Ich weiß nicht, ob Max Meyer noch ein spielerisch starker Spieler ist. Ich bin mir hingegen ziemlich sicher, dass er für sehr kleines Geld am Geißbockheim anheuerte, weil ihm sonst niemand größeres Geld geboten hat.”
Ein spielerisch starker Spieler im Zentrum, der dank seiner Qualitäten einst mächtig umworben war und nun für ziemlich kleines Geld am Geißbockheim anheuert. Glaubst du, Max Meyer kann dem FC gerade im Abstiegskampf weiterhelfen?
Ich weiß nicht, ob Max Meyer noch ein spielerisch starker Spieler ist. Ich bin mir hingegen ziemlich sicher, dass er für sehr kleines Geld am Geißbockheim anheuerte, weil ihm sonst niemand größeres Geld geboten hat. Klar, wenn er sofort wieder so agiert, wie in den guten paar Monaten unter Tedesco auf Schalke, dann hätte Hotte Heldt einen Coup gelandet. Ich gehe bis auf Weiteres aber davon aus, dass auch Horst Heldt nicht mehr von Meyer gesehen hat als alle anderen Manager, und dass diese Chance für Meyer auch ein Freundschaftsdienst Heldts gegenüber Wittmann ist, mit dem er schon immer ganz gut konnte.
„Wenn man die Hymne vor dem Spiel hört, bekommt man Gänsehaut!“ – Max #Meyer ist voller Vorfreude. ❤⚪ pic.twitter.com/HpxCNH5uyT
— 1. FC Köln (@fckoeln) January 27, 2021
Die „Weltklasse“-Einschätzung seines Beraters hängt ihm ebenso nach wie dieses Lamborghini-Video seines Vaters. Passt das zum Charakter eines Max Meyers? Oder ist er selbst ein gänzlich anderer Typ abseits des Feldes?
Das Video seines Vaters spricht für sich selbst, denke ich. Der daraus entstehende Eindruck entspricht dem, was man sich seit Jahren über Meyers Umfeld in Gelsenkirchen erzählte. Max selbst ist nie als besonders laut aufgefallen. Viele beschreiben ihn als arrogant. Ob das zutrifft, oder ob seine zumeist zurückhaltende Art nicht vielleicht eher einem zu geringen Selbstwertgefühl geschuldet ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Über unseren Interviewpartner: Torsten Wieland schreibt seit 2007 regelmäßig über Schalke 04. Früher im “königsblog”, heute sind seine Texte unter torstenwieland.com zu finden. Als den Club zuweilen auch kritisch begleitender Blogger stand er für Sky und die Sportschau vor der Kamera, ist immer wieder in Podcasts und Onlineshows zu hören und wird von Printmedien befragt.