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Experteninterview zu FC-Neuzugang Marvin Schwäbe: “Er wird ein sehr guter Backup für den 1. FC Köln sein”

Der nächste Neuzugang des 1. FC Köln steht fest: Marvin Schwäbe wechselt ablösefrei vom dänischen Meister Bröndby IF zu den “Geißböcken”. Wir sprechen mit einem dänischen Sportjournalisten über den Torhüter, dessen Zeit im Nachbarland und die Entwicklung des mitspielenden Torwarts.

FC Midtjylland v Broendby IF, Danish 3F Superliga football, Herning, Denmark Herning, Denmark. 05th, April 2021. Goalkeeper Marvin Schwäbe 1 of Broendby IF seen during the 3F Superliga match between FC Midtjylland and Broendby IF at MCH Arena in Herning. Herning Denmark PUBLICATIONxNOTxINxDENxNOR Copyright: xGonzalesxPhoto/LassexLagonix
Foto: imago images / Gonzales Photo

Ein Torwart kommt, einer geht: Julian Krahl verlässt den 1. FC Köln Richtung Drittliga-Aufsteiger Viktoria Berlin, dafür ist der seit Monaten gerüchtete Transfer von Marvin Schwäbe zu den “Geißböcken” endlich perfekt. Der 26 Jahre alte Schlussmann wechselt ablösefrei vom dänischen Meister Bröndby IF ans Geißbockheim und unterschreibt beim FC einen Dreijahresvertrag. “Marvin hat sich in den letzten Jahren beständig entwickelt und kommt mit einem Titel im Gepäck zu uns. Er wird die Aufgabe daher mit Selbstvertrauen angehen und sich im Idealfall mit Timo gegenseitig zu Bestleistungen antreiben“, sagt FC-Interimssportchef Jörg Jakobs über den Neuzugang, der in den vergangenen drei Jahren als Stammkeeper des dänischen Spitzenclubs aufgelaufen war und in der abgelaufenen Spielzeit mit dem Traditionsverein den ersten Meistertitel seit 16 Jahren feiern konnte.

Doch durch seine Zeit bei Bröndby IF ist Schwäbe auch ein wenig aus dem Fokus der deutschen Fußballöffentlichkeit geraten. Zuvor galt der ehemalige Juniorennationalspieler als ein enorm talentierter Torwart, der insbesondere im Spielaufbau seine Rolle als mitspielender Torhüter extrem offensiv interpretierte. Nicht nur darüber sprechen wir in unserem Experteninterview mit Patrick Ludvigsen, der in den vergangenen Jahren sowohl als Sportjournalist für Discovery Networks Denmark sowie als glühender Fan von Bröndby IF ein genaues Auge auf die Leistungen des deutschen Schlussmanns hatte. Wir sprechen mit ihn über Schwäbes Anteil am ersten Meistertitel seit 2005, seine Rolle als Nachfolger von starken Torhütern wie Lukas Hradecky und Frederik Rönnow sowie seine Entwicklung während seiner Zeit in Dänemark.

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Patrick, nach monatelangen Gerüchten hat der 1. FC Köln die Verpflichtung von Marvin Schwäbe offiziell gemacht. Der Torwart kommt ablösefrei vom dänischen Meister Bröndby IF und unterschreibt einen Dreijahresvertrag. Da scheint der FC ein Schnäppchen gemacht zu haben, oder?

Einen Spieler ablösefrei zu verpflichten ist immer ein ziemlich risikoloser Transfer. Ich glaube, für Marvin Schwäbe hätte Bröndby im Sommer angesichts seines Marktwerts ein paar Millionen Euro aufrufen können. Dass er nun ohne Ablöse geht, dürfte den Club traurig stimmen. Nicht nur bei der Ablöse, sondern auch beim Gehalt dürfte Schwäbe ein Schnäppchen für den FC sein. Eines muss ich aber direkt sagen: Niemand in Köln sollte erwarten, dass er von Tag eins den Stammplatz zwischen den Pfosten beanspruchen und direkt auf Bundesliga-Niveau abliefern wird. Trotz seiner sehr guten Saison bei Bröndby inklusive der Meisterschaft wird Schwäbe sicherlich etwas Zeit zur Anpassung brauchen.

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Seit seinem Wechsel zu Bröndby IF war er beim dänischen Spitzenclub als Stammtorhüter unterwegs. Was waren deine Erwartung, als Schwäbe zu euch kam?

Um ehrlich zu sein: Ich wusste nicht genau, was ich von ihm halten soll, als er zu Bröndby IF wechselte. Ich hatte ihn zuvor nicht spielen gesehen, lediglich hier und da etwas über ihn gelesen und gehört. Schwäbe trat in große Fußstapfen, folgte er doch auf Lukas Hradecky und Frederik Rönnow, zweifellos zwei der besten Torhüter, die hier seit langem gespielt haben. Ausfüllen konnte er diese Fußstapfen in meinen Augen nicht zur Gänze, auch wenn er sich in der vergangenen Saison in starker Form präsentierte und zu den stärksten Keepern der Superliga gehörte.

“Marvin hat sich im Vergleich zu den Vorjahren enorm stabilisiert, machte deutlich weniger Fehler. Gerade im Saisonendspurt hat er seiner Mannschaft oft Punkte gerettet.”

Schwäbe war ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft, die nach 16 Jahren erstmals wieder den Titel nach Bröndby geholt hat. Wie groß war sein Anteil an diesem Triumph in deinen Augen?

Es gibt absolut keinen Zweifel, dass hinter Marvin die beste Saison seiner Zeit bei den Gelb-Blauen liegt. Brondby holte erstmals nach 16 Jahren wieder den Titel – vor allem aufgrund einer äußerst soliden Defensive, die die zweitwenigsten Gegentore aller Superliga-Teams kassierte. Bei dieser großartigen Abwehrleistung über die Saison hinweg spielte Schwäbe eine wichtige Rolle. Er hat sich im Vergleich zu den Vorjahren enorm stabilisiert, machte deutlich weniger Fehler. Ich kann mich aus dem Stegreif vielleicht an einen oder zwei Patzer erinnern. Dazu hat er mehrfach wichtige Paraden zeigen können. Für mich scheint es, als wäre er reifer geworden und im Zuge des Erfolgs in der abgelaufenen Spielzeit auch selbstbewusster. Gerade im Saisonendspurt hat er seiner Mannschaft oft Punkte gerettet. Dennoch würde ich ihn nicht als einer der hauptsächlichen Leistungsträger beim Titelgewinn einordnen. Marvin hat eine solide Saison gespielt, ohne bei Bröndby IF herauszuragen.

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Nach drei Jahren und über 120 Pflichtspielen für die „Drengene fra Vestegnen“ (die Jungs aus Vestegnen, Anm.d.Red.) ist für Schwäbe nun der Weg bei Bröndby beendet. Wie würdest du seine Zeit insgesamt im Verein beurteilen?

Marvin hat sich in meinen Augen ziemlich gut geschlagen. Wie schon gesagt: Die Fußstapfen von Frederik Rönnow und Lukas Hradecky konnte er nicht ganz ausfüllen, aber das ist auch keine allzu leichte Aufgabe. Er hatte seine Aufs und Abs in den drei Jahren, machte zu Beginn einige haarsträubende Fehler, aber hat sich dann zunehmend gefangen. Schwäbe hat das Niveau gezeigt, das von einem Torwart einer Spitzenmannschaft zu erwarten ist. Er war allerdings selten herausragend und es gab in der Superliga meiner Meinung nach stets bessere Keeper als ihn. Zusammenfassend würde ich sagen: Er ist ein guter Torhüter, aber niemand, der einem zwangsläufig aufgrund seiner Leistungen ins Auge stechen würde.

Als er Deutschland Richtung Bröndby verließ, galt Schwäbe als ein extrem mitspielender Torwart, ein sogenannter „sweeper keeper“, der auch insbesondere im Spielaufbau seines Teams eine riskante Rolle spielt. Hat er diesen Stil in Dänemark beibehalten oder hat er sich in eine andere Richtung entwickelt?

Diesen Ruf hatte er tatsächlich vor seinem Wechsel – und zu Beginn hat Marvin das auch mehrfach unterstrichen. Er spielte fast schon als Libero hinter der Abwehrreihe und ging dabei ein zu hohes Risiko ein. Vor allem unter Alexander Zorniger war das der Fall, er ist ja ebenfalls bekannt für seinen sehr, sehr aggressiven Spielstil, der Spieler quasi dazu nötigt, immer wieder hohes Risiko gehen zu müssen. Aber Schwäbe hat sich in meinen Augen während seiner Zeit in Bröndby weiterentwickelt. Er ist deutlich reifer geworden, geht nicht mehr so hohe Risiken ein und agiert viel cleverer sowie ruhiger als noch seiner Anfangszeit. Marvin ist weiterhin ein mitspielender Torwart, der sehr gut mit dem Ball umgehen kann und ins Aufbauspiel eingebunden sein will, aber er reizt diese Rolle nicht mehr bis ins Extreme aus.

Lyngby Boldklubs Magnus Westergaard med et forsoeg, men Broendby IFs maalmand Marvin Schwäbe redder, under superliga-kampen mellem Broendby IF og Lyngby Boldklub paa Broendby Stadion i Broendby, soendag den 1. marts 2020. Kampen endte 1-0 til Broendby IF.. , Broendby Denmark *** Lyngby Boldklubs Magnus Westergaard with an attempt, but Broendby IFs goalie Marvin Schwäbe saves, during the super league match between Broendby IF and Lyngby Boldklub at Broendby Stadium in Broendby, Sunday March 1, 2020 The match ended 1 0 for Broendby IF, Broendby Denmark, PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: RitzauxScanpix NielsxChristianxVilmannx COP103 spdk20200301-182504-L

Foto: imago images / Ritzau Scanpix

Wo muss er in deinen Augen noch zulegen?

In denselben Bereichen, die auch zu Beginn seiner Zeit bei Bröndby Schwachstellen waren. Marvin fehlt es an Präsenz im Sechzehner, seine Strafraumbeherrschung bei Flanken und Standardsituationen ist ausbaufähig. Er wirkt doch manchmal etwas zappelig und unsicher in solchen Szenen. Da muss er sich in meinen Augen noch dringend verbessern.

“Der Verein suchte nach einem Herausforderer für Timo Horn – und ich glaube, das ist es, was Marvin Schwäbe in Köln an den Start bringen: Mehr Wettbewerb um den Platz im Kölner Tor.”

Der FC holt Schwäbe als Herausforderer für Timo Horn, der seit Jahren zwischen den Pfosten bei den „Geißböcken“ steht. Glaubst du, der ehemalige Bröndby-Keeper hat das Zeug dazu, dem Kölner Eigengewächs den Stammplatz streitig zu machen?

Wie du schon sagst: Der Verein suchte nach einem Herausforderer für Timo Horn – und ich glaube, das ist es, was Marvin Schwäbe in Köln an den Start bringen: Mehr Wettbewerb um den Platz im Kölner Tor. Ich erwarte nicht, dass er die Nummer eins wird, vor allem nicht vom Fleck weg. Aber ich glaube, dass er Timo Horn zu besseren Leistungen antreiben kann. Ich habe zwar nicht viele FC-Spiele in der vergangenen Saison gesehen, aber ich wäre überrascht, wenn Marvin in der anstehenden Spielzeit zum Stammtorhüter würde. Aber ich bin mir sehr sicher, dass er ein sehr guter Backup sein wird, falls sich Timo Horn verletzt oder in eine Formkrise fällt.

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Wie war Schwäbe denn außerhalb des Platzes? Hat er sich bei Bröndby IF im Speziellen und in Dänemark im Allgemeinen einleben können?

Mein Eindruck war, dass er sich hier recht gut eingefunden hat. Als er zum Verein kam, gab es eine ziemlich große deutsche Fraktion: Alexander Zorniger war Trainer, dazu waren mit Anthony Jung, Benedikt Röcker und Hany Mukhtar einige Landsleute im Kader. Das hat ihm sicherlich geholfen, schnell in Dänemark und bei Bröndby IF heimisch zu werden. Marvin war allerdings nie ein Lautsprecher, weder auf noch neben dem Platz. Nur selten haben wir Fans in Interviews etwas von ihm gehört oder gesehen. Aber darüber hinaus scheint er sich bei uns wohl gefühlt zu haben.

Foto: imago images / Ritzau Scanpix

Ein ruhiger Typ also, kein Lautsprecher. Glaubst du, er passt zu diesem verrückten Verein in dieser verrückten Stadt?

Verrückter Verein, verrückte Stadt – das kennt er nun von Bröndby IF. Denn wenn es einen Club in Dänemark gibt, der ein bisschen „crazy“ ist, dann ist es Bröndby. Sie haben die leidenschaftlichsten, lautesten Fans im ganzen Land, auch wenn da sicherlich Gegenstimmen von Anhängern des FC Kopenhagen oder von AGF Aarhus kommen werden. In meinen Augen gibt es keinen besseren Ort bei uns, um sich auf einen Verein wie den 1. FC Köln vorzubereiten. Marvin kennt das Gefühl, Woche für Woche für einen Club zu spielen, der unglaublich vielen Menschen unheimlich viel bedeutet. Er ist dadurch den großen Druck einer großen Fanbase gewohnt und er weiß, wie es ist, in einem lauten Stadion zu spielen. Es gibt keinen Verein in Dänemark, der derart im Fokus steht wie Bröndby. Und auch wenn sie bei weitem nicht mehr der größte Club sind, wenn es um die Finanzen, die Titel oder die internationalen Erfolge geht, ist Bröndby wohl in vielen anderen Dingen der Verein, auf dem der größte Druck lastet. Also sollte Marvin auch in Köln gut zurechtkommen.

Über unseren Interviewpartner: Patrick Ludvigsen arbeitet seit sechs Jahren für Discovery Networks Denmark und kümmert sich dort vor allem um Fußball, die dänische Superliga und die Europa League. Privat ist der Sportjournalist als Sprössling einer Bröndby-Familie von Kindesbeinen an Fan seines Teams und lebt als Dauerkarteninhaber fußläufig zum Bröndby Stadium.

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