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Nachspiel

1:1-Remis zwischen dem 1. FC Köln und Leipzig: Dem Lucky Punch so nah!

In einem tollen Spiel erkämpft sich ein couragiert aufspielender 1. FC Köln ein 1:1 gegen Leipzig. Abseits des Ergebnisses war die Partie am Samstagabend für alle Beteiligten ein echtes Erlebnis.

Im Angesicht der Großchance kurz vor Schluss (Foto: IMAGO/Moritz Müller)

Die Kölner Bank war aufgesprungen,  Co-Trainer Kevin McKenna hatte beide Arme schon halb nach oben gestreckt, der ausgewechselte Mark Uth zum Jubellauf angesetzt. Vorfreude, ja, aber auch bereits erste Spuren ungläubigen Entsetzens spiegelten sich in ihren Gesichtern wider. Man schrieb die 93. Spielminute, als Leipzigs Keeper Péter Gulácsi den zwar harten, jedoch wenig platzierten Schuss des vor ihm auftauchenden Sebastian Andersson zur Seite abwehrte, wo der Ball in den Lauf von Ondrej Duda trudelte. Das Tor war leer, der Treffer eigentlich nur noch Formsache.

Vielleicht hatte der Ball zu viel Drall, möglicherweise war der Kölner Mittelfeldspieler auch zu überrascht, jedenfalls landete das runde Spielgerät nicht im Leipziger Gehäuse, sondern in Gulácsis Armen. So endete die Partie zwischen dem 1. FC Köln und den Leipzigern, die über 90 Minuten Hochgeschwindigkeitsfußball und eine Vielzahl an Torchancen auf beiden Seiten geboten hatte, mit einem gerechten 1:1-Unentschieden. Und doch lag etwas Ärger und noch mehr Entsetzen nach dieser Szene in der Luft, die “Geißböcke” hatte den Sieg gegen den Champions-League-Teilnehmer in der Nachspielzeit auf dem Fuß.

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Ein verpasster Lucky Punch

Einige Momente lang schien sich die Stimme von Reporter Wolff Fuss zu überschlagen, dann fasste er sich wieder und gab der Szene einen Namen: ein verpasster Lucky Punch. Sofort werden Erinnerungen wach an die “Mutter” aller Lucky Punches, das Champions-League-Finale 1999, als Manchester United, bis dahin von den Münchener Bayern deutlich dominiert, in der Nachspielzeit aus einem 0:1-Rückstand noch einen 2:1-Sieg machte und damit sogar einen doppelten Lucky Punch erzielte. Der Begriff stammt jedoch eigentlich aus dem Boxsport und bezeichnet einen kampfentscheidenden Schlag, der von einem deutlich unterlegenen Kämpfer nicht selten kurz vor dem Schlussgong gesetzt wird.

“Danke für den schönen Fußballabend. Auch dem Publikum für diese Atmosphäre. Das war 90 Minuten Power-Fußball und es hätte auch 5:5 ausgehen können. Da war alles dabei, was das Fußballherz sich wünschen kann.”

Letzteres trifft auf Dudas Großchance zu, denn Schiedsrichter Felix Brych pfiff die Partie wenige Sekunden danach ab. Deutlich unterlegen war der 1. FC Köln in diesem Spiel, das mit einem verdienten 1:1-Unentschieden gegen Leipzig endete, allerdings nicht. Zweifellos, die Sachsen wussten die besseren Einzelkönner in ihren Reihen, technisch gewandt, Hochgeschwindigkeitsfußball spielend, fast immer vertikal nach vorne agierend. Auch hatten sie ein Chancenplus zu verzeichnen, das sie mitunter durch Pech, oft aber auch dank der Paraden von Timo Horn nicht in Tore ummünzen konnten. Nur – deutlich dominierend waren sie nicht, dafür sorgte schon eine leidenschaftlich kämpfende und oft auch geschickt kombinierende Kölner Mannschaft.

Ein begeisterndes Spiel, der VAR sowie Chancen zuhauf

Und abseits all dieser Erwägungen – es war ein tolles, tolles Spiel! Das sah auch Lothar Matthäus so: “Danke für den schönen Fußballabend. Auch dem Publikum für diese Atmosphäre. Das war 90 Minuten Power-Fußball und es hätte auch 5:5 ausgehen können. Da war alles dabei, was das Fußballherz sich wünschen kann”, zeigte sich der Rekordnationalspieler und heutige Fußballexperte begeistert. Bereits in Halbzeit eins boten sich Chancen zuhauf – und der VAR war zweimal gefordert, nicht zum letzten Male in der Partie. Beide Male wurde auf Abseits entschieden, der Pfosten stand zudem sowohl bei Nkunkus Versuch (7.) als auch bei Dudas Gewaltschuss (11.) einem Tor im Wege.

Anthony Modeste erzielt das 1:0 (Foto: IMAGO: Mika Volkmann)

Nach der Pause legte die Partie noch einmal an Fahrt zu. Bei zwei Abschlüssen von Anthony Modeste (51. und 54.) wurde erneut der VAR bemüht, beim ersten entschied er auf Abseits, beim zweiten nahm Felix Brych seine Aberkennung wegen Mark Uths vermeintlichen Foulspiels zurück – der FC führte 1:0. Die Leipziger stemmten sich mit aller Macht gegen ihre dritte Auswärtsniederlage – und erarbeiteten sich Chance auf Chance. Den Ausgleich verhinderte zunächst der VAR, als er Forsberg vor seinem Abschluss ganz knapp im Abseits sah, nach einer Ecke von Szoboszlai wuchtete Hadara dann aber seinen Kopfball zum 1:1-Ausgleich unter die Latte (71.). Die Leipziger witterten nun Morgenluft, Timo Horn musste mehrmals in höchster Not retten – bis, ja bis sich Sekunden vor Schluss Andersson und Duda die Chance zum 2:1 bot.

Erkenntnisse

Noch lange nach dem Schlusspfiff waren die Gesänge der Fans zu hören, die zum Ausdruck brachten, dass sie einem Spiel beigewohnt hatten, das begeisterte, das mitriss und das zeigte, warum der Fußball die Massen fasziniert, der zwar im Gesamtkontext des Lebens eine Nebensache darstellt, dafür aber zu Recht als die schönste Nebensache der Welt bezeichnet wird. Und ja, nicht nur der Champions League-Teilnehmer aus Leipzig trug dazu bei, sondern eine Kölner Mannschaft, die vor wenigen Monaten noch dem Abstieg entgegen taumelte und der Steffen Baumgart neues Leben eingehaucht zu haben scheint. „Ich habe zwei absolute Spitzenmannschaften gesehen. Wir haben sehr, sehr gut gearbeitet, ich bin sehr zufrieden”, sagte dann auch Kölns Trainer nach dem Spiel.

“Ich habe zwei absolute Spitzenmannschaften gesehen. Wir haben sehr, sehr gut gearbeitet, ich bin sehr zufrieden.”

Zufrieden kann Steffen Baumgart auch sein. Spieler wie Timo Horn, Benno Schmitz, Mark Uth und Anthony Modeste, die allesamt eine schwierige Vorsaison durchlebten, blühen auf. Timo Horn hielt, was zu halten war, Benno Schmitz wurde an seine Grenzen geführt, kämpfte jedoch wie kaum ein Zweiter und Anthony Modeste erzielte bereits seinen vierten Treffer im fünften Saisonspiel – einen besonders emotionalen, den er seinem verstorbenen Vater zu dessen Geburtstag widmete. Die Mannschaft scheint den Spielstil, den Baumgart ihr verordnet hat, vollumfänglich angenommen zu haben. Auch wenn die vielen Kilometer weh tun und Körner kosten. Es bleibt zu hoffen, dass die Kraft weiterhin reicht – dann wird der Abstieg in dieser Saison ein Fremdwort rund um den Dom bleiben.

Der Blick auf das nächste Spiel

Am nächsten Samstag geht es an den Main zur Frankfurter Eintracht. Genau wie Leipzig haben auch die Hessen einen neuen Trainer. Oliver Glasner möchte seiner Mannschaft einen eher auf Ballbesitz ausgerichteten Spielstil verordnen und muss zudem zahlreiche neue Spieler integrieren. Kein leichtes Unterfangen, drei Punkte aus vier Spielen können den Europa League-Teilnehmer nicht zufriedenstellen.

Und trotzdem – die Eintracht verfügt mit Akteuren wie Hinteregger, Kamada, Hauge, Lammers und Kostic über hervorragende Einzelspieler, die es jedem Gegner schwer machen können, Zählbares aus dem Deutsche Bank Park mitzunehmen. Den Gästen aus Köln war in ihren letzten beiden Partien das Spielglück nicht gerade hold. In Freiburg musste man ganz spät den Ausgleich hinnehmen, gegen Leipzig wurde der Siegtreffer Sekunden vor Schluss verpasst. Dreimal ist göttlich, vielleicht lächelt die Victoria den Rheinländern ja in Frankfurt zu. Schau’n mer mal, würde der Kaiser jetzt sagen.

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