Minuten nach dem Abpfiff war es dann auch um die eigentlich stets positiv gestimmte Gemütsverfassung von Achim Beierlorzer geschehen. Der Trainer des 1. FC Köln, der gerade eine bittere 0:4-Heimniederlage gegen Hertha BSC verarbeiten musste, bat seine Schützlinge in den obligatorischen Mannschaftskreis nach einer Partie und ließ ordentlich Dampf ab.
„Heute haben wir so verteidigt, wie es der Liga nicht würdig ist. Das muss man ganz klar so sagen, das habe ich auch der Mannschaft so gesagt“, bekannte er nachher bei „Sky“ freimütig und lag in seiner Analyse komplett richtig: Insbesondere defensiv hatten die „Geißböcke“ an diesem rabenschwarzen Sonntag die Tauglichkeit für diese Spielklasse komplett fehlen lassen. Vor allem deshalb wurde aus dem „zweiten Saisonstart“ gegen biedere Berliner ein komplettes Desaster.
Danach sah es allerdings zunächst nicht aus, denn der effzeh begann mit der zuvor auch offensiv verkündeten Motivation, den ersten Heimsieg der Saison einzufahren. Die Kölner, die mit Anthony Modeste, Jorge Meré und Benno Schmitz für Rafael Czichos (krank), Kingsley Ehizibue (gesperrt) und Kingsley Schindler (Bank) starteten, mussten allerdings gleich den ersten Schock verdauen: Dominick Drexler verletzte sich in seiner ersten Aktion ohne Fremdeinwirkung und musste kurz darauf vom Feld.
Ein Treffer gegen den Spielverlauf sorgt für Unruhe
Dennoch war das Beierlorzer-Team vom Anpfiff weg spielbestimmend – und hatte die ersten Möglichkeiten: Florian Kainz sorgte nach sieben Minuten mit einem Freistoß aus der Distanz für die erste Torgefahr, Jhon Cordoba hatte das 1:0 nach Hereingaben von Hector (14.) und Schindler (17.) gleich zweimal auf dem Kopf.
Es kam, wie es eigentlich immer kommt beim 1. FC Köln in solchen Spielen: Dilrosun wurde 20 Meter vor dem Tor zu viel Platz gelassen, der Niederländer schlenzte unbedrängt in die linke Eck, so dass Timo Horn nur noch hinterherschaute (23.). Ein Treffer komplett gegen den Spielverlauf – und doch bezeichnend für diesen Sonntagnachmittag, an dem fortan alles gegen die „Geißböcke“ zu laufen schien.
“Wir waren gut im Spiel, hätten in Führung gehen müssen und kriegen dann aus dem Nichts ein Tor, das nicht fallen darf.”
„Es ist unheimlich viel schiefgelaufen. Wir waren gut im Spiel, haben auch eigentlich die Möglichkeiten gehabt, in Führung zu gehen, hätten in Führung gehen müssen und kriegen dann aus dem Nichts ein Tor, das nicht fallen darf. Das haben wir schlecht verteidigt, so wie wir auch andere Situationen heute schlecht verteidigt haben“, bemängelte auch effzeh-Sportgeschäftsführer Armin Veh die Abwehrarbeit der Kölner Mannschaft deutlich.
Rot für Meré nach üblem Tritt
Die Verunsicherung ob des Gegentreffers, aber auch den Willen, diesen Rückstand wettzumachen, waren dem Beierlorzer-Team nun deutlichst anzumerken. Bei einem Berliner Konter über rechts zog Horn vor der flachen Hereingabe weg, Darida traf am zweiten Pfosten nur das Außennetz. Der effzeh drängte wütend nach vorne, doch es fehlten die Mittel, um insbesondere die sich auf den Flanken bietenden Räume auch zu nutzen.
Exemplarisch dazu die 37. Minute: Nach einem eigenen Eckball, der abermals harmlos in die Arme von Hertha-Keeper Rune Jarstein segelte, machte der Norweger das Spiel schnell und schickte Torschütze Dilrosun auf die Reise. Der ließ Kölns Verteidiger Schmitz im Laufduell aussehen wie ein i-Dötzchen, setzte aber den eleganten Lupfer am herausstürmenden Horn vorbei an die Latte.
Hatte das Aluminium weiteres Unheil für die „Geißböcke“ soeben noch verhindern können, machte sich der effzeh kurz vor der Pause das Leben in Zusammenarbeit mit dem VAR noch schwerer. Meré versuchte vergeblich, einen erneuten Berliner Konter mit einem überharten Einsteigen gegen Darida zu unterbinden. Nachdem Schmitz den gefährlichen Gäste-Angriff stoppen konnte, schritt Schiedsrichter Storks in die Review-Area und verwies den spanischen Innenverteidiger für dessen brutalen Tritt gegen das Schienbein des Feldes (41.).
Ibisevic gibt den “Geißböcken” den Rest
Die einzige richtige Entscheidung, auch wenn das Prozedere abermals für Ärger sorgte, zumal Storks zuvor bei gleich drei Hertha-Akteuren Gnade vor Recht ergehen ließ, was eine durchaus mögliche Verwarnung anbetraf. In Unterzahl rettete der sichtlich angeknockte effzeh, nun mit Höger in der Innenverteidigung, in die Pause. „Alles, was schieflaufen kann, ist heute schiefgelaufen”, schlussfolgerte Timo Horn nach der Partie am “Sky”-Mikrofon.
“Alles, was schieflaufen kann, ist heute schiefgelaufen.”
“Es fängt in der zweiten Minute an, wo Dominick Drexler sich in der ersten Aktion verletzt. Geht über die schlecht verteidigte Situation zu dem 0:1 drüber hinweg und wenn du dann in der 30. Minute (sic!) hier vom Platz fliegst und mit einem Mann weniger dem Ergebnis hinterherrennst, dann wird es natürlich nicht einfacher“, betonte der effzeh-Keeper, der in der zweiten Halbzeit noch dreimal hinter sich greifen musste.
Doch zunächst weckten die „Geißböcke“ nochmals ihre Lebensgeister – und damit auch Hoffnung bei den lautstark unterstützenden effzeh-Fans im wieder einmal pickepackevollen Müngersdorfer Stadion: Zu Beginn des zweiten Durchgangs war nur selten zu merken, dass die Kölner einen Mann weniger auf dem Rasen hatten, es mangelte den Offensivbemühungen allerdings an der nötigen Durchschlagskraft.
Beierlorzer: “Das reicht nicht für diese Liga”
Die brachte Hertha dann auf den Rasen: effzeh-Schreck Vedad Ibisevic (zuvor elf Tore in 18 Partien gegen Köln) kam für Davie Selke und führte sich gleich entsprechend ein. Lukas Klünter zeigte sich bei einem Berliner Angriff gedankenschneller als die Hintermannschaft des Bundesliga-Aufsteigers und bediente von der Grundlinie den im Zentrum lauernden Bosnier. Erster Ballkontakt, 2:0 für die Gäste (59.).
“Beide Gegentore verteidigen wir so schwach, das reicht nicht für diese Liga. Das sind Tore der Passivität.”
Es war der Genickschuss für die Bemühungen der „Geißböcke“ an diesem äußerst schmerzhaften Sonntag. Es fühlte sich allerdings wie ein Film an, der schon viel zu oft lief – in der Hauptrolle: Vedad Ibisevic. Wenige Minuten später vollendete der Hertha-Stürmer abermals nach einer Hereingabe von der rechten Seite, am ersten Pfosten schob er die Kugel unorthodox am vergeblich reagierenden Horn vorbei zum 3:0 über die Linie (63.).
„Beide Gegentore verteidigen wir so schwach, das reicht nicht für diese Liga. Das sind Tore der Passivität“, resümierte effzeh-Coach Beierlorzer. Die letzte halbe Stunde der Partie verkam so zu einem Schaulaufen: Die Gäste spielten die 30 Minuten souverän herunter, die „Geißböcke“ versuchten einfach größeren Schaden zu vermeiden. Das gelang, wie so vieles an diesem Sonntag, allerdings nicht: Einen Eckball von links köpfte Herthas Verteidiger Dedryck Boyata unbedrängt zum 4:0-Endstand für die Berliner ein (83.).
Nach sechs Spielen: Eine Bilanz, die nicht bundesliga-tauglich ausfällt
Das Debakel war perfekt für den 1. FC Köln: Die zweite 0:4-Niederlage in Folge, die dritte Heimniederlage im dritten Heimspiel, kein Tor aus den letzten drei Begegnungen, nur ein Sieg aus sechs Partien. Eine bittere Bilanz. Nicht bundesliga-tauglich, wie sich auch die Mannschaft über Strecken präsentierte. Offensiv ohne Durchschlagskraft, in der Abwehr ohne die nötige Aggressivität, dazu mit unerklärlichen Lücken in der eigenen Ordnung. Das kann auch der bittere Spielverlauf nicht übertünchen.
„Natürlich ist das ein unglaubliches Drehbuch für den 1. FC Köln, in dem sich gleich ein Spieler verletzt, zwei Großchancen liegen bleiben und eine Rote Karte kommt. Dann verteidigen wir so schwach, dass ich natürlich nicht erfreut bin. Ich finde es auch extrem traurig für unsere Fans, die wieder alles gegeben haben da draußen. Selbst nach der Halbzeit, als es 0:1 stand. Da hat unsere Mannschaft in Unterzahl einen richtig guten Fußball gespielt, da waren die Fans sofort da“, betonte ein sichtlich geknickter Achim Beierlorzer.
„Ich möchte mit der Mannschaft einen aktiven Fußball spielen. Dass es jetzt in dem Spiel so nicht umgesetzt wurde, hat mich auch überrascht. Das muss ich ganz klar sagen. Das müssen wir ganz klar ansprechen und verändern“, sagt der gebürtige Franke. Ändern muss sich angesichts einer letztlich extrem schwachen Vorstellung gegen Hertha BSC wahrlich viel, will der 1. FC Köln in dieser Saison das gesteckte Minimalziel Klassenerhalt erreichen. Nach dem schwierigen Fünferpack zum Saisonstart sollte das Duell gegen die Berliner zur Initialzündung werden – das ist gründlichst in die Hose gegangen.
Horn: “Ein Rückschlag, aber wir stehen wieder auf”
„Vor heimischen Publikum 0:4 zu verlieren – davon muss man sich erstmal erholen. Diese Niederlage muss man jetzt erstmal sacken lassen, das ist hart. Für uns und für die Fans sowieso“, verkündete Marco Höger nach dem deutlichen 0:4. Dass es in dieser Spielzeit noch härter kommen wird, ist nach diesem Auftritt allerdings die Befürchtung vieler Kölner Anhänger. Weniger hart ging derweil Armin Veh mit der Mannschaft ins Gericht: „Ich werfe ihr gar nichts vor, sie hat in Unterzahl alles versucht“, betonte der effzeh-Sportgeschäftsführer nach dem Spiel bei „Sky“.
“Vor heimischen Publikum 0:4 zu verlieren – davon muss man sich erstmal erholen.”
Und gab sich trotz der Niederlage überzeugt: „Wir werden nicht nervös werden. Wir wissen natürlich, dass wir jetzt am sechsten Spieltag darum kämpfen, die Klasse zu erhalten. Das beunruhigt uns nicht. Dass wir der Liga gewachsen sind, davon bin ich felsenfest überzeugt. Wichtig ist, wie wir intern damit umgehen. Wir werden Lösungen finden, davon bin ich überzeugt“, erklärte Veh. Nach den bekannten Durchhalteparolen klang dagegen schon Timo Horn: „Das ist ein Rückschlag, aber wir stehen wieder auf“, so der effzeh-Keeper. Es war eben Murmeltiertag in Müngersdorf.