Fußball ist ein seltsamer Sport, das wissen alle Fans des 1. FC Köln wohl sehr gut. Eines der ungeschriebenen Gesetze besagt, dass ein eng gestricktes Programm den Spielern nach einer größeren Enttäuschung die schnelle Chance zur Wiedergutmachung beim eigenen Anhang geben kann. Das mag für die meisten Situationen sogar gelten, doch wie so oft scheint der glorreiche FC nicht der Normalfall zu sein. Nach den fußballerischen Totalausfällen gegen Augsburg und Hertha BSC sowie dem Systemabsturz in Freiburg scheint sich so gut wie niemand auf das nächste Spiel zu freuen. Vor dem Duell beim Bundesliga-Schlusslicht herrscht vielmehr so etwas wie gespannte Furcht.
Der Grund hat einen Namen: FC Schalke 04. Zwar kann der FC nicht mehr den dummen August mimen, der den „Königsblauen“ die Last ihrer historischen Sieglosserie abnimmt. Dennoch steht beim Aufeinandertreffen des Tabellen-18. mit den zwei Ränge besser platzierten „Geißböcken“ die Angst vor einem abermals peinlichen Auftritt im Vordergrund. Auf der einen Seite die Schalker, die sieben ihrer vergangenen neun Partien verloren haben und seit dem vergangenen Spieltag wieder die „Rote Laterne“ der Bundesliga ihr Eigen nennen dürfen. Auf der anderen der 1. FC Köln, der seit fünf Spielen auf einen Sieg und seit 485 Minuten auf einen eigenen Treffer wartet. Spötter behaupten: Schalke gegen Köln – das F steht für Fußball.
Dreimal null es null bliev null
Welch große Probleme das Team von Trainer Markus Gisdol mit den Kernkompetenzen dieser Sportart hat, wurde beim torlosen Remis gegen Hertha BSC einmal mehr schonungslos offengelegt. Mehr als jedes fünfte Zuspiel (21 Prozent Fehlpassquote!) fand nicht den Weg zum eigenen Mitspieler, lediglich zwei Schüsse aufs gegnerische Tor standen nach 90 schwer erträglichen Minuten zu Buche. Dass der FC letztlich erstmals in diesem Jahr einen Punkt einfahren konnte, war mehr dem Berliner Unvermögen und einer gehörigen Portion Glück als der eigenen Leistung zuzuschreiben. Wie schon im Heimspiel gegen Augsburg waren die „Geißböcke“ drauf und dran, das Spiel in der Schlussphase zu verlieren.
“Defensiv gut zu arbeiten, ist die Basis. Darauf aufbauend müssen wir unser Offensivspiel verbessern.”
FC-Coach Gisdol schien jedenfalls halbwegs zufrieden mit dem Auftritt gewesen zu sein: „Nach dem Spiel gegen Freiburg war es das Wichtigste, dass wir defensiv stabil sind. Wenn wir zu Null spielen, haben wir einen Punkt. Das ist erstmal wichtig. Wenn wir defensiv weiter gut stehen, werden wir punkten“, so der gebürtige Schwabe auf der Pressekonferenz vor der Partie auf Schalke. Die Stabilisierung der Kölner Defensive falle aber zurzeit zu Lasten der Umschaltbewegung, analysiert Gisdol. „Wir haben nicht das beste Selbstvertrauen im Spiel mit dem Ball nach vorne. Aber die Jungs arbeiten daran. Defensiv gut zu arbeiten, ist die Basis. Darauf aufbauend müssen wir unser Offensivspiel verbessern.“
Der historische Torlos-Rekord winkt in der Ferne
Dass angesichts der derzeitigen Harmlosigkeit das Vertrauen in diese Woche für Woche geäußerten Fortschrittsbekundungen schwindet, dürfte einleuchten. Wenn dazu noch Personalrochaden wie gegen Hertha BSC kommen, als über außen zwar Druck gemacht wurde, aber ein Stoßstürmer zur Verwertung der Flanken erst kam, als die entsprechende Besetzung der Außenbahn wieder verändert wurde, dann wird es schwierig mit der Geduld. Und auch wenn der historische Torlos-Rekord, den selbstverständlich der 1. FC Köln hält, mit 1033 Minuten ohne eigenen Treffer noch in schier endloser Ferne zu liegen scheint: Sollte es gegen die mit Abstand schwächste Defensive der Liga (42 Gegentore!) nicht mindestens zu einem Erfolgserlebnis reichen, dann dürfte es sich mit der Grabesruhe rund ums Geißbockheim erledigt haben.
Trotz der Vorzeichen, die für keins der beiden Teams sonderlich positiv daherkommen, schiebt der FC vor dem Auswärtsspiel auf Schalke den Druck wie selbstverständlich Richtung Gelsenkirchen. „Es ist das letzte Hinrundenspiel und natürlich ist es wichtig. Wir können vieles geraderücken. Wir wissen auch um die immense Bedeutung für unseren Gegner, der von den Punkten her hinter uns steht. Schalke hat noch mehr Druck, das Spiel gewinnen zu müssen“, begann Gisdol mit den üblichen Psychospielchen vor einer solchen Partie. Nicht ohne eine kleine Beschwerde über die in seinen Augen zu positive Berichterstattung über den Gegner loszuwerden: „Sie haben von den letzten drei Spielen eins gewonnen und zwei verloren. Und es klingt so, als ob sie alles gewonnen haben. Da kommen mir andere Klubs zu schlecht weg.“
Fährmann: “Das ist ein ganz, ganz großes Spiel für uns“
Diese schon recht verzweifelt anmutenden Aussagen dürfte beim kommenden Gegner nicht viel mehr als ein Achselzucken auslösen, zumal die Lage bei Schalke 04 noch düsterer aussieht als beim FC. Nach dem erlösenden Sieg gegen Hoffenheim setzte es für die „Knappen“ in Frankfurt eine 1:3-Niederlage, die auch deutlich höher hätte ausfallen können. Einzig Torwart Ralf Fährmann war es zu verdanken, dass die Entscheidung zuungunsten seines Teams erst in der Nachspielzeit fiel. Direkt nach dem Abpfiff richtete der Schalker Routinier den Fokus bereits auf die Partie gegen die „Geißböcke“, die zum Abschluss der Hinrunde auf sein Team wartet. “Das ist ein ganz, ganz großes Spiel für uns“, weiß Fährmann um die Bedeutung des Duells zwischen den zwei Abstiegskandidaten.
Während es beim FC vor allem in der Offensive klemmt, kämpft S04 im Grunde an allen Fronten um die nötige Stabilität: Mit 42 Gegentoren stellen die Gelsenkirchener die mit Abstand schlechteste Defensive der Liga (Mainz folgt mit 34), dazu haben die „Königsblauen“ auch erst 13 Treffer erzielt – nur Arminia Bielefeld (10) ist ungefährlicher als das Tabellenschlusslicht (der 1. FC Köln hat ebenfalls 13). Auch deshalb stehen die „Knappen“ kurz vor der Verpflichtung von Klaas-Jan Huntelaar, der mit seinen 37 Jahren noch einmal für eine Ehrenrunde auf Schalke zu seinem Ex-Club zurückkehrt und den Verein zum Klassenerhalt schießen soll. Start der Mission: Mittwoch gegen den 1. FC Köln. Es wäre wirklich lustig, aber a) wissen wir alle, wie das Comeback ausgehen wird und b) hat der FC sich einst in einem ähnlich vor Verzweiflung triefenden Move Claudio Pizarro geleistet.
Hoffnung auf das gegnerische Elend und die Statistik
So bleibt als Hoffnung für das Duell auf Grasnarbenniveau eigentlich nur der Blick auf das noch größere Elend beim Gegner. Und ein kleiner Blick auf die Statistik. Auswärts agierte das Gisdol-Team bis auf das Freiburg-Debakel sehr solide, holte neun der zwölf Punkte auf fremdem Platz. Dazu sind die „Geißböcke“ seit nun mehr sechs Bundesliga-Spielen gegen S04 ungeschlagen (zwei Siege, vier Remis) und verloren auf Schalke zuletzt im August 2011 (1:5 nach 1:0-Führung). Insgesamt feierte der FC gegen die „Königsblauen“ historisch die meisten Bundesliga-Siege (37). Zahlen, die für die rot-weißen Gäste sprechen. Wenn es schon nicht gezeigten Leistungen tun. Zwölf Zähler aus 16 Spielen: Das ist die Bilanz eines Absteigers.
“Wir sehen das Spiel auch als immens wichtig an. Wir werden eine richtig gute und aggressive Performance brauchen.”
Und die Sache mit dem Druck? Jedem dürfte klar sein, dass diese Partie auch für den 1. FC Köln von enormer Bedeutung ist. Vielleicht braucht Schalke den Sieg einen Ticken mehr, aber auch für die „Geißböcke“ steht viel auf dem Spiel. Dasselbe gilt auch für Coach Gisdol, dessen Stuhl spätestens seit dem 0:5 in Freiburg bedenklich wackelt. Und der deshalb sagt: „Wir sehen das Spiel auch als immens wichtig an. Wir werden eine richtig gute und aggressive Performance brauchen“, so der FC-Coach. Eine richtig gute, aggressive Performance: Das wäre doch einmal ein guter Ansatz für den späten Mittwochnachmittag. Ansonsten heißt es nur: Willkommen in der Hölle des Abstiegskampfes! Da passt es doch prima, dass das Spiel bereits um 18.30 Uhr angepfiffen wird. Ein Stück Gewöhnung für beide Seiten an die drohenden Anstoßzeiten in der kommenden Spielzeit.