Doch werfen wir lieber noch einmal einen kurzen Blick auf die Ausganglage vor der Saison. Was hatte sich im Vergleich zu den Vorjahren geändert? Die gesamten siebziger Jahre hindurch spielte der 1. FC Köln um die Meisterschaft mit. Seit 1970 belegten die “Geißböcke” einmal den zweiten Platz, wurde Vizemeister (1972/73), zweimal wurde man Vierter (1969/70 und 1975/76), dreimal erreichte man den fünften Platz (1973/74, 1974/75 und 1976/77) und einen Ausrutscher nach unten gab es in der Saison 1970/71, da reichte es gerade mal für den elften Rang. Nicht eben selten war man während verschiedener Spielzeiten Tabellenführer, aber am Ende reichte es nie.
All das änderte sich erst 1977/78. Und dies, obwohl die Mannschaft nicht radikal umgebaut wurde, keine Millionentransfers getätigt wurden und obwohl der vormalige Regisseur und Weltstar Overath in die Wüste geschickt wurde. Der Verdacht liegt nahe, dass es irgendwie mit dem Weltmeister zu tun gehabt haben könnte. Tatsächlich kann zweifelsfrei gesagt werden, dass die Mannschaft nach seinem unfreiwilligen Abgang zusammenrückte, zeigen wollte, dass sie es auch ohne ihn kann, ja sogar besser kann.
Überragende Einzelkönner und besondere Charaktere
Und tatsächlich bestand die Mannschaft zum Teil aus überragenden Einzelkönnern oder aus sehr besonderen Charakteren. An erster Stelle Heinz Flohe, aber auch Spieler wie Herbert Zimmermann oder Herbert Neumann waren begnadete Fußballspieler, die jetzt zu ganz besonderen Leistungen aufliefen. Ein Vorbild an Durchschlagskraft war Harald Konopka, Dieter Müller ein Goalgetter der Extraklasse und „Toni“ Schumacher mauserte sich zum besten deutschen Torhüter während dieser Saison. Hinzu kamen überdurchschnittliche Könner wie Gerd Strack, Roland Gerber oder Bernd Cullmann.
Manche sahen Luft nach oben bei den Leistungen der Außenstürmer Roger van Gool und Yasuhiko Okudera, wobei Okudera manch schwache Auftritte in seiner Anfangsphase durch seine enorm wichtigen Treffer gegen Stuttgart und St. Pauli mehr als wett machte. Auch van Gool erzielte wichtige Treffer, beispielsweise im Pokalfinale. Ein junger Spieler wie Dieter Prestin hätte für noch mehr Furore sorgen können, wenn er sich nicht – wie so oft – verletzt hätte. Die einzige Neuerwerbung vor der Saison, Holger Willmer aus Lübeck, der als Linksaußen geholt wurde, schaffte es nicht, sich ins Team zu spielen.
Erfolgsfaktoren
Was waren nun die entscheidenden Faktoren für den außergewöhnlichen Erfolg? Weisweiler konnte mit einer Mannschaft arbeiten, die in ihrer Grundstruktur stand, die bereits seit Jahren – im Kern zumindest – vorhanden war. Derjenige, der dafür in erster Linie verantwortlich zeichnete, hieß Karl-Heinz Thielen, der Manager des Clubs seit Anfang 1973. Einen Manager zu beschäftigen bedeutete 1973 ein absolutes Novum im bezahlten deutschen Fußballgeschäft. Jemanden mit so einem Anforderungsprofil zu suchen, auf diese Idee war bis dahin noch kein anderen Bundesligist gekommen.
Thielen sollte die sportliche Ausrichtung bestimmen, Transfers abwickeln, mit dem jeweiligen Trainer kooperieren, die sportliche Linie bestimmen, Verträge aushandeln und darüber hinaus auch eine Art Gesamtgeschäftsführer des Vereins sein. Der Rodenkirchener war selbst Profispieler, er wechselte 1973 nahtlos vom Trainingsplatz ins Büro. Er kannte die Mannschaft aus dem Effeff, wusste, was in ihr vorgeht und er konnte aus eigener Anschauung beurteilen, wo die Defizite liegen.
Hurra-Fußball unter Cajkovski
Als Thielen begann, war Rudi Schlott Trainer. Mit ihm arbeitete der einstige Profi etwas mehr als ein halbes Jahr zusammen. Als die Saison 1973/74 mies los ging, wurde Schlott entlassen, auch wenn er im Vorjahr für die Vizemeisterschaft und den Vizepokalsieg verantwortlich zeichnete. Thielen suchte die große Trainerlösung, holte Zlatko “Tschik” Cajkovski, den ersten Meistertrainer des 1. FC Köln, zurück ans Geißbockheim.
Der Jugoslawe passte hervorragend zur Mannschaft, verstand es glänzend Euphorie zu erzeugen, unter ihm wurde Spaßfussball gespielt und diese Spielweise geradezu zelebriert. Nie sah man in Köln besseren, schöneren Fußball als zu der Zeit, als Cajkovski trainierte und der FC im Provisorium Radrennbahn kickte. So schön es auch war, so phlegmatisch konnte die Mannschaft sein, wenn es mal eine Niederlage setzte.
Entweder unterliefen diese Ausrutscher dann, wenn es wirklich um alles ging, wenn nur noch ein Quäntchen fehlte, um schnurstracks auf den Meistertitel zuzumarschieren oder sie lösten gleich eine handfeste Krise mit einer regelrechten Niederlagenserie aus, die ebenso alle Ambitionen zunichte machte. Das ständige Auf und Ab, das himmelhoch Jauchzend, zu Tode betrübt, entwickelte sich zum unverkennbaren Markenzeichen des FC. Die Mentalitäten von Trainer und Mannschaft waren zu deckungsgleich und mithin kultivierte sich diese Art des Hurra-Fußballs. Cajkovski blieb bis Dezember 1975 FC-Trainer. Die Zusammenarbeit endete nach einer typisch herben Heimniederlage gegen Borussia Mönchengladbach.
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