Am Morgen vor dem Spiel in Uerdingen ist Dennis Kings voller Vorfreude, als er neben seiner Sporttasche auch einen Koffer packt, denn von Krefeld aus geht es für ihn direkt zum Treffpunkt der U15-Auswahl nach Frankfurt, von wo die deutsche Delegation am darauffolgenden Tag nach England fliegt. „Ich dachte daran, wie unbeschreiblich es sein würde, als Kapitän die deutsche Mannschaft auf den berühmten Rasen des Wembleystadions zu führen“, erzählt er. „Alles war in meiner Karriere bis zu diesem Zeitpunkt nur in eine Richtung gegangen – nach oben. Die sieben Jahre beim FC, die Spiele mit den Auswahlteams des Mittelrheins und Westdeutschlands, der 5-Jahres-Vertrag in Schalke und schließlich die internationalen Begegnungen mit der U15-Nationalmannschaft.“
Ein verhängnisvoller Zweikampf
In der Grotenburg-Kampfbahn in Uerdingen kommt es zu einem umkämpften Spiel zwischen der Bayer-Elf und dem FC. Beide Teams schenken sich nichts, die Begegnung ist zerfahren und von zahlreichen Zweikämpfen geprägt. Ein weiter Pass landet in der Uerdinger Hälfte, Dennis Kings und Robert Ratkowski, sein Uerdinger Gegenspieler, starten fast gleichzeitig in Richtung des Balles. „Ratkowski ging mit gestrecktem Bein in den Zweikampf und traf das Schienbein meines rechten Beines“, erinnert sich Kings. „Es war bestimmt keine Absicht und Ratkowski hat sich auch sofort entschuldigt, aber ich ahnte sofort, dass mit meinem rechten Bein etwas ganz und gar nicht stimmte.“
Der DFB-Tross fliegt am nächsten Tag nach London – ohne Dennis Kings. Dafür aber mit Robert Ratkowski, der nur auf Abruf bereitstand, nun aber für Kings einspringt. Welche Ironie des Schicksals!
Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ist, dass das Schienbein gebrochen ist. Ein Uerdinger Betreuer, der Sebastian Hahn, einen Nationalmannschaftskollegen von Kings, nach Frankfurt fährt, nimmt ihn in seinem Auto mit. „Auf der Fahrt habe ich vor Schmerzen geheult“, erzählt Kings. „Aber ich hatte das Spiel in Wembley im Kopf. Ich wollte unbedingt dabei sein.“ Als er den DFB-Ärzten davon erzählt, schlagen diese die Hände über dem Kopf zusammen. Statt zum Flughafen führt ihn sein Weg ins Krankenhaus, wo ein Schienbeinbruch diagnostiziert wird. Der DFB-Tross fliegt am nächsten Tag nach London – ohne Dennis Kings. Dafür aber mit Robert Ratkowski, der nur auf Abruf bereitstand, nun aber für Kings einspringt. Welche Ironie des Schicksals!
Kings löst den Vertrag mit Schalke auf und bleibt in Köln
Während seine Kameraden die beiden Länderspiele in England absolvieren und die Saison ihrem Ende entgegenstrebt, beschäftigt sich Kings mit dem 5-Jahres-Vertrag, den er bei Schalke 04 unterschrieben hat, und kommt ins Grübeln. Wie würden die Königsblauen einen neuen Spieler aufnehmen, der noch lange Zeit auf Gehstützen angewiesen wäre? Würde er sein altes Leistungsniveau wieder erreichen, und wie lange würde dies dauern? Wie würde er die langen Fahrten nach Gelsenkirchen verkraften und wie würde er eine Berufsausbildung integrieren können? Ein Gespräch mit Frank Schaefer, der ihm rät, beim FC zu bleiben, gibt schließlich den Ausschlag. Die Schalker kommen – wenn auch widerstrebend – seiner Bitte nach, den Vertrag aufzulösen. Dennis Kings bleibt in Köln.
Es dauert allerdings über ein halbes Jahr, bis Kings wieder ans Fußballspielen denken kann. Arztbesuche und Reha hat er in dieser Zeit selber organisieren müssen. „Damals war der FC in diesem Bereich noch nicht professionell aufgestellt“, erläutert er. „Man überließ fast alles meiner eigenen Initiative. Das waren natürlich keine idealen Voraussetzungen für eine schnelle Rekonvaleszenz.“
Es dauert bis nach der Winterpause, bis Kings wieder spielbereit ist. Er merkt selber, dass er noch nicht der alte ist und dass es dauern wird, bis er wieder in die Nähe seiner Normalform kommt. „Vor meiner Verletzung war der Zweikampf meine große Stärke“, erklärt er. „Ich tat mich damit nun deutlich schwerer, auch weil ich nach dem Beinbruch nicht mehr so unbelastet in den Kampf um den Ball ging.“ Rainer Nicot, Deutscher A-Jugendmeister 1971 und Deutscher Amateurmeister 1981, hat inzwischen Frank Schaefer als Trainer der B-Jugend des 1. FC Köln abgelöst. „Nicot war vielleicht der menschlich netteste Trainer, unter dem ich gespielt habe“, erinnert sich Kings. „Aber auch er konnte nicht verhindern, dass wir am Ende der Saison auf einem enttäuschenden dritten Platz in der B-Jugend-Verbandsliga Mittelrhein landeten.“
Er erhält weiterhin Einladungen zur U16-Nationalmannschaft und kommt auch noch zu fünf Einsätzen, steht jedoch schließlich nur noch auf Abruf bereit, bevor die Berufungen ganz unterbleiben. Die U16-Europameisterschaft, sein großes Ziel, findet ohne ihn statt. Zu Hause muss er am Fernseher mit ansehen, wie seine ehemaligen Nationalmannschaftskollegen im Endspiel Spanien mit 2:1 schlagen und den Titel nach Deutschland holen.
Der Wechsel zu Fortuna Düsseldorf
Auch nach der Auflösung des Vertrags mit Schalke 04 hegt Kings immer noch Wechselgedanken. Fortuna Düsseldorf versucht ihn mit einem recht lukrativen Angebot zu überzeugen, auch seine ehemaligen Mitspieler beim FC, Ulf Menssen und Manuel Velasquez, raten ihm zu dem Wechsel, und so zieht es den ehemaligen Jugendnationalspieler zur Saison 1992/93 rheinabwärts in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt. Auch beruflich findet er dort seine vorläufige Heimat, vermittelt ihm die Fortuna doch nach bestandener Mittlerer Reife eine Ausbildungsstelle bei der Nürnberger Versicherung.
Sportlich verläuft die erste Saison in der A-Jugend der Düsseldorfer, die vom Fortunen-Urgestein Fred Hesse trainiert wird, sehr erfolgreich. Die Mannschaft um den späteren Mönchengladbacher Profi Chrissovalantis Anagnostou und Rasim Suksur, der später bei Galatasaray Istanbul und Altay SK zu Einsätzen in der Süper Lig kommt, gewinnt die Niederrheinmeisterschaft und nimmt an den Spielen um die Deutsche A-Juniorenmeisterschaft teil, wo sie jedoch schon in der Vorrunde nach zwei Niederlagen gegen den VfB Stuttgart ausscheidet.
Die Belastung der täglichen Fahrten, von Ausbildung und Training macht Kings zunehmend zu schaffen. Morgens verlässt er um sechs Uhr das Elternhaus, um bis am späten Nachmittag in der Versicherungsagentur zu arbeiten und danach zu trainieren, so dass er erst gegen 22 Uhr wieder zu Hause ist. „Ich dachte mir, das kann doch nicht alles sein, was das Leben mir zu bieten hat“, erläutert er. Zudem hat er das Gefühl, dass es in seiner Karriere, die so hoffnungsvoll begonnen hat, Schritt für Schritt bergab geht. „Ich begann zu zweifeln, dass sich mein Traum vom Profifußball noch erfüllen könnte“, sagt er. „Vielleicht war es auch ein Fehler, vom FC wegzugehen, denn damit hatte ich meine Basis verloren.“ Ende 1993, mitten in der Saison, zieht er die Konsequenz und hängt seine Fußballschuhe zum ersten Mal an den berühmten Nagel.
Der erste Abschied vom Fußball und die Rückkehr zum FC