Bis Verstraete diesen Meilenstein allerdings erreichen konnte, lag ein weiter und nicht immer sonderlich geradliniger Weg hinter dem fußballbegeisterten Belgier, der bereits früh im Fokus der Spitzenclubs stand. Seine ersten Meriten verdiente sich Verstraete in seiner Heimatstadt, beim KV Oostende. Die PSV, der RSC Anderlecht, der FC Brügge: Sie all standen früh Schlange, um den hochtalentierten Jungen von der Nordseeküste unter Vertrag zu nehmen. Doch erst mit 15 Jahren verlässt Verstraete sein Zuhause und wechselt nach Brügge – auch weil der heimatverbundene Familienmensch und selbsterklärte „Familienfan“ dadurch weiter im eigenen Bett schlafen kann.
Noch heute ist die Verbindung zu seinem Stiefvater, der ihn einst in der Jugend trainierte, und ganz besonders seiner Mutter sehr eng: „Ich muss mich wohl fühlen, damit ich mich irgendwo zurechtfinde“, schildert Verstraete. Mehrmals in der Woche ist er auch in seiner Phase bei der KAA Gent zuhause, um sich kulinarisch verwöhnen zu lassen. Es möge kitschig klingen, so der Fußballspieler, aber: „Vor einem Spiel spreche ich immer noch einmal mit meiner Mutter. Auch nach dem Spiel ist sie die erste Person, die mich anruft.“
Hoch geflogen, tief gefallen: Verstraetes Karriereknick
In Brügge läuft derweil erst einmal alles nach Plan für Verstraete, der nach seiner Anfangszeit als Spielmacher hinter den Spitzen im zentralen Mittelfeld immer defensiver eingeplant wird. Bereits mit 18 Jahren gibt der Stratege sein Debüt in der Profimannschaft der Blau-Schwarzen, sogar in der Europa League wird er eingesetzt. Doch sein Höhenflug wird jäh gestoppt, Probleme mit Brügge-Coach Michel Preud’homme sorgen für einen Karriereknick beim talentierten Mittelfeld-Youngster. „Es ging alles zu schnell und zu einfach. Ich dachte, ich wäre unantastbar“, schildert Verstraete diese Phase in seiner Laufbahn: „Das ist wie ein Bumerang zurückgekommen.“
Es ging alles zu schnell und zu einfach. Ich dachte, ich wäre unantastbar!
Er verlässt sich zu sehr auf sein Talent, gerät immer wieder mit der belgischen Torwartlegende, die sein Trainer beim Spitzenclub ist, aneinander – und muss dann die Koffer packen. „Ich hatte immer gehört, wie schwierig es ist, Fußballprofi zu werden. Und plötzlich war ich es, ohne viel dafür tun zu müssen. Alles verlief natürlich. Ich habe mein Talent genutzt und auch gespielt: Ich war Stammspieler beim FC Brügge. Bis ich mit dem Kopf vor die Wand gelaufen bin und der Verein mich nach Mouscron geschickt hat“, so Verstraete. Ausgeliehen. Ausgerechnet nach Mouscron, die damals eine Kooperation mit dem OSC Lille haben und sogar in der nordfranzösischen Stadt trainieren.
Die dunkelste Zeit in Verstraetes bisherigen Karriere: Anpassungsprobleme mit den französisch sprechenden Teamkollegen, Anpassungsprobleme in einem Team, das offensichtlich mehr als unrund zusammengestellt wurde. Der einst hochgelobte Youngster fühlt sich wie das fünfte Rad am Wagen. „Es war die Hölle“, sagt er deutlich. „Ich bin jeden Tag 128 Kilometer von Ostende nach Lille und zurück gefahren. Der Kader bestand fast aus Spielern der zweiten Mannschaft in Lille, ihr französischer Trainer verstand die Flamen nicht. Der einzige Grund, warum ich und einige andere dort waren, war, dass Mouscron sieben Belgier auf dem Spielbericht haben musste“, erklärt Verstraete.
Ein Weckruf zur richtigen Zeit
Für ihn ein Weckruf zum richtigen Zeitpunkt: „Ich habe oft gedacht: Es reicht! Aber in solch schwierigen Zeiten erkennt man vieles bei sich. In diesem Jahr in Mouscron wurde mir klar, dass sich die Dinge ändern mussten“, so der einstige Junioren-Nationalspieler, dessen Idol Andres Iniesta ist. Nach der Horrorsaison in Mouscron soll ein Neustart her: „Es war fünf vor zwölf. Als junger Spieler kannst du eine Saison verlieren, aber nicht zwei. Dann giltst du als ewiges Talent und das wollte ich nicht“, betont Verstraete. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und drückte den Resetknopf. Jetzt werde ich allen Zweiflern zeigen, dass sie einen Fehler gemacht haben!“
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