Folge uns
.

Fankultur

Ausschreitungen beim Schalke-Sieg des 1. FC Köln: Ein vermeidbarer und unnötiger Wermutstropfen im Abstiegskampf

Beim Heimspiel des 1. FC Köln gegen Schalke, in dem sich die “Geißböcke” zumindest den Relegationsplatz sichern konnten, gab es Medienberichten zufolge Ausschreitungen von Fans. Die Schuld aber allein auf der Seite der Anhänger*innen zu suchen, erscheint dennoch zu einfach. Laut Augenzeugen hat sich auch die Polizei alles andere als deeskalierend verhalten.

Foto IMAGO

Die Freude rund um den 1. FC Köln war im Anschluss an das 1:0 gegen den FC Schalke 04 groß, allerdings nicht ungetrübt. Zum einen hatten die “Geißböcke” durch den enorm wichtigen Heimsieg, den Sebastiaan Bornauw mit seinem Kopfballaufsetzer in der 86. Minute erst sicherte, zwar den Sprung in die Relegation geschafft, aber den direkten Klassenerhalt verpasst. Zum anderen hatten die FC-Anhänger*innen die Mannschaft im Abstiegskampf vor und während der Partie lautstark und leidenschaftlich unterstützt, in der Schlussphase der Partie war es allerdings zu unschönen Szenen auf der Jahnwiese zwischen Fans und Polizei gekommen, die den Jubel über die weitere Chance auf einen Ligaverbleib dämpften.

Doch was war genau an diesem Samstagnachmittag rund um das Müngersdorfer Stadion passiert? Die Bilder im Fernsehen waren unübersichtlich. Bengalos bei der Ankunft des Busses, Tumulte beim vermeintlichen Führungstor bis hin zu Jagdszenen über die Jahnwiese, bei denen unklar blieb, wer der Aggressor gewesen war. Der “Kölner Stadt-Anzeiger” berichtet, dass die Situation beim vermeintlichen Führungstreffer der “Geißböcke” durch Sebastian Andersson überschaubar und schnell im Griff war. Nicht so jedoch nach dem letztlich entscheidenden Tor in den Schlussminuten. Die Polizei habe bereits vor Abpfiff sehr schnell nach kurzen Durchsagen eingegriffen, heißt es. Von durch Flaschenwürfe Verletzte und Medienvertretern, die gezielte Pöbeleien, Einschüchterungsversuche und gar körperliche Attacken schildern, war die Rede.

Auch interessant
Später Sieg im Nervenspiel: Der 1. FC Köln besteht die erste Prüfung

Abschlusstraining unter Polizeischutz

Bereits im Vorfeld des Endspiels war allen Beteiligten die Brisanz und die damit verbundene Spannung der Situation rund um das Heimspiel des 1. FC Köln gegen den FC Schalke 04 klar. Schon beim Heimspiel gegen den SC Freiburg vor zwei Wochen hatten sich einige hundert Fans im Bereich des Stadions eingefunden, um die Mannschaft zumindest hörbar zu unterstützen. Die Aktion verlief ohne größere Zwischenfälle. Durch das Unentschieden in Berlin verschärfte sich die Ausgangslage der “Geißböcke” derart, dass die Verantwortlichen Richtung entscheidendem Spieltag zunehmend Aktionen aus der Fanszene erwarteten. Warum man diesbezüglich eher mit strafrechtlich relevanten als mit motivierenden Aktionen am Geißbockheim rechnete, bleibt allerdings ein Geheimnis der entscheidenden Personen.

Denn bereits zum Abschlusstraining in der Vorbereitung auf das als “Endspiel” titulierte Duell gegen die Schalker sah sich die Polizei offenbar genötigt, die Spieler unter Schutz zu stellen. Laut “Geissblog” waren „ein Dutzend Einsatzwagen“ vor Ort, deren Anwesenheit letztendlich nur vorsorglich blieb, da ein größerer Fanauflauf ausblieb. Allerdings wollten die Verantwortlichen wohl auf „Nummer sicher gehen“. Noch eine Nummer sicherer wurde dann für das Spiel am 34. Spieltag geplant. Das Gelände rund um das Stadion wurde auf Vorgabe der Polizei und des Ordnungsamtes mit Bauzäunen und Sichtschutzplanen abgesichert, die Polizei kalkulierte zur Prävention und Vermeidung von Straftaten mit mehreren Hundertschaften anwesend zu sein. Dass es schwer sein würde, mit einem solchen Aufzug deeskalierend zu wirken, sollte allen Betroffenen klar gewesen sein. Aber das Hauptaugenmerk galt zuvorderst vermeintlich der Einhaltung der Corona-Schutzverordnung.

Lautstarker und leidenschaftlicher Empfang am Stadion

Eines ist klar: Entgegen anderslautender Vermutungen ist die Pandemie immer noch nicht beendet, sich auf engerem Raum wegen eines Fußballspiels zu versammeln immer noch nicht sonderlich sinnvoll. Auch der Blick an andere Standorte hat gezeigt, dass Fans die Einhaltung von Abständen, Maskenpflicht und Kleingruppen am Rande emotionaler Partien nicht allzu ernst nehmen. Dennoch: Die Situation vor dem Müngersdorfer Stadion war anwesenden Anhänger*innen zufolge zunächst sehr überschaubar und vor allem friedlich. Das Eintreffen des Mannschaftsbusses wurde mit lautstarkem Gesang, vielzähligen Ballons und dem Zünden einer Handvoll effektvoller Beleuchtungskörper gefeiert. Während des Spiels wurde weiter Krach gemacht sowie der ein oder andere Böller gezündet. Die Polizei sah keinen Grund zum Einschreiten, obwohl die Abstände zwischenzeitlich nicht mehr ganz korrekt eingehalten werden konnten. Auch die kurze emotionale Eskalation beim vermeintlichen Führungstreffer, der kurz darauf annulliert wurde, wurde seitens der Ordnungshüter eher passiv hingenommen.

Die Fangemeinde vor dem Stadion war bunt gemischt. Foto: imago images / Revierfoto

Aus für die Fans zunächst unersichtlichen Gründen änderte sich die Einsatztaktik zum Spielende hin. Ein Augenzeuge berichtet: „Ab der 80. Spielminute marschierte urplötzlich die BFE (Anm. d. Red.: Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) mit gut 50 Mann auf. Es gab zwei Durchsagen und wenige Sekunden später ist die Polizei vorgerückt und hat die Leute durch die Hecke und Zäune getrieben. Mit massivem Schlagstockeinsatz, egal ob jung oder alt. Da stand ja alles bunt gemischt“, betont der FC-Fan gegenüber effzeh.com. „Vielleicht brauchte es seitens der Polizei noch ein paar spektakuläre Bilder, die sich gut über die Medien verbreiten lassen“, spekuliert ein Augenzeuge.

“Es gab zwei Durchsagen und wenige Sekunden später ist die Polizei vorgerückt und hat die Leute durch die Hecke und Zäune getrieben.”

Offensichtlich kam das Einschreiten für alle Anwesenden sehr unvermittelt und ohne speziellen Auslöser, wenngleich die Polizei nach eigener Aussage zuvor darauf hingewiesen hatte, die Junkersdorfer Straße bei weiterem Einsatz von Pyrotechnik zu räumen. Dass zuvor bereits Leuchtfeuer und Böller gezündet wurden, die Atmosphäre in diesem Moment laut anwesender Anhänger*innen eigentlich eher ruhig gewesen sein soll: Kein Grund dafür, das eskalierende Eingreifen zu unterlassen. Doch auch von Fanseiten kam es als Antwort auf den Polizeieinsatz zu nicht zu entschuldigenden Verfehlungen, von aggressivem Auftreten, Flaschenwürfe und körperlichen Attacken ist die Rede. “Mit Beginn der Räumung warfen Randalierer aus der Menge heraus mit Glasflaschen und Knallkörpern auf die Beamten”, betont die Kölner Polizei in ihrer Pressemitteilung zum Einsatz am Samstagnachmittag.

“Die Gründe für das polizeiliche Vorgehen erschließen sich mir nicht”

Aus der aktiven Fanszene war zu vernehmen, dass man sich nach der Begrüßung der Mannschaft und des Abbiegens des Mannschaftsbusses in die Tiefgarage nicht mehr organisiert beteiligt hat, größtenteils den Heimweg antrat, um das Spiel im Fernsehen zu verfolgen und nur vereinzelt vor dem Stadion geblieben ist. Wie sich die “Gruppe von mehreren hundert Personen”, die laut Polizei Pyrotechnik gezündet und “sich eng zusammenstehend mit ihren Körpern” abgeschirmt hatten, zusammensetzte, ist nicht geklärt. Ein Mitglied des Fanclubs „Wilder-Süden“ wollte nach dem Spiel noch kurz die Jahnwiesen aufsuchen, um Impressionen zu sammeln und berichtet von schlimmen Zuständen: „Es kamen uns FC-Fans jeden Alters entgegen – von humpelnd bis am Kopf blutüberströmt – und haben uns alle unabhängig voneinander von einem überzogenen Polizeieinsatz berichtet.“

Auch interessant
Der 1. FC Köln siegt mit 1:0 gegen Schalke 04: Der große Kampf eines echten Kapitäns

In seinen Augen hatten sich am Stadion Fans aller Couleur, Familien und auch Ultras versammelt, die alle nur eins im Sinn hatten: „Unserer Mannschaft einen emotionalen Empfang zu ihrem schweren Gang ins Endspiel zu geben! Ihnen ein Kick zu liefern nach einer für alle Beteiligten sehr leidvollen Corona-Saison ohne jegliche Einbindung von Zuschauer”, so der Augenzeuge, dem das Vorgehen der Polizei ein Rätsel ist: „Die Gründe für das polizeiliche Vorgehen erschließen sich mir nicht. Zum Beispiel, warum nun im Anschluss an den Siegtreffer eine Räumung der ohnehin schon seit 13 Uhr für den Durchgangsverkehr gesperrten Straße vorgenommen wurde. Offenbar wurden die Fans von der imposanten Polizeikulisse nun aufgefordert, die Straße und den Parkplatz an der Jahnstraße zu räumen. Hier wurde nicht gezögert, mit einer Härte zu agieren, die für die verbleibenden feiernden Fans unverhältnismäßig erscheint. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, wo jeder FC-Fan in höchster Anspannung dem Schlusspfiff entgegenfiebert.“

Nicht nur in Köln hartes Durchgreifen

Schon im Vorfeld der FC-Partie schien für viele Anhänger*innen nicht erst im Rückblick auf die Ereignisse der entsprechende Ton seitens der Polizei gesetzt worden zu sein. “Wie immer das Spiel um den Klassenerhalt für den 1. FC Köln auch ausgehen mag: Wir wissen, dass in der Kölner Fußballszene die Nerven blank liegen. Ich habe Verständnis für sportliche Emotionen am Saisonende. Die eingesetzten Polizistinnen und Polizisten werden genau hinschauen, um drohende Auseinandersetzungen früh zu erkennen und zu unterbinden. Eine Missachtung von Corona-Abstandsregeln und eng zusammenstehende Fußballanhänger ohne Mund-Nasen-Bedeckung werden wir auch nicht ohne weiteres hinnehmen. Was für die durch das Grundgesetz geschützten Versammlungen an diesem Tag gilt, muss auch für ein zugegebenermaßen hochemotionales Fußballspiel gelten”, hatte Kölns leitender Polizeidirektor Michael Tiemann am Tag vor dem entscheidenden Spiel angekündigt.

Dass daraufhin mit etwa 400 Beamten das Treiben einer knapp vierstelligen Anzahl FC-Fans begleitet wird, wirkte laut Anwesenden von Beginn an nicht sonderlich deeskalativ. Auch aus anderen Städten gibt es im Rahmen des 34. Spieltags entsprechende Berichterstattung. In Bochum griff die Polizei bei einer Versammlung von ein paar tausend Fans auf dem Kirmesplatz an der Castroper Straße ein. Aus Sicht vieler beteiligten Fans auch hier unnötigerweise, auch hier gibt es Klagen über fehlende Verhältnismäßigkeit des Einsatzes. Es ist spekulativ, was hier und dort ohne ein Eingreifen der Polizei geschehen wäre. Der Eindruck, dass dieses Einschreiten allerdings auch eine übertrieben wirkende Machtdemonstration gewesen sei, ist schwierig von der Hand zu weisen. Ob das alles im Rahmen des Spiels nötig gewesen sei, diese Frage dürfen sich allerdings alle Beteiligten gefallen lassen.

Mehr aus Fankultur

.