Auch wenn der 1. FC Köln bei BATE Baryssau wieder einmal enttäuschte: Die Reise nach Weißrussland war für die Fans eine spannende wie lohnende Erfahrung.
Mucksmäuschenstill war es im Bus, der die Fans des 1. FC Köln von Baryssau nach Minsk brachte. Schier endlos schien die Kolonne an Fahrzeugen, die begleitet von jeder Menge Polizei auf der Landstraße zurück Richtung Hauptstadt fuhren. Einige nutzten den Transport zum kurzen Powernap, andere blickten stumm in die Dunkelheit hinaus – über das zuvor gesehene Spiel diskutierte längst keiner mehr.
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Ein sportlicher Offenbarungseid lag abermals hinter den Anhängern. Es ist längst zu Tode diskutiert, dass diese Mannschaft leider nicht ansatzweise gut genug für die anstehenden Herausforderungen ist. Zwischendurch taten einem die elf Akteure auf dem Platz in der nicht ansatzweise ausverkauften Borisov-Arena sogar leid: Das Bemühen war ihnen nicht abzusprechen, die hilflosen Offensivversuche waren allerdings alles andere als schön anzusehen. Das Niveau der Partie war dem trostlosen Ambiente irgendwo im weißrussischen Wald angemessen – und hätte auch eine Drittliga-Begegnung beim SV Wehen Wiesbaden sein können.
Ein Europapokal-Motto aus der Mottenkiste
Dass es der effzeh wieder einmal schaffte, auch das nächste Duell gegen einen sportlich nicht sonderlich berauschenden Gegner zu versemmeln, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Insbesondere die letzte Viertelstunde nagte an der Laune der mitgereisten Anhänger: Körpersprache und Leistung wirkten zum Davonlaufen, ein sportlich nennenswertes Aufbäumen fand leider kaum statt. Die Fans, auf unterschiedlichsten Wegen aus Deutschland zum zweiten Europa-League-Auswärtsspiel gepilgert, quittierten es mit einer Melange aus beinahe hilfloser Unterstützung, wütendem Anschreien („Wir woll’n Euch kämpfen sehen!“) und beißendem Spott. Dass das Murren aus der Kurve die Spieler traf und diese sich darüber beschwerten, sorgte für weiteren Unmut der bis dato äußerst leidensfähigen Schlachtenbummler.
Die Laune ließ sich der abermals zahlreich mitgereiste Jeckentross davon allerdings nicht dauerhaft vermießen: In Minsk machten die Fans die Nacht erneut zum Tage und enterten sanges- und trinkfreudig die entsprechenden Etablissements. Es gilt halt einen Ruf zu verteidigen: „Wir fahren weit, wir saufen viel – und wir verlieren jedes Spiel!“ schallte es inbrünstig aus vielen Kehlen – es schien, als hätten die effzeh-Fans nachträglich noch ein Motto für den Europapokal-Abstecher ihres Vereins aus der Mottenkiste gezaubert. Wenn halt sportlich schon nichts geht, so die Einstellung, dann machen wir uns das Leben eben anderweitig gemütlich. На здароўе Мiнск – die fast zwei Millionen Menschen fassende Metropole ließ sich während des Kölner Abstechers wahrlich nicht lumpen.
Verständnisprobleme im Polizeistaat
Es war eine Reise in eine eigenartige Stadt: Die Innenstadt besticht einer totalitären Diktatur angemessen durch zahlreiche Protz-, Prunk- und Prachtbauten – allein die für Epileptiker lebensgefährliche Beleuchtung der Nationalbibliothek würde hierzulande vermutlich für Klagewellen bis Karlsruhe sorgen. Die Menschen dagegen empfingen die kölsche Delegation äußerst gastfreundlich, auch wenn so manch ein Weißrusse auch nach mehrmaligen Hinweisen nicht zu verstehen schien, dass der Kölner an sich eher kein Fachmann in Sachen einheimischer Sprache ist. Im Gegenzug dazu half selbst rheinisch-englisches Kauderwelsch den effzeh-Touristen häufig nicht weiter – harmlose Situationskomik garantiert. Freundlich lächeln und nicken: International akzeptiertes Zeichen für „Ich habe keine Ahnung, was du gesagt hast – aber es werden schon keine schweren Beleidigungen über meine Mutter gewesen sein!“
Ähnlich aufgeräumt wie die Straßen der Hauptstadt (sogar um zwei Uhr nachts laufen dort noch Straßenreiniger durch die Gegend!), aber deutlich spaßbefreiter kam derweil der Staatsapparat daher: Nahezu an jeder Ecke ist Polizei und/oder Militär präsent, einige zivil gekleidete Personen zeigten doch ein unangenehm starkes Interesse an den Vorgängen in ihrer näheren Umgebungen. Wenig verwunderlich, dass sich die Miene der einheimischen Bevölkerung doch deutlich verändert, sobald ein Polizist auftaucht. Aus heiterem Lachen untereinander und mit diesen komischen jungen Leuten aus Deutschland wird selbst im Fern- und Schlafzug nach Baryssau eisiges Schweigen und gesenkte Blicke. Dass damit nicht zu spaßen ist und ein Trip nach Weißrussland etwas anderes ist als ein Auswärtsspiel in Frankfurt oder Hannover dürften die meisten spätestens nach der ersten semi-lustigen Aktion gemerkt haben. Dass bei Ein- und Ausreise der Reisepass im wahrsten Wortsinne unter die Lupe genommen wird, hätte ein erstes Warnzeichen sein können, Freunde!
Konstantin Rausch, Superstar!
Dennoch: Die effzeh-Fans gaben ihr Bestes, um zur Völkerverständigung beizutragen. Dass so manche weibliche Person im Raum eher auf harte Devisen denn auf den tollen Charakter des Kölner Anhangs scharf zu sein schien, hatte sich schnell herumgesprochen. Für mehr Verwunderung sorgte dagegen die schier grenzenlose Verehrung der weißrussischen Fußball-Fans für Konstantin Rausch. Kein Witz: Der Kölner Linksverteidiger, unter den effzeh-Anhängern jetzt eher mit schwerem Standing, scheint in Belarus eine ziemlich große Nummer zu sein. Hielten viele die Anmerkung, dieser oder jene Spieler sei bei BATE ein Star wie bei uns Kocka Rausch, noch für Ironie, musste dieses Urteil nach kurzer Zeit zu den Akten gelegt werden. Ich wiederhole noch einmal: In Weißrussland ist unser Flankengott eine richtig große Nummer. Unglaublich, aber wahr!
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Ebenso unglaublich, aber wahr: Ohne Stimme, aber mit beiden Nieren ging es dann auch wieder zurück nach Köln. Während sich in Bayrssau der Winter schon mit eisigem Wind ankündigte und für ordentlich Zittern sorgte, wartete in der heimischen Domstadt herrliches Sonnenwetter in einem tollen Herbst. Frostig sehen dagegen die sportlichen Aussichten bei den “Geißböcken” aus. Die Tabellensituation ist desaströs, das Verhältnis zwischen Fans und Mannschaft derzeit enorm angespannt. Ob der Rückhalt, der von den Tribünen in den vergangenen Wochen kam, auch in einer kritischen Situation am Sonntag halten wird, ist fraglich. Den Geduldsfaden, der am Donnerstag offensichtlich gerissen ist, wieder zusammen zu nähen, wird die schwere Aufgabe in der Anfangsphase der Partie. Vielleicht singen die Fans dann eher “Das hat mit Fußball nichts zu tun”.