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Interviews

“Ich bin Fan des 1. FC Köln, nicht von Bielefeld.”

Tobias Kaufmann, CvD des Kölner Stadt-Anzeigers, über die Ära Overath, die Neuausrichtung und das, was vom FC zu erwarten ist. Als Fan.

© Christoph Hennes

© Christoph Hennes

Er ist der “Chef vom Dienst” des Kölner Stadt-Anzeigers, Kolumnist, Blogger, Stammtalker bei Ralf Friedrichs FC-Stammtisch und seit 87 FC-Fan. effzeh.com fragte ihn, als Fan,   was vom “neuen” FC zu halten ist, wie seine Erwartungen sind und wie er die letzte Saison verarbeitet hat. Dabei kamen manch überraschend, ehrliche Antworten heraus.

effzeh.com : Man kennt dich natürlich als CvD vom Kölner Stadt-Anzeiger, aber auch durch Deine regelmäßigen Auftritte bei Ralf Friedrichs FC-Stammtisch. Leider wurde  dort nie die Frage beantwortet, wie Du eigentlich zum FC kamst?

Kaufmann: Wie viele andere Fans auch kann ich das nicht mehr mit absoluter Sicherheit sagen. Es hat sich aber eine kleine Legende in meinem Gedächtnis abgelegt, die ich auch mal in einem Text im „Stadt-Anzeiger“ erwähnt habe. Ich stamme aus dem Rheinland, bin aber in Niedersachsen aufgewachsen. 1987, ich war elf, besuchte ich meinen Onkel in Köln, der mir bei der Sportschau mitteilte, dass ich gefälligst Fan des 1. FC Köln zu sein hätte. Den Rest hat dann Litti erledigt. Ich war als Kind immer der Kleinste im Fußballverein, aber wendig und dribbelstark – Litti war entsprechend mein Vorbild. Und mehr FC als Pierre Littbarski geht ja kaum. 1988 war ich jedenfalls schon Fan, 1989 habe ich wegen der verpassten Meisterschaft dem lieben Gott die Gefolgschaft gekündigt und 1990 war ich dann erstmals im Müngersdorfer Stadion. 3:0 gegen Gladbach. Ich kann’s selbst kaum glauben.

effzeh.com : Wie tief sitzt der Abstiegsschock bei Dir noch? Und ab wann hast Du dich schon mit diesem Thema befasst. War es wirklich erst beim letzten Heimspiel gegen die Bayern?

Kaufmann: Ein Schock ist es nicht mehr, aber die Narbe ist da und schmerzt jeden Tag. Für mich war nach dem Sieg gegen Hertha zu 100 Prozent klar, dass wir drinbleiben. Vier Wochen vor Saisonende war ich sicher, dass wir in die Relegation müssen, und habe mir einen Nichtabstiegsbart stehen lassen. Ich sah aus wie ein Taliban, am Ende – aber was tut man nicht alles? Nach dem Spiel in Freiburg war mir klar, dass wir absteigen, weil ich keine Sekunde an Schützenhilfe aus Hoffenheim geglaubt habe und der Auftritt im Breisgau ein absoluter Offenbarungseid war.

effzeh.com: Aus Enttäuschung wird ja oft Wut. Gerade dann, wenn immer mehr ans Tageslicht kommt, was damals in der Overath-Ära alles schief gelaufen ist. Wie resümierst Du die 7 Jahre?

Kaufmann: Ich bin Mitglied und habe Overath nicht gewählt, kein einziges Mal. Ich habe diese humorlose, egozentrische Art von ihm nie gemocht und die Art, wie die Opposition in dem Jahr vor dem Rücktritt behandelt wurde, war eines Vereins mit mehr als 50.000 Mitgliedern unwürdig. Ich habe auch nie verstanden, warum der 1. FC Köln 30 bis 50 Prozent mehr ausgeben muss, um das sportliche Level von Freiburg, Hannover oder Mainz zu erreichen. Einräumen muss ich aber, dass die Rückkehr von Christoph Daum, unserem Trainer aus meinen Anfangsjahren als FC-Fan, mich zwischendurch vermutlich etwas verblendet hat. Da habe ich schon gedacht, wir werden nochmal der große Klub, der wir mal waren. Daum habe ich falsch eingeschätzt. Von Meier und Overaths Truppe aber habe ich nie etwas gehalten. Wütend macht mich heute, dass auch letzte Saison, als diese Ära eigentlich erledigt war und uns vermittelt wurde, Horstmann und Finke seien ein seriöses, cleveres Profi-Gespann, derselbe Irrsinn herrschte wie in den Jahren zuvor.

effzeh.com : Das neue Präsidium um Werner Spinner  ist noch nicht lange im Amt, als FC-Mitglied merkt man aber schon einen himmelweiten Unterschied in Sachen Kommunikation und Transparenz. Wie stehst Du zum neuen Dreigestirn? Toni Schumacher zum Beispiel wird ja von vielen durchaus kritisch gesehen.

Kaufmann: Ich finde gut, dass Spinner sich das Thema „Neue Satzung“ vorgenommen hat und nicht so von oben herab kommuniziert. Ehrlich gesagt übertreiben sie es momentan aber ein bisschen. Ich muss nicht jede Woche einen Newsletter bekommen, in dem das Präsidium mich duzt und mir mitteilt, dass die Saison anfängt oder in dem es die Finanzen und die Strategie des Clubs darlegt. Die Klubführung soll mir nicht erzählen, was es für Probleme gibt, sondern sie soll sie lösen. Da mein Torwartidol Bodo Illgner war, kann ich Schumacher völlig entspannt beobachten. Der Auftritt bei der Mitgliederversammlung war stark, aber ich finde, er redet zu oft von früher. Diese von-früher-reden ist nichts, was dem 1. FC Köln gut tut.

effzeh.com : Seit diesem Präsidium ist der FC plötzlich „jung“. Findest Du ihn jetzt attraktiver oder andersherum, hätte man diesen Schnitt nicht viel früher wagen sollen, als auf alle Maniches und Womés dieser Welt zu setzen? Schon damals, als man noch nicht so viele Verbindlichkeiten hatte?

Kaufmann: Der 1. FC Köln ist immer attraktiv für mich, egal ob jung oder nicht. Ich bin kein Fan davon, immer von einem Extrem ins andere zu fallen. Leider ist das etwas, das zum FC und zu Köln gehört. Ausgerechnet Mitte der Neunziger, als die Champions League sich abzeichnete und klar wurde, dass sich im europäischen Fußball eine Elite bilden würde, die auf Jahrzehnte uneinholbar sein wird, ausgerechnet da hat der 1. FC Köln angefangen zu sparen. Will sagen: als man im Europacup richtig Kohle scheffeln konnte, haben wir das Risiko gescheut, das nötig war, um mitzuscheffeln. Das Ergebnis kennen wir: der 1. FC Köln ist kein Spitzenclub mehr und wird das vielleicht nie mehr werden, während Vereine wie Dortmund, Stuttgart, Schalke und selbst Bremen an uns vorbeigezogen sind. Dann kam die Ära Overath, in der in totaler Umkehrung der vorherigen Strategie Jahr für Jahr Geld im Vorgriff auf kommende goldene Zeiten ausgegeben wurde. Dabei wurde aber völlig ignoriert, dass eine solche Strategie nur funktionieren kann, wenn man Transferwerte schafft. Der 1. FC Köln ist ein Klub, der – anders als Mainz – in der Lage gewesen wäre, mehr als einen Transfer der Marke Geromel zu stemmen. Statt dessen wurden ständig Spieler geholt, die man nicht gewinnbringend weiterverkaufen kann. Siehe Womé, Mondragon, Maniche, Petit oder auch Riether. Beim FC bekommen zu viele Profis den letzten großen Vertrag ihrer Karriere, statt den ersten oder zweiten. Und wenn man hätte Gewinn machen können, haben wir drauf verzichtet. Siehe Geromel. Das zweite Desaster ist, dass wir es in vier Jahren Kaderplanung nicht hinbekommen haben, unsere bekannten Baustellen zu schließen. Letzte Saison hatten wir acht Sechser im Kader, aber keinen dritten Bundesliga-Stürmer und nur vier Spieler für die defensiven und offensiven Außenbahnen. Der jetzige Schnitt ist nichts, was jemand „gewagt“ hat, er ist alternativlos, weil wir uns eine andere Mannschaft gar nicht leisten können. Wenn das anders wäre, hätte ich immer dafür plädiert, im ersten Jahr nach dem Abstieg wie Frankfurt oder Hertha die beste Mannschaft der Liga ins Rennen zu schicken. Die Zweite Liga ist keine Liga, in der sich ein Klub wie der 1. FC Köln heilen kann.

effzeh.com : Findest du die Herangehensweise in Sachen Rensing/ Geromel/Nova clever, oder hättest Du dir einen saubereren Cut gewünscht, wobei sich natürlich die Frage stellt, ob der Cut in irgendeiner Weise „dirty“ war?

Kaufmann:Der Hass, der Spielern wie Geromel und Novakovic in Köln zum Teil entgegenschlägt,  gefällt mir nicht. Beide haben für diesen Klub einiges geleistet, bei Geromel haben wir doch über Jahre „Fußballgott“ bei der Nennung der Aufstellung geschrien. Im menschlichen Bereich ist das so nicht sauber. Sportlich und finanziell ist der Cut aber richtig. Wobei auch hier das FC-Management nun eigene Fehler ausbadet. Volker Finke hat in einem großen Interview im „Stadt-Anzeiger“ mal verkündet, der FC müsse endlich  Transferwerte schaffen und auch mal jemanden gewinnbringend verkaufen. Aber derselbe Finke hat Geromel vor der letzten Saison nicht verkauft und Novakovic, einem oft verletzten Spieler jenseits der 30, einen Rentenvertrag gegeben. Nova jetzt vorzuwerfen, dass er den unterschrieben hat, ist nicht korrekt.

effzeh.com : Mit Solbakken kam ein sogenannter „Konzept-Trainer“ , was auch immer das heißen mag. Wie ordnest Du Stani ein und was für erste Eindrücke hast Du von ihm?

Kaufmann: Bei ersten Eindrücken bin ich vorsichtig. Ich fand Solbakken als Typ klasse und ich mag Stanislawski als Typ. Seine Art, Fußballspielen zu lassen, mag ich: Voll draufgehen, auch mal dazwischenhauen, statt sich mit diesem Systemscheiß einzuschläfern. Aber ob es am Ende reicht und passt, weiß ich nicht. Nach dem Intermezzo in Hoffenheim habe ich leise Zweifel. Andererseits fand ich von Anfang an, dass Stanislawski da nicht hinpasst. Klopp in Wolfsburg wäre ähnlich grotesk.

effzeh.com : Große Transfersprünge kann der FC sich nicht leisten. Wie ordnest Du die Neuzugänge ein  und wo besteht, deiner Meinung nach, noch Bedarf?

Kaufmann: Maroh ist ein Supertransfer. Lehmann passt auch, glaube ich. Die anderen kann ich noch nicht beurteilen. Ich habe die Zweite Liga in den letzten Jahren nicht genug verfolgt, um einschätzen zu könne, ob Thomas Bröker entscheidend besser ist als damals, als es für den FC nicht mehr reichte. Meines Erachtens fehlt ein Stürmer, vor dem die Gegner Angst haben. Den braucht man in der Zweiten Liga.

effzeh.com : Es scheint die Kölner seien nach diesem Abstieg endlich geerdet. Kaum einer redet vom Aufstieg, alle geben diesem Neuanfang eine Chance. Wo siehst du den FC in einem Jahr?

Kaufmann: Ach, ich weiß gar nicht, ob die Kölner vorher nicht geerdet waren. Das ist so ein Vorurteil, das man sich als FC-Fan immer anhängen lassen muss. Ich kenne niemanden, der in den vergangenen vier Jahren ausgetickt wäre und von Titeln geträumt hätte. Natürlich ist es gut für die Mannschaft, wenn im Umfeld Realismus herrscht. Aber mal im Ernst: Wir sind der 1. FC Köln, wir sind die größte Nummer in dieser Liga, für jeden Klub ist das Heimspiel gegen uns die Attraktion der Saison – egal, wer unser Trikot trägt und wie viele Schulden wir haben. Ja, es stimmt: Hertha, 1860 und der FCK sind sehr stark und es kann gut sein, dass wir nicht aufsteigen. Trotzdem erwarte ich, dass wir nächste Saison wieder Erste Liga spielen. Diesen Anspruch werde ich nie aufgeben. Ich bin Fan des 1. FC Köln, nicht von Arminia Bielefeld.

Vielen Dank für das Interview, Tobias.

Tobias Kaufmanns aktuellen Text, über die kommende Saison,  findet ihr hier.

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