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Kolumnen

WM Serie: Kolumbiens emotionaler Oldie

Ein brodelnder Vulkan, ein mit allen Wasser gewaschener Profi, der erste südamerikanische Torwart in der Bundesliga, Jesus von Kolumbien. Oder einfach: Faryd Mondragon.

Die Fußballweltmeisterschaft ist neben den Olympischen Spielen das größte Sportereignis der Welt. Für die Vereinsmannschaften bedeutet das vor allem eines: Ruhe. Wir verweilen währenddessen aber nicht in den Liegestühlen und erinnern uns an FC-Helden oder Nicht-Helden aus den jeweiligen WM-Nationen. Heute: Der verratene Publikumsliebling mit eigenem Butler, Faryd Mondragon.

 Kolumbien – Griechenland, 14.06.2014, 18:00 Uhr, Estadio Mineirao, Belo Horizonte, Gruppe C   

Wenn der US-Amerikaner Mark Geiger an diesem Samstag die Partie zwischen Kolumbien und Griechenland anpfeift, dann beginnt für Faryd Mondragen die dritte Weltmeisterschaft seiner langen Karriere. Am 21. Juni 2014 wird der Torhüter 43 Jahre alt! Damit ist „Mondi“ nicht nur der älteste nominierte Spieler bei dieser WM, er ist sogar älter als die Trainer Niko Kovac (Kroatien) und Sabri Lamouchi (Elfenbeinküste). Sollte Kolumbiens Nummer 22 bei diesem Turnier zum Einsatz kommen, würde er sogar den ewigen Roger Milla als ältesten Spieler bei einer Weltmeisterschaft ablösen. Doch danach sieht es nicht aus. Mondragon ist hinter David Ospina zweiter Mann im WM-Aufgebot von Trainer José Pekerman, verletzte sich zudem unter der Woche im Training. Für den Oldie ist es bereits das zweite große Turnier, das er als Zuschauer erlebt. Schon 1994 in den USA war Mondragon Ersatzmann, damals hinter Oscar Cordoba. Nur 1998 in Frankreich durfte der lange Schlacks zwischen die Pfosten, musste mit einer eigentlich stark eingeschätzten kolumbianischen Mannschaft aber schon nach der Vorrunde die Segel streichen.

Die schlaflosen Nächte des Sandor Torghelle

Doch nicht nur den Fußball in seinem Heimatland hat Mondragon, der seine Karriere bei Asociacion Club Deportivo Cali begann und wo er seit 2012 auch wieder spielt, geprägt. Auch die Fans des 1. FC Köln hatten das Vergnügen, den soliden und stets unterhaltsamen Schlussmann kennenzulernen. Es war der Sommer des Jahres 2007, als Christoph Daum Mondragon in die Domstadt holte. Er kannte den Keeper aus seiner Zeit bei Fenerbahce, denn Mondragon hielt sechs Spielzeiten lang für Stadtrivale Galatasaray, spielte dort unter anderem gemeinsam mit Franck Ribery und Rigobert Song. Aus seiner ersten Saison beim FC ist vor allem eine Szene im Gedächtnis geblieben: Im Heimspiel gegen Carl Zeiss Jena liegt der kriselnde Aufstiegsaspirant zehn Minuten vor dem Ende mit 2:3 zurück. Die Gäste wechseln aus, die Nummer 14 verlässt den Platz und hat beim Weg zur Bank natürlich alle Zeit der Welt.

Das ruft Mondragon auf den Plan: Der FC-Keeper eilt aus seinem Kasten und sprintet mit weit aufgerissenen Augen auf Zeitschinder Sandor Torghelle zu und schubst ihn Richtung Seitenlinie. Der Ungar erleidet mutmaßlich den Schock seines Lebens, Mondragon wird von Schiri Fleischer verwarnt und der DSF-Kommentator grölt: So einen Verrückten habe es beim FC seit Toni Schumacher nicht mehr gegeben. Während Torghelle wohl noch heute von Mondragons Pranken träumt und jede Nacht schweißgebadet aufwachen dürfte, hat die Aktion damals auch bei seinen Mitspielern Wirkung hinterlassen und sorgte dafür, dass Chihi ein Tor schießen durfte, sich Keeper Jensen den Ball selber ins Nest legte, der FC am Ende mit 4:3 gewann und am Saisonende über den Aufstieg jubeln durfte. Das Ziel war erreicht und Mondragon durfte sich erster südamerikanischer Stammtorhüter in der Bundesliga nennen.

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Wie ein Messer im Rücken

Doch nicht nur auf, sondern auch abseits des Platzes war Mondragon immer für eine Überraschung gut. Ins Trainingslager nach Belek ließ er sich im Winter 2010 einen eigenen Physiotherapeuten einfliegen, dem er dann auch gleich eine komplette Suite buchte. Mit seinem Freund Reginaldo, präsentierte Mondragon sogar einen eigenen „Butler“, der ihm das Leben in Köln erleichtern sollte. Zuvor war Reginaldo beim FC angestellt gewesen, kümmerte sich dann aber nur noch um den Torwart. Im Dezember 2010 kam es schließlich zum Streit zwischen Mondy und Coach Zvonimir Soldo, der seiner Nummer eins eine Länderspielreise in die USA verwehren wollte. Auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz sprach der Schlussmann davon, dass er “ein Messer im Rücken” spüre und verglich seine Situation mit der von Jesus Christus, der ebenfalls verraten worden sei. Mondragon verließ den FC schließlich in Richtung Major League Soccer und inszenierte einen tränenreichen Abschied samt Ehrenrunde mit seinen Kindern.

Mondragon Schalalalalala

Was den FC-Fans bleibt, ist die Erinnerung an einen leidenschaftlichen, sympathischen Menschen, der seinen Job immer sehr ernst nahm und den Verein sogar vor allzu kritischen Journalisten verteidigte. Nicht umsonst war der Kolumbianer ein Publikumsliebling, der sich nach einem Sieg in Cottbus in die Herzen der Fans tanzte. Als Torwart unspektakulär aber solide, hatte er in seiner kölschen Zeit Anteil daran, dass der Klub erstklassig spielte. Geschichten über Passfälschung, Mietskandale oder Betrügereien bei Spielervermittlungen trüben jedoch das Gesamtbild. Nichtsdestotrotz könnte sich Faryd Mondragon in Brasilien einen großen Traum erfüllen: Es braucht nur einen Einsatz und der bald 43-Jährige ginge in die Geschichte des Weltfußballs ein.

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