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Kolumnen

WM Serie: Köln und seine Brasilianer

Versucht haben es genug, geschafft hat es nur einer: Die Geschichte der kölschen Brasilianer mit dem Godfather of Transferflop und einer sehr sehr schlechten Version von Diego Costa.

© effzeh.com

  Brasilien – Kroatien  12.06.2014 ,22:00 UhrArena Corinthians, São PauloGruppe A    

Die Fußballweltmeisterschaft ist neben den Olympischen Spielen das größte Sportereignis der Welt. Für die Vereinsmannschaften bedeutet das vor allem eines: Ruhe. Wir verweilen währenddessen aber nicht in den Liegestühlen und erinnern uns an FC-Helden oder Nicht-Helden aus den jeweiligen WM-Nationen. Heute: Die unglückliche Ehe zwischen dem Effzeh und Spielern des Gastgeberlandes.

Es gibt ja nicht wirklich viele Dinge, um die wir das Werksteam auf der anderen Seite beneiden. Auch wenn Bayer Leverkusen seit fast 20 Jahren besseren Fußball spielt als der Effzeh und schon einmal fast die Champions League, fast die Meisterschaft und fast den DFB-Pokal gewann, wirkt es noch immer so, als sei man im Chemiestädtchen neidisch auf den rheinischen Rivalen: Mehr Fans, geilere Fans, tolleres Stadion, mehr Charme, mehr Tradition – es sind zumeist Dinge, die man sich nicht kaufen kann. Und so lässt es sich als Kölner doch ganz lässig herüberschauen in die angrenzende Kleinstadt.

Zu den wenigen Dingen, um die man die Leverkusener aber noch immer beneiden kann, ist der Kauf grandioser brasilianischer Spieler. Emerson, Ze Roberto, Lucio, Juan, Jorginho, Tita – die Liste von Weltklasse-Brasilianern made by Bayer ist lang und irgendwie wirkte es in der Neuzeit immer so, als wolle der Effzeh in dieser Kategorie krampfhaft nachziehen. Der Erfolg? Eher marginal vorhanden. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich in Brasiliens aktuellem WM-Kader kein Spieler mit FC-Vergangenheit befindet. Die verfehlte Transferpolitik hat Geschichte…

Die Innovation Zeze (1964-1965)

Die rot-weißen Götter waren ja seit jeher innovativ. Das erste lebende Maskottchen aller Bundesligateams, der erste Millionentransfer der Ligageschichte, das erste Social Hub eines Fußballvereins – all das stammt aus der schönsten Stadt jenseits der Sonne. Völlig logisch natürlich, dass Franz Kremer persönlich dafür verantwortlich, den ersten Brasilianer der Bundesligahistorie zu verpflichten: José Gildon Rodriguez, der sich Zeze nannte, weil sich Brasilianer damals schon nicht einfach „Jose Rodriguez“ nannten, sondern einen Künstlernamen hatten, weil sie nun einmal Künstler waren.

Der Stürmer kam 1964 mit dem Bananendampfer im Kölner Hafen an, kostete die damals stattliche Summe von 150.000 DM und entwickelte sich zum „Godtfather of Transferflop“. Vor allen gescheiterten Brasilianern, Argentiniern und Balkanbombern stand Zeze, den viele Kölner in ihrer bescheidenen Art schon als neuen Pele erwartet hatten. Das war nicht der Fall, Zeze war weiß, hatte Angst vor Schnee (ein spanischer Arzt attestierte ihm sogar eine Schnee-Allergie), machte fünf Spiele und verschwand wieder zurück nach Brasilien. Wenigstens sagte er Jahre später im Express: „Hier verbachte ich die schönste Zeit meines Lebens.“

Die Dürreperiode (1965-1999)

Der Schock über die Transferpanne saß offenbar enorm tief, da sich der Verein fortan überhaupt nicht mehr traute irgendeinen Brasilianer zu verpflichten. Während Giovanne Elber, Paulo Sergio und Carlos Dunga in der Bundesliga für Aufsehen sorgten, debütierte mit Luciano Emilio 33 Jahre nach Zeze der zweite Brasilianer im FC-Dress.

Auch wenn das Konzept, den jungen Emilio früh aus Brasilien zu holen und in der Jugendmannschaft aufzubauen, clever war, schlug Emilio überhaupt nicht ein. Immerhin machte er in seinen zwei Jahren ein Spiel mehr als Zeze.  Später sollte der Stürmer sein Glück in Honduras und vor allem in der USA finden, wo er 2007 bester Spieler und Torschützenkönig mit D.C. United wurde und deshalb für einen kölschen Brasilianer sogar eine verhältnismäßig ruhmreiche Laufbahn hinlegte.

Die Fluktuation (2006-2014)

Nachdem Emilio beim Effzeh geflopt hatte, begann unter Rainer Calmund in Leverkusen die Phase der Über-Brasilianer. Diese stachelte die FC-Verantwortlichen dazu an, selbst auch einmal in diesem Bereich tätig zu werden. Vielmehr stachelte dies einen Mann an: Michael Meier. In seiner unnachahmlichen Weise versuchte der Kölner Manager mit blindem Eifer wahllos Brasilianer an Land zu ziehen, die den Verein nach vorne bringen sollten.

Noch vor Meiers Amtsantritt hatte der FC sich in der Winterpause 2005 Innenverteidiger Fabio Bilica (auf deutsch: Fabio Lutscher) geholt, der in der Zweitligarückrunde zum Stammspieler unter Huub Stevens wurde und eine solide Saison spielte. Als Meier und Rapolder kamen, musste Bilica aber nach nur einem Jahr gehen. Meier Brasilienexperimente begannen dann 2006 mit Evanilson, den dieser noch aus seiner Zeit in Dortmund kannte, wo Evanilson Aparecido Ferreira zu einem der besten Außenverteidiger der Liga avancierte und sogar für die Selecao berufen wurde. Blöd nur dass zwischen seinem letzten Jahr in Dortmund und dem ersten Jahr in Köln mehrere schwerwiegende Verletzungen, ein Rechtsstreit und ein rapider Leistungsabfall lagen. Evanilson machte halb so viele Spiele wie Luciano Emilio und verabschiedete sich nach einem Jahr wieder. Shit happens.

© effzeh.com

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Das konnte man so natürlich nicht auf sich sitzen lassen, folglich wurde im anschließenden Jahr eine große Transferoffensive gestartet. Mit Andre Oliveira, Tiago Fernandes Cavalcanti und Fabio Luciano kamen gleich drei Brasilianer. Letzterer war ein erfahrener Legionär, der das machte, was schon einige erfahrene Legionäre in Köln gemacht haben: 12 ganz gute Spiele machen, gutes Gehalt kassieren und wieder gehen. Die beiden Erstgenannten erhielten einen Fünfjahresvertrag (!!) und standen zusammengenommen in 26 Spielen auf dem Feld. Während André noch wie ein typischer Superbrasilianer (klein, wendig, große Zahnspange) aussah, war Tiago eine sehr sehr schlechte Version von Diego Costa. Die Gemeinsamkeiten beider Spieler? Doppelte Staatsbürgerschaft (Spanien, Brasilien), bullige Spielweise. Die Unterschiede: Tiago spielt heute bei irgendeinem America FC, Diego Costa bald beim FC Chelsea. Tiago wirkte immer sehr behäbig, machte sechs Spiele in Köln und reiste anschließend durch die Welt. Andre spielte nicht wirklich besser und wurde erst ausgeliehen und dann verkauft.

Den letzten Supertransfer (zur einzigen Ausnahme gleich mehr) landete Meier dann mit Andrezinho. Der Rechtsverteidiger konnte letztendlich auch nichts dafür, aber er wurde komplett unfit und mit einer mysteriösen Verletzung verpflichtet. Trotzdem debütierte er am dritten Zweitligaspieltag 2010, wirkte immer so, als würde er lieber als rechter Außenstürmer spielen und zog sich irgendwann nach 15 mehr oder weniger okayen Spielen einen Kreuzbandriss zu.

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Die Bilanz der acht genannten Brasilianer im FC-Dress zusammengerechnet? Sie spielten durchschnittlich etwas mehr als ein Jahr beim Effzeh, machten im Schnitt zehn Spiele und erzielten alle zusammen ein Tor.

Eine furchterregende Bilanz. Aber frei nach dem Motto „Auch das blindeste Huhn findet mal ein Korn“  haben es die Verantwortlichen mit Hilfe von Sportslab und Co dann doch geschafft.

Die Ausnahme (2008-2012)

Angesichts der Sehnsucht nach einem brasilianischen Star schon schnell als Fußballgott von den rot-weißen Fans ins Olymp gehoben, war Pedro Geromel wenigstens für drei Spielzeiten Leistungs- und Sympathieträger einer stets merkwürdigen Kölner Mannschaft.  Unter Stale Solbakken wurde er sogar Kapitän, was traurigerweise auch einherging mit seinem Niedergang in Köln.

Nach dem Abstieg 2012 verließ er den Effzeh gen Mallorca und ist mittlerweile im glücklichen Hafen bei Brasiliens Klub Gremio angekommen. Da der ehemalige Abwehrchef noch immer einen Vertrag bis 2016 in Köln hat, wollen wir diese Geschichte an dieser Stelle einmal nicht zu ende schreiben, ebenso wenig wie die von Bruno Nascimento, dem zehnten und bis zu diesem Zeitpunkt letzten Brasilianer im FC-Dress.

 

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