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Kolumnen

WM Serie: Ein holländischer General

Er galt als “harter Hund” und knorriger Typ. Sein Credo “Fußball total”, seine Spielweise “laufintensiv”. Über den Coach mit dem der FC seinen letzten Titel errang.

Michels Autogramm 82

Michels Autogramm 82

Die Fußballweltmeisterschaft ist neben den Olympischen Spielen das größte Sportereignis der Welt. Für die Vereinsmannschaften bedeutet das vor allem eines: Ruhe. Wir verweilen währenddessen aber nicht in den Liegestühlen und erinnern uns an FC-Helden oder Nicht-Helden aus den jeweiligen WM-Nationen. Heute: Als der effzeh von einem holländischen General geführt wurde: Rinus Michels.

 

  Spanien – Niederlande  13.06.2014 21:00 Uhr • Arena Fonte Nova, Salvador • Gruppe B

Wenn man ein wenig älter ist und man sich an die glorreichen Zeiten vom effzeh zurückerinnert, dann kommt man um den Namen Rinus Michels nicht herum. Immerhin holte der effzeh mit ihm den letzten Titel der Vereinsgeschichte – schlappe 31 Jahre ist das her. Jüngere FC-Freunde denken ja immer, das wäre mit Christoph Daum gelungen, aber Nein es war der Rinus aus dem Nachbarland der Tulpen und Frikandel. In einem optisch unterlegenen DFB-Pokal Endspiel 1983 gewann man glücklich durch ein Litti Abstauber mit 1:0 gegen den Stadtrivalen und Underdog Fortuna Köln.

Aber der Reihe nach.
Wir blicken zurück ins Frühjahr 1980. Damals war der effzeh wirklich noch das Real des Westens. Nach dem Pokalsieg 77, dem Double 78 und in den folgenden zwei Jahren mit den erreichen der Europapokalplätze, verließ der Heiland Hennes Weisweiler den glorreichen effzeh in Richtung Cosmos New York. Es war klar, dass alle Trainer, die nach Weisweiler folgen sollten, es schwer haben würden. Es kam der Wunschtrainer von Manager Karl-Heinz Thielen und Präsident Peter Weiand : Karl-Heinz Heddergott. Der langjährige DFB Verbandstrainer wollte einmal einen Bundesligaverein trainieren, rückblickend war es ein einziges Missverständnis. Nach nur einem halben Jahr musste Heddergott den Verein wieder verlassen.
Damals waren die Ansprüche des 1.FC Köln wirklich noch Ansprüche – aber auch ich, als kleiner Fetz, kam mit dem neuen Trainer nicht richtig klar, zumal er sich mit meinem damaligen Liebling anlegte. Bernd Schuster war der Shooting-Star des effzeh und der junge Bernd fand den biederen Karl-Heinz ziemlich blöd, was die Kölner Presse mit Handkuss ausschlachtete.

„Totaler Fußball“

Auf der Suche nach einem neuen Coach fiel die Wahl der Verantwortlichen auf Rinus Michels, dessen Portfolio sich ausgezeichnet las, hat er doch die erfolgreiche Zeit bei Ajax Amsterdam mitgestaltet und den großen FC Barcelona trainiert. Nach zwei Jahren bei den Aztecs aus Los Angeles, folgte er dem Ruf des besten Fußballvereins Deutschlands. Bei seiner Einstellung im Geißbockheim am 16.10.1980 machte er sich sofort Freunde: „So ein Angebot erhält man nicht alle Tage. Vom Gefühl her musste ich in diese beste Liga der Welt hinein – als Mensch und als Trainer lebt man nur einmal. Wir müssen aber so schnell wie möglich die Fans zurückgewinnen.“ So der Holländer bei seiner Vorstellung im Grüngürtel.
Ziemlich schnell wehte ein anderer Wind. Michels galt und gilt bis heute als Architekt des erfolgreichen Konzepts des “totalen Fußballs”, bei dem die starren Positionen der Spieler auf dem Feld gelockert wurden. Er war seiner Zeit weit voraus: “Die Taktik beim Fußball ergibt sich auf dem Feld”, lautete seine Philosophie und wer seinem Konzept nicht folgte hatte es schwer mit ihm. Individualisten wie Pierre Littbarski und Klaus Allofs hatten nicht viel zu lachen unter der Ära Michels. Sie mussten ihr Spiel komplett umstellen. Jedes Dribbeling, jede Verzögerung im Spiel verabscheute der „General“, viel mehr wollte er den schnellen temporeichen Fußball in Müngersdorf etablieren und das zog ein Umdenken der Mannschaft mit sich.
Die Härte und das „Unhöfliche“ war für Michels ein notwendiger Schritt die Distanz zur Mannschaft zu wahren. Neben dem Platz war er umgänglich und freundlich zu seinen Spielern, beim Training oder im Stadion waren Spieler nur Nummern, die kommandiert und beleidigt wurden.
„Spielen Sie so wie ich es möchte oder Sie spielen überhaupt nicht bei mir“ ist nur ein überliefertes Zitat aus seiner Zeit an Klaus Allofs gerichtet. Der meinte damals zum neuen Trainingsleiter „Er ist knallhart. Dem ist es egal, wie der Einzelne spielt, solange die Mannschaft insgesamt Erfolg hat. Den einzelnen Spieler sieht er überhaupt nicht“. Die Stürmer Allofs, Fischer, Littbarski und Woodcock mussten in der Saison 81/82 immer in ständiger Bewegung sein, fixe Positionen gab es nicht mehr, durch dieses laufintensive Spiel wurde der FC viel variabler und kaum ausrechenbar. Ziemlich modern das ganze aus heutiger Sicht. Hätte es damals den Begriff der „falschen Neun“ gegeben – man kann sich sicher sein, Michels wäre der Erfinder gewesen.

Vizemeister und Pokalsieger

Der Niederländer übernahm den effzeh im Oktober 1980 auf dem dreizehnten Tabellenplatz und führte ihn in den folgenden Monaten immerhin noch bis auf Platz 8. Die talentierte Mannschaft musste sich an den „neuen“ gewöhnen – so kam es immer wieder zu Formschwankungen. Gewann man gleich das erste Spiel unter Michels im Müngersdorfer Stadion gegen den Karlsruher SC mit 4:0 -der Autor dieses Berichts erinnert sich sehr gut, war er doch zum damaligen Zeitpunkt Rechtsaußen bei der Spvg Porz D-Jugend, die bei benannter Begegnung ein Vorspiel gegen die D des effzeh austrug und 2:1 verlor – folgte wenig später eine 2:0 Niederlage auf dem Bökelberg. So verlief eigentlich die komplette Saison, doch das sollte sich ändern.
Der „General“ war für einer der erfolgreichsten Serien des effzeh verantwortlich. Die Saison 81/82 beendeten die Geißböcke als Vizemeister, nur drei Pünktchen hinter Happels HSV. Highlights waren damals sicherlich die zwei gewonnen Derbys gegen Gladbach (3:0; 2:0) oder das unvergessene 4:0 im Köln Müngersdorfer gegen die Bayern (4:0). Im Europapokal gelang Michels immerhin der Einzug bis ins Halbfinale gegen den späteren Sieger Ipswitch Town. Seine zweite Saison als FC Trainer war erfolgreich und die Fans waren wieder etwas besänftigt.
Michels Konzeptfußball schien zu greifen, allerdings spaltete sich die Mannschaft in zwei Lager, die einen hielten es unter dem „General“ kaum noch aus, andere wie Stephan Engels waren vom Trainer überzeugt: „ Na klar war Michels ein harter Hund. Aber er war immer offen und gerecht und hat jeden gleich behandelt“, so der damalige Mittelfeldmotor.

1982/83 wurde der effzeh unter Rinus Michels fünfter, allerdings holte man im „kölsch-kölschen“ DFB-Pokalfinale gegen die Fortuna den Pott. So absurd es sich anhört, aber bei diesem Spiel, sah man schon, dass die Ära Michels nicht mehr lange andauern würde. Ein Großteil der Kölner wechselten während des Spiels die Farben und waren fortan für den Underdog aus der Südstadt, die couragiert dem Favoriten das Leben schwer machte. Nicht wenige meinen bis heute – es war der unverdienteste Titel der effzeh Geschichte.

„Glück kann ich Euch leider keines wünschen“

Innerhalb der Mannschaft wurden die Gräben immer größer, trotz diesem Pokalsieges. „Mit Michels will doch keiner aus der Mannschaft mehr was zu tun haben.“ , wurde Toni Schumacher zitiert. Dennoch hielten die Verantwortlichen an dem Trainer fest und gingen mit ihm die die Saison 83/84.
Für viele unverständlich und einige Kölner Fans machten sich fortan zum Affen, in dem sie die Reifen vom Michels Auto zerstachen und auch seine Frau telefonisch bedrohten.
Nach dem 2. Spieltag und zwei Niederlagen gegen Bielefeld und in Düsseldorf trennte sich der 1.FC Köln am 23.8.1983 vom charismatischen Holländer.
„Glück kann ich Ihnen leider keines Wünschen“ – sollen die letzten Worte in Richtung Mannschaft gewesen sein.

Foto: Panini

Foto: Panini

Ein großer Trainer

Ich persönlich fand Rinus Michels herausragend, ganz im Gegensatz zu meinem Vater, der nach Weisweiler per se alles scheiße fand. Für mich, der damals noch aktiv Fußball spielte, war die Philosophie des Holländers wie von einem andern Stern. Das Konzept des schnellen, beweglichen, „totalen“ Fußballs wurde so gut es ging umgesetzt. Blickt man heute auf die Saison 81/82 zurück, gilt diese Saison fußballerisch zum besten was der effzeh je gezeigt hat, seitdem ich den Klub verfolge. Es scheiterte leider am Spielerpersonal, die für diese moderne Kunst des Spiels noch nicht ganz bereit waren.

Rinus Michels wurde nach dem Kölner Intermezzo Nationaltrainer seines Heimatlandes und holte 1988 bei der EM in Deutschland durch ein 2:1 in München über den Gastgeber den Europameistertitel.
1999 verlieh der Weltfußballverband Fifa Michels den Titel “Coach des Jahrhunderts”. Als Spieler schoss der “General” 121 Tore.
Am 3. März 2005 verstarb Michels im belgischen Aalst an den folgen einer Herz OP.

Rinus Michels zählt zu den großen Trainern der FC Vergangenheit.

Zitate entnommen aus „Mit dem Geißbock auf der Brust“ (Dirk Unschuld / Frederic Latz)

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