Auch Köln bejubelte seine Helden Littbarski, Illgner, Häßler und natürlich auch den ohne Einsatz gebliebenen Paul Steiner, dessen vorbildliches Verhalten als Ersatzspieler mehrfach lobend vom Teamchef herausgestellt wurde. Bereits in der Nacht nach dem Finale fand sich quasi die komplette Stadt auf den Straßen und feierte fröhlich und ausgelassen den großen Erfolg. Überhaupt war dies der damals noch sehr ursprüngliche Beginn der WM-Partys, wenn es auch noch kein Public Viewing gab, wie man es heute kennt. Die Turniere vor 1990 waren doch zumeist anders, rationaler und fußballfachbezogener angegangen worden.
In diesem Sommer aber schwappte bereits in der Frühphase der WM das italienische Lebensgefühl jerüber und traf auf ein Land, welches noch die große und überwiegend positive Euphorie und auch Energie rund um den Mauerfall in sich hatte. Schwarz, Rot und Gold war chic geworden, wenn das auch nicht jedem gefiel und ganz sicher nicht jeder richtig interpretierte. Doch die Mehrheit feierte in der Summe den Fußball und das Ganze mischte sich mit jener mediterranen Leichtigkeit, die von einem der schönsten und passendsten WM-Songs – Un’estate italiana (Notti magiche) – von Gianna Nannini und Eduardo Bennato genial begleitet wurde.
Es war in der Tat ein italienischer Sommer, der magische Nächte produzierte und gerade in der nördlichsten Stadt Italiens, also Köln, kam dies bei passendem Wetter natürlich großartig an. Italien war und ist dazu ein klassisches deutsches Urlaubsland und wenig überraschend kam es so, dass sich die deutsche Elf großer Unterstützung vor Ort erfreuen konnte. Viele Anhänger fuhren ihre gewohnte Urlaubsroute über den Brenner und brachten die Routine der Gastgeber bei der Rückfahrt zurück, jeden Turniersieg wie ein gewonnenes WM-Finale zu feiern.
Autokorsos feierten die Italiener selbst bei knappen Vorrundensiegen, also übernahm Deutschland das nach und nach. Sonst war dies bis dato nun wirklich nicht üblich gewesen. Zeitzeugen, die beide Turniere vergleichen können, sehen „Italia Novanta“ als das wahre Sommermärchen. Doch auch 2006 war die Stimmung bei der deutschen WM natürlich großartig, dennoch sei es erlaubt, darauf hinzuweisen, dass es 1990 noch etwas ursprünglicher zuging.
FC 1990 – Triumph und Zäsur in einem
Für den 1. FC Köln war das Turnier natürlich ein riesiger Triumph. Drei Spieler im am Ende siegreichen Finale am 8. Juli 1990, das hatte es zuvor für die “Geißböcke” noch nicht gegeben. 1954 hatte der FC mit Hans Schäfer und 1974 mit Wolfgang Overath jeweils einen Vertreter, der das Spiel um den Weltpokal mit entscheiden konnte. Doch einige wenige Beobachter meldeten sich damals zu Wort, die den wechselnden Thomas Häßler im Finale als Spieler von Juventus Turin sahen, war der Effzeh-Vertrag doch zum 30. Juni ausgelaufen und der Juve-Kontrakt begann zum 1. Juli.
Diese Erbsenzählerei machte aber kaum jemand mit, denn auch die FIFA wertet den Verein zu Turnierbeginn. Also bleibt es bei drei beziehungsweise mit Steiner vier kölschen Weltmeistern im Jahr 1990. Doch nach den Feierlichkeiten wachte der 1. FC Köln reichlich verkatert auf. Thomas Häßler war weg, die Transfer-Millionen versandeten in unpassende Nachfolger und in so manchen Taschen, wo sie nicht hingehörten. Einen Großteil der sogenannten Häßler-Millionen sucht man noch heute.
Christoph Daums Nachfolger Erich Rutemöller erreichte zwar 1991 noch das unglücklich nach Elfmeterschießen verloren gegangene Pokalfinale gegen Werder Bremen, hatte aber ansonsten wenig Fortune und verpasste in der Liga den UEFA-Cup-Platz. Nachfolger Jörg Berger schaffte ein vorerst letztes Mal 1992 den Einzug nach Europa, wo man aber bereits in Runde 1 gegen Celtic Glasgow rausflog. Danach begann der Absturz der “Geißböcke” ins untere Mittelfeld, in dessen Folge ein Pierre Littbarski 1993 den Verein Richtung Japan verließ und auch Bodo Illgner 1996 in einer Nacht- und Nebelaktion den Niedergang seines FC nicht mehr mitmachen wollte und lieber bei Real Madrid große Erfolge feierte.
Von der Weltbühne in den Fahrstuhl … die Erinnerung und die Sehnsucht bleiben
Der 1. FC Köln verabschiedete sich 1998 dann Richtung Fahrstuhl in die zweite Liga und stellt seitdem den Verein dar, der er nun mal heute noch ist. Als einen Großverein, der zwischen den Ligen taumelt und sich aus Mangel an echten sportlichen Erfolgen mehr und mehr selber feiert. So schön also die Erinnerung an den 8. Juli vor genau 30 Jahren auch ist, der bittere Beigeschmack der Zäsur ist in den Stolz über die vier FC-Weltmeister mit enthalten.
Es war schließlich im Nachhinein der Abschied von der ganz großen Weltbühne. Lediglich Lukas Podolski sorgte in seinen Effzeh-Engagements für Lichtblicke auf Turnierebene. Seine Weltmeisterschaftsehren im Jahre 2014 holte er aber für den FC Arsenal, auch wenn er bei den Feierlichkeiten immer wieder die Fahne der Stadt Köln zeigte. Immerhin sorgte Jonas Hector für einen ganz besonderen Moment, als sein verwandelter Elfmeter gegen Gigi Buffon beim Viertelfinale der Europameisterschaft 2016 für das Ende des deutschen „Italiens-Fluchs“ sorgte. Der 8. Juli 1990 bleibt somit bis heute der letzte große Titel mit FC-Beteiligung. Die Erinnerung an wunderbare und magische italienische Nächte wird immer bleiben, die Sehnsucht nach ähnlichen Erfolgen aber auch.