So richtig zufrieden ob des bisherigen Saisonverlaufs ist man momentan weder in Köln noch in Gelsenkirchen – während die einen zwar an der Tabellenspitze der zweiten Bundesliga thronen, müssen sich die anderen eine Klasse höher wieder aus den unteren Tabellenrängen herauskämpfen, um wieder das Saisonziel zu erreichen. Und während man in der Domstadt über die Umsetzung des Offensivfußballs von Markus Anfang diskutiert, wird bei den “Knappen” Kritik an der relativ konsequent durchgeführten Zerstörungstaktik aus dem Leipzig-Spiel laut. Zwei Vereine mit einer solchen Wucht wie diese bringen es nämlich insbesondere in sportlich schwierigen Situationen zustande, aus reinen Ergebnissen (und Zahlen) gefühlt gleich eine Staatskrise hervorzurufen.
Dass die Schalker nunmehr seit drei Spielen kein Tor mehr geschossen haben, wird vielerorts bereits als Grund dafür gesehen, dass Domenico Tedescos Erfolg mit der Mannschaft in der vergangenen Saison eine Eintagsfliege war. Dass allerdings wohl der Großteil der deutschen Mannschaften damit zufrieden wäre, in einem Champions-League-Auswärtsspiel gegen Galatasaray und dann auch noch in Leipzig mit einem torlosen Unentschieden nach Hause zu fliegen, wird weniger thematisiert. Fest steht ebenso, dass die Schalker auch in der letzten Saison nicht unbedingt für herzerfrischenden Offensivfußball standen und in erster Linie durch eine stabile Defensive gepaart mit der nötigen Effizienz vor dem gegnerischen Tor Vizemeister wurden. Eine ähnliche Saison hatte im Spieljahr 2016/2017 auch der 1. FC Köln gespielt, die Älteren werden sich erinnern.
Die Entwicklung steht über allem
Der damals aktive Trainer Peter Stöger legte in seiner Karriere in Köln zu Beginn auch erst einmal einen soliden defensiven Grundstein, bevor er sich dann an die Weiterentwicklung des Systems machte, das Fußballspielen in den Vordergrund stellte und schließlich an den verschiedensten Aspekten scheiterte. Sein Nach-Nachfolger Markus Anfang fährt hingegen eine andere Linie und verlangt von seiner Mannschaft eine weniger pragmatische, dafür riskantere Spielweise, die eher die Offensive betont. Der Kölner Trainer unterstreicht dabei auch immer wieder, dass seine Mannschaft sich in einer Entwicklung befinde, zu der auch mal Rückschläge gehören – dieser Satz kann eigentlich ohne große Probleme kopiert und in einem Text über Domenico Tedesco verwendet werden, der seit der vergangenen Saison Chef bei den Schalkern ist.
Foto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images
In einer Saison mit vielen Höhen führte der noch junge Coach seine Mannschaft bis zur Vizemeisterschaft, gleichwohl sein Team definitiv ein wenig überperformte und von den Schwächen anderer profitierte. Doch das dürfte in Gelsenkirchen allen egal gewesen sein, denn wichtig ist: Die Entwicklung. Dadurch, dass sich beim FC Schalke in der Vergangenheit die Trainer die Klinke in die Hand gaben, könnte so etwas wie Kontinuität in der sportlichen Entwicklung eigentlich gar nicht geschaffen werden. Tedescos Hauptaufgabe ist es im zweiten Jahr, die Erträge aus der Vergangenheit zu verwenden, um das Konstrukt weiter zu stabilisieren. Dass zu einer Entwicklung auch Rückschläge gehören, konnte man bis dato für So4 ja durchaus erkennen.
Schalke und der 1. FC Köln – unterschiedliche Probleme
Tedescos pragmatischer Ansatz, jedoch in einer sportlich schwierigen Phase zunächst eher auf Sicherheit denn auf Spektakel zu setzen, ist völlig nachvollziehbar. Dass andere Mannschaften in Leipzig gehörig unter die Räder kommen können, wenn sie mitzuspielen versuchen, ist seit dem Aufstieg des Brause-Vereins keine Neuigkeit. Für eine verunsicherte Mannschaft gibt es auch ein gewisses Maß an Sicherheit, wenn man sich darauf verlassen kann, dass die eigene Defensive einigermaßen funktioniert und man nicht ständig einem Rückstand hinterherlaufen muss. Damit hätten wir auch wieder eine geschickte Überleitung zum 1. FC Köln hergestellt, der in seinen letzten Heimspielen relativ zuverlässig die Anfangsphase verschlief und in Rückstand geriet. Leitmotiv der Auseinandersetzung mit den Kölner Spielen war daher bis dato die (mangelnde) Balance zwischen Defensive und Offensive.
Auf der nächsten Seite: Was wir von beiden Mannschaften erwarten dürfen.