Dabei soll nicht unterschlagen werden, dass es in der Vereinsgeschichte auch schwierige Phasen gab: Das Missmanagement in den 90ern führte den Verein fast in die Pleite. Heutzutage ist man wenigstens so realistisch, dass man eine Politik der kleinen Schritte verfolgt und den Aufstieg nicht um jeden Preis durchprügeln will. Langfristig geplant wird jedoch trotzdem: Bis 2020 soll das Stadion An der Alten Försterei am Ortseingang von Köpenick fit für die Bundesliga gemacht werden. Der Umbau am selben Standort soll 15.000 neue Plätze bringen, von denen 10.000 Stehplätze sein sollen. Präsident Zingler sagte gegenüber “11Freunde” über die Ausbaupläne: “Uns war es wichtig, dass dieser für unseren Verein historische Ort mit den Anforderungen der Zukunft wächst und dabei charakteristisch und einzigartig bleibt: Ein enges Stehplatzstadion, das unser Fußballherz höher schlagen lässt.”
Präsident Dirk Zingler: Ein Mann aus der Kurve
In anderen Städten des deutschen Fußballbetriebs fokussiert man sich bei einem Umbau eher auf die Logen und teureren Sitzplätze, während Union darauf hofft, durch ein Mehr an Stehplätzen im größten reinen Fußballstadion der Stadt Berlin die einzigartige, oft als “englisch” beschriebene Atmosphäre beizubehalten. Der ureigene Charakter dieses ganz besonderen Stadions soll allerdings erhalten bleiben – ähnlich sozialverträglich plant auch Eintracht Frankfurt den Ausbau des einstigen Waldstadions.
Doch auch in anderer Hinsicht positioniert sich Unions Präsident Dirk Zingler gerne wohltuend, was die Belange von Fans betrifft. Er ist ein klarer Befürworter der Beibehaltung der 50+1-Regelung, steht im ständigen Dialog mit seiner eigenen Fankurve und kann deren Kritik an den Fußballverbänden in Deutschland nachvollziehen. Ihm ist es auch nicht zu krass, offen anzuprangern, dass die meisten Funktionäre sich nicht in die Welt der Fans hineinversetzen können, weil sie niemals Auswärtsfahrer waren.
Union Berlin: Der willkommene Gegenentwurf
Daraus folgt dann – ähnlich wie in Köln – ein ganz besonderes Gefühl, das man bekommt, wenn man über Union Berlin spricht. Die Filmemacher Rouven Rech und Frank Marten Pfeiffer versuchten vor einigen Jahren, dieses Gefühl in ihrem Dokumentarfilm “Union fürs Leben” einzufangen. Rech beschrieb das Besondere an Union Berlin gegenüber der “Berliner Morgenpost” wie folgt: “Ausgehend von unseren Entdeckungen würde ich sagen: Das sind Leute mit einer sehr starken Bindung zu ihrem Kiez, zu ihrer Herkunft. In den Medien gilt Berlin als die hippe Stadt. Da wird über die Klubszene gesprochen oder die Start-ups. Aber für die Leute in Köpenick spielt dieses Image überhaupt keine Rolle. Dort hat sich eine andere Identität gebildet. Natürlich, weil sie auch eine andere Geschichte und Sozialisierung hat.”
Frank Marten Pfeiffer ergänzt: “Was auffällig ist von außen: Die Fans lassen dem Verein nicht alles durchgehen. Das gibt es wahrscheinlich nicht oft, dass eine Vereinsführung sehr genau überlegen muss, wie weit sie gehen kann. Was ist kommerziell angebracht und was ist politisch angebracht.” Union Berlin ist also aus vielen Perspektiven ein willkommener Gegenentwurf zu den vielen seelenlosen Vereinen, die mittlerweile im deutschen Profifußball ihr Unwesen treiben. Während der effzeh sich nach wie vor auf eine stabile und aktive Fanszene verlassen kann, haben die Diskussionen der letzten Jahre dennoch ihre Spuren hinterlassen: das China-Thema, ein Präsidium, das sich offen gegen die eigenen Fans stellt sowie hochtrabende Pläne für ein neues Stadion sorgen bei vielen Fans für Bauchschmerzen.
Bei Union Berlin wird seit Jahren bewiesen, dass es auch anders geht.