“Du blinde Wurst” – im Fußballstadion ist mit diesem Schmähruf häufig der Schiedsrichter gemeint, der eine Situation nicht so beurteilt hat, wie der unzufriedene Fan das gerne hätte. Oder aber es wird der eigene Stürmer verunglimpft, der die hundertprozentige Chance doch noch am Tor vorbeigeschoben hat. Auf jeden Fall hat die Wurst nicht nur im Schimpfwortrepertoire einen festen Platz im Fußball. Bratwurst und Bier – für viele ein elementarer Bestandteil des Stadionbesuchs.
Für den effzeh geht es am Samstagabend im ersten Topspiel nach der Rückkehr in die Bundesliga auch um die Wurst. Nicht um Thüringer oder Wiener, sondern um Frankfurter. Nach der Englischen Woche, die von kämpferisch (Derby) über ermutigend (Hannover) bis ernüchternd (Bayern) alles zu bieten hatte, rief der kölsche Boulevard wieder den Notstand aus. Da solle noch einmal jemand sagen, es wären die Fans, die keinen Sinn für Realismus hätten und zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt oszillieren.
Aber wurst: 417 Minuten sind es also, die der effzeh nicht mehr ins Tor traf (417 Minuten!!!!einseinself). Da wird von “Knipser-Krise” gesprochen, sich Gedanken um Patrick Helmes (schon länger verletzt) und Lukas Podolski (irgendwie derzeit woanders) gemacht und von großen Problemen schwadroniert. Als hätten die Verantwortlichen nicht seit Monaten gebetsmühlenartig gepredigt, dass es nur um Platz 15 und nichts anderes ginge. Arme Würste, mag man denken – all die wohl gewählten Sätze und keiner will sie verstehen. Aber das Ziel ist in Frankfurt klar: Das Gerede um Krise und das Zählen der Minuten beenden. Es hat schließlich alles ein Ende, nur die Wurst nicht.
Ausgangslage
Wie schon gesagt: In Köln ist gerade alles schlecht. Fantastitrilliarden Minuten ohne Tor (wo ist Thomas Cichon, wenn man ihn braucht?), in der Englischen Woche gegen Mönchengladbach, in Hannover und gegen die Bayern nur einen mickrigen Zähler geholt (es waren doch neun zu erwarten!) und Peter Stöger droht sein Facebook-Profil zu löschen. Kurzum: Wir sollten den Spielbetrieb abmelden. Der effzeh selbst jedoch rechnet sich in Frankfurt etwas aus.
“Wir fahren nach Frankfurt, um etwas zu holen und denken, dass wir auch unsere Möglichkeiten dazu haben werden. Es ist jedenfalls sicher so, ohne respektlos sein zu wollen, dass wir zu Hause gegen die Bayern weniger Chancen auf Punkte hatten und haben als auswärts gegen die Eintracht”, betont Stöger auf Facebook. Auswärts waren die Geißböcke jedenfalls in dieser Saison sehr überzeugend.
Die Eintracht ist unter ihrem neuen Trainer Thomas Schaaf gut in die Gänge gekommen. Neun Zähler hat die SGE nach sechs Spielen auf dem Konto, das macht derzeit Platz sieben für die Hessen. Der Last-Minute-Sieg durch den Freistoßkracher von Lucas Piazon war Balsam für die Seele. Zuhause ist die Bilanz allerdings “nur” ausgeglichen: Ein Sieg, ein Remis und eine Niederlage stehen zu Buche.
Personallage
Lukas Podolski wurde immer noch nicht verpflichtet, Patrick Helmes ist immer noch verletzt. Ansonsten ist der effzeh-Kader vollzählig. Kazuki Nagasawa und Dusan Svento sind nach ihren Verletzungen zurück im Mannschaftstraining, insbesondere der Japaner gilt schon für das Duell in Frankfurt als Kandidat für den Kader. Der Offensive kann Tsubasas Rückkehr nur gut tun.
Anders sieht die Situation bei den Gastgebern aus: Neben den Langzeitverletzten Kevin Trapp, Constant Djakpa und Nelson Valdez muss Thomas Schaaf auch auf Marc Stendera und Vaclav Kadlec verzichten, die beide an einer Mandelentzündung leiden. Für die effzeh-Fans könnte es zu einem Wiedersehen mit einem Ex-Spieler kommen: Martin Tranig, ähm, Lanig steht bei der SGE unter Vertrag.
Für ‘ne Moment
Der letzte Auftritt des glorreichen effzeh im Waldstadion (Mai 2011) hat eindeutig Potenzial zum Kultspiel: Die Eintracht war zuvor unter Christoph “der Kopf ist das dritte Bein” Daum völlig in sich zusammengebrochen und glich einem sportlichen Scherbenhaufen. Abstiegskampf pur also in Frankfurt. Nachdem Adil Chihi (!) per Kopf (!!) die Führung erzielte, vergab der effzeh gegen desolate Hessen beste Konterchancen. Vor allem Wilfried Sanou zeigte, dass er mit Profifußball nicht allzu viel am Hut hatte. Am Ende musste ein Foulelfmeter von Lukas Podolski her, um den Deckel auf das Spiel zu machen.
Der effzeh hatte damit den Klassenerhalt im Sack, die Eintracht taumelte dem Abstieg entgegen. So auch die Szenen nach dem Abpfiff. Wütende SGE-Fans stürmten den Rasen, Polizei marschierte auf. All das beobachtete der Kölner Anhang zusammen mit Podolski, der auf dem Zaun Unterschlupf fand, schaulustig aus dem Gästeblock. Szenen, wie sie dann ein Jahr später in Köln zu sehen waren. Das Highlight wurde uns in dem Moment gar nicht bewusst: Die Sportschau hatte eine megateure Kamera clevererweise vor den Heimblock gestellt, die dann einem wütenden Frankfurter, der noch zum Selfie ansetzte, zum Opfer fiel.
Schiedsrichter
Wolfgang Stark ist der Unparteiische der Partie. Der Routinier leitet bereits das 32. Spiel mit effzeh-Beteiligung, zuletzt pfiff er den Saisonauftakt gegen den Hamburger SV. Die Bilanz in der Bundesliga ist eher mau: In 18 Spielen gelangen dem effzeh lediglich fünf Siege, auswärts gab es zuletzt unter seiner Leitung deutliche 1:4-Schlappen in Hannover und Freiburg.
Prognostizierte Aufstellungen
Eintracht Frankfurt: Wiedwald – Chandler, Zambrano, Russ, Oczipka – Medojevic – Aigner, Hasebe – Inui – Seferovic, Meier
effzeh: Horn – Brecko, Maroh, Wimmer, Hector – Vogt, M. Lehmann – Risse, D. Halfar, Peszko – Ujah
Aussicht
Für den effzeh ist ein richtungsweisendes Spiel, auch wenn Peter Stöger das bestreitet. Verliert das Team in Frankfurt erneut und schießt vielleicht sogar wieder kein Tor, wird die Unruhe rund um das Geißbockheim noch zunehmen. Und die Länderspielpause wird den Druck nicht geringer machen. Dazu ist die Eintracht ein Gegner, der sich bislang auch durchaus schlagbar gezeigt hat. Auch wenn Frankfurt in der letzten Saison noch international aktiv war, dürfte wir uns nahezu auf Augenhöhe begegnen. Wichtig wird sein, sich beim stimmungsvollen Aufeinandertreffen zweier Traditionsvereine nicht vom Publikum anstecken zu lassen. Dann dürfte zumindest ein Zähler drin sein!
Stimmen aus der Redaktion
David: Es ist das erste “wichtige” Spiel in dieser Saison. Bei einer Pleite kann man sich nach unten orientieren, bei einem Sieg herrscht erst mal Ruhe. Egal was es wird: Tore wären gut – damit die Torlosigkeit kein größeres Thema wird, als sie es schon ist. Zoller macht’s kurz vor Schluss: 2:1 Effzeh!
Patrick: Tore schießen, Punkte mitnehmen, sinnlose mediale Diskussionen beenden. Ganz einfach. Auswärtssieg!
Gero: Das sollte wohl das erste richtungsweisende Spiel für beide Teams sein. Frankfurt ist dabei aber fraglos besser in die Saison gestartet als ich erwartet hatte. Thomas Schaaf macht bei der Eintracht den Unterschied aus, schiesst aber im Gegensatz zu Osako und Zoller keine Tore – das ist dann in Summe ein 2:0-Auswärtssieg, der jedoch viele Fragen unbeantwortet lassen wird.