Einem Gang nach Canossa glich es nun wahrlich nicht, als sich der Vorstand des 1. FC Köln im Rahmen eines Mitgliederstammtischs den FC-Anhängern stellte. Mit einem Hauch Selbstkritik, die sich natürlich größtenteils in der altbekannten Schutzbehauptung, zu wenig Kontrolle über die wirklich handelnden Personen ausgeübt zu haben, erstreckte, leitete Präsident Werner Spinner die Veranstaltung in festlichem Ambiente mehr oder minder ein.
Sein Vize Markus Ritterbach legte prompt nach: Wer sich die Mitgliederzahlen und das Zuschauerinteresse am 1. FC Köln anschaue, so der einstige Chef des Kölner Karnevals sinngemäß, der könne sehen, dass das Verhältnis zwischen den Fans, dem Verein und auch dem Vorstand intakt sei. Jeder, der etwas anderes behaupte, der lügt.
Ultras mit unvermissverständlicher Stellungnahme
Abgesehen von dem logischen Fehlgriff, ein Besuch im Müngersdorfer Stadion sei gleichzusetzen mit der stillen Bekräftigung eines intakten Verhältnisses zu Verein und Vorstand, riecht Ritterbachs Formulierung doch arg nach den „Fake News“-Vorwürfen, die von Verantwortlichen in anderen Kontexten gern genutzt werden. Nicht erst seit der unmissverständlichen Stellungnahme der Ultragruppierungen, die mit zahlreichen Kritikpunkten garniert abermals den Rücktritt der Vereinsführung forderten (siehe hier), kommt der 1. FC Köln an vielen Punkten nicht zur Ruhe.
Ob Anträge für eine Satzungsänderung und den Umgang des Vereins mit diesen, ob die zerrüttete Lage zwischen der Fanszene und dem Club oder die Turbulenzen zwischen Präsidium und Mitgliederrat: Von einem intakten Verhältnis der Fans im Gesamten zum Club zu fabulieren, ließ viele Beobachter angesichts der brodelnden Krisenherde nur kopfschüttelnd zurück, die Verklärung der aktuellen Situation zusammen mit der üblichen kölschen Folklore ließ Erinnerungen an dunkle Zeiten wach werden.
Gespalten wie in der Schlussphase der Overath-Ära
Denn vielmehr – so muss man festhalten – ist der 1. FC Köln so gespalten wie seit den letzten Atemzügen der Overath-Ära nicht mehr. Vom hehren Ziel, den Verein zu vereinen, ist Werner Spinner vor allem dank eigenem Zutun mittlerweile meilenweit entfernt. So ist im Dialog mit den Ultras, einst ein Vorzeigeprojekt des Präsidiums, inzwischen nicht nur das Tischtuch zerschnitten, auch der darunter liegende Tisch wurde fachgerecht in seine Einzelteile zerlegt.
Vorstand raus! #effzeh pic.twitter.com/itio4lRnB7
— derbysieger (@koelle1948) September 13, 2018
Die Kommunikation zwischen Verein und Fanszene besteht derzeit zu überwiegenden Teilen aus einem Kleinkrieg voller Vorhaltungen, Vorwürfen und schlichter Verweigerung. Weder die eine noch die andere Seite lässt auch nur die geringste Möglichkeit verstreichen, öffentlichkeitswirksam einen Nadelstich zu setzen. „Vorstand raus“-Rufe im Franz-Kremer-Stadion, umfangreiche Stellungnahmen mit harscher Kritik, Regressforderungen und Vereinsausschlüsse. Die Eskalationsspirale im Binnenverhältnis scheint sich derzeit wieder einmal im Höchsttempo zu drehen.
Vorstand nicht nur in der Fanszene umstritten
Doch es sind beileibe nicht nur die lautstark kritisierenden Ultras, deren Verhältnis zum FC in den vergangenen zwölf Monaten eine gewaltige Eiszeit erlebt. In Internetforen, den sozialen Medien, aber auch am Tresen in der Eckkneipe: Das Ansehen des Präsidiums hat vor allem durch die sportliche Talfahrt, aber definitiv nicht ausschließlich dadurch massiv gelitten. Dass der Vorstand um Werner Spinner beileibe nicht nur für die Fanszene nicht mehr tragbar ist, wird jeder, der mit offenen Augen und Ohren rund um den 1. FC Köln unterwegs ist, mitbekommen haben.
Schon bei der letzten Mitgliederversammlung im Herbst 2017 zeigte sich rund um die Abstimmung zum Satzungsänderungsantrag der Initiative „100% FC – Dein Verein“, dass ein durchaus erwähnenswerter Teil der FC-Mitglieder kein uneingeschränkt intaktes Verhältnis zum derzeitigen Vorstand hat. Themen wie Investoren, der Verbleib in Müngersdorf, die Kooperation mit China und der Umgang mit vereinsinternen Kritikern haben eine Vielzahl an effzeh-Fans auf die Palme gebracht. Doch jeder, der mit offenen Augen und Ohren rund um den 1. FC Köln unterwegs ist, wird auch eingestehen müssen: Eine Mehrheit wird die Forderung nach einem Rücktritt des Triumvirats an der Vereinsspitze unter den effzeh-Fans aktuell aller Kritikpunkte zum Trotz bei weitem nicht mobilisieren können.
41 Kandidaten für den Mitgliederrat des 1. FC Köln
Zurück bleibt ein Verein, durch den – wie schon vor Werner Spinners Amtsantritt vor mehr als sechs Jahren – ein tiefer Riss geht. Ein Riss, der sich in den Debatten in den sozialen Netzwerken zeigt. Ein Riss, der durch Fanclubs und Freundeskreise geht. Wie belebend ein solcher Konflikt allerdings für die vereinseigene Diskussion wirken kann, zeigt allein der Andrang auf die Mitgliederratswahlen. Satte 41 Kandidaten werfen ihren Hut am 10. Oktober in den Ring, wohlwissend um die Wichtigkeit für die kommende Ausrichtung des Vereins.
Auch dort ist der Dissens zwischen FC-Führung und ihren Kritikern omnipräsent – das gilt für Kandidaten aus der Fanszene ebenso wie eher vereinsnahe Bewerber. Die Spaltung des Clubs ist offensichtlich, nur anscheinend nicht für die Clubbosse. Eine Lösung für das Problem, das sich durch den 1. FC Köln zieht, scheint derzeit auf allen Ebenen weit in der Ferne – um eine herbeizuführen, müsste allerdings die Einsicht her, eine Lösung zu benötigen. Einen Status quo zu ändern ist schließlich nur möglich, wenn er erst einmal akzeptiert wird.