Ein beliebtes Stilmittel der Sportjournaille ist vor jeder Saison der Rückgriff auf die besondere Emotionalität der Kölner in Hinblick auf ihren Verein. Wenn das viel zitierte Bewegen zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt irgendwo in Reinkultur betrieben wird, dann nach Meinung der nationalen Presse wohl am ehesten in Köln. Von daher ist es nicht überraschend, dass man dem normalen Mechanismus im Geschäft auch in Köln nicht doch zu einem geringen Maß Folge leistet und glaubt, dass der Pokal der schnellste und kürzeste Weg nach Europa sein kann. Sechs Siege und man wäre sicher am Start. Während dies in den vergangenen Jahren immer noch als selbstironische Einschätzung über die Zielsetzung des effzeh im Pokal galt, da man ja zwangsläufig immer irgendwann kurz vor Weihnachten ausschied, scheinen die Chancen für eine tatsächliche Qualifikation für das europäische Geschäft momentan doch tatsächlich über den Ligawettbewerb realistisch zu sein. Insofern ist es angenehm, dass das Los dem effzeh in der ersten Runde eine Reise nach Berlin beschert, sodass man die Saison stilecht in Berlin beginnen und im Mai auch dort beenden kann. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.
Der BFC hatte sein Pokalmärchen schon
Nach knapp sieben Wochen und exakt 47 Tagen Vorbereitung startet der effzeh am Samstag um 15:30Uhr in die Saison 2016/2017. Gegner ist der Berliner Sechstligist BFC Preußen, der sich im vergangenen Mai den Berlin-Pokal durch einen Sieg gegen den SV Lichtenberg 47 sichern konnte. In der vergangenen Saison erreichte der BFC Platz fünf in der sechstklassigen Berlin-Liga, die aktuelle Saison begann mit einer 0:1-Niederlage im Auswärtsspiel beim SD Croatia. Für das Pokalspiel gegen den effzeh zieht der BFC um in die Alte Försterei, ansonsten Spielstätte von Union Berlin und damit Daniel Mesenhöler und Philipp Hosiner. Die Vorfreude bei den Berlinern ist riesig: Andreas Mittelstädt, Trainer und Abteilungsleiter in Personalunion, erwartet am Samstag das “größte Ereignis seit vielen Jahren” für seinen Amateurverein, wie er im Interview mit fussball.de anmerkte. Nach der intensiven und spannenden Pokalkampagne, in dem der BFC auch höherklassige Vereine ausschaltete und letztlich etwas überraschend den Pokal gewann, ist das Spiel gegen den 1.FC Köln eine “Zugabe und Belohnung”, obwohl der Fokus natürlich auf der Liga liegt. Für die aktuelle Saison gilt der BFC als Aufstiegsfavorit, das selbsterklärte Ziel liegt ebenfalls im Aufstieg in die Oberliga. Als traditionsreicher Berliner Klub strebt man nach etwas Größerem: “Wir wollen weiter nach oben und müssen unsere Hausaufgaben in der Berlin-Liga machen”, so Mittelstädt.
Unter Stöger nimmt der effzeh die Erstrundenspiele ernst
Sich zu Beginn einer Saison dann vor großer Kulisse im DFB-Pokal gegen den effzeh messen zu können, ist also eine willkommene Herausforderung für seine Spieler. Dass dem effzeh dabei die Favoritenrolle obliegt, dürfte klar sein. Dennoch, und dies bestätigte Kölns Trainer Peter Stöger auf dem vereinseigenen TV-Kanal, sind Spiele gegen unterklassige Mannschaften schwieriger als früher, da diese mittlerweile auch professioneller trainieren würden. Die infrastrukturellen und sportlichen Bedingungen beim BFC reichen laut Aussage von Mittelstädt auch tatsächlich für die Regionalliga aus. Dementsprechend bereitete sich der effzeh auch mit ganz normalem Gegner-Scouting auf das Erstrundenspiel vor, um mögliche Stärken und Schwächen des Gegners herauszufinden und darauf in der Trainingsgestaltung zu reagieren. Die professionelle Herangehensweise der sportlichen Führung an diese Aufgabe wird auch dadurch bestätigt, dass man die bisherigen drei Erstrundenpartien unter Stögers Regie allesamt souverän für sich entscheiden konnte. Vor drei Jahren gewann man mit 2:0 bei Eintracht Trier (man erinnere an den Freistoßhammer von Maxi Thiel), vor zwei Jahren souverän bei den Freien Turnern Braunschweig mit 4:0. Im letzten Jahr schlug man mit demselben Ergebnis den SV Meppen, Anthony Modeste traf dreifach. Es ist beruhigend, dass der effzeh diese Aufgaben bisher immer mit Demut und Respekt angegangen ist und deshalb ein peinliches Erstrunden-Aus vermieden werden konnte. Es bleibt zu hoffen, dass wir das auch noch nach dem Spiel am Samstag werden sagen können.
Debütant Müller gibt sich unaufgeregt
Vor dem Beginn der neuen Saison ist die Vorfreude rund ums Geißbockheim tatsächlich spürbar. Eine fast sorgenfreie Vorbereitung, die einzig und allein durch die Verletzungen von Marcel Hartel und Thomas Kessler überschattet wurde, wurde durch respektable Testspiel-Ergebnisse gekrönt. Insbesondere die jüngsten Erfolge gegen Bologna, Eibar und den FSV Mainz 05 geben Anlass dazu, an eine solide Saison und damit mindestens an das Erreichen des neunten Platzes zu glauben. Die langwierige Diskussion um mögliche Neuzugänge scheint dadurch fast zu verstimmen, da vielen Beobachtern wohl auffällt, dass der Kader wohl trotz allem konkurrenzfähig ist. Die Dringlichkeit von externen Neuverpflichtungen wurde auch dadurch verringert, dass sich mit Pawel Olkowski, Yuya Osako und Milos Jojic drei Spieler im Kader des effzeh befinden, die in der letzten Saison überwiegend andere Termine hatten. Doch wir schweifen ab: für das Pokalspiel gegen Preußen fehlen mit Horn und Kessler zwei Torhüter und mit Guirassy und Hartel zwei Offensivspieler. Dem jungen Sven Müller wird nach mehr als einem Jahrzehnt in der Jugend die Chance gegeben, sein Können auf der Bühne Profifußball früher unter Beweis stellen zu dürfen als geplant. Rückendeckung erhält der gebürtige Kölner dabei vom Trainerteam, der Mannschaft und Stammtorwart Timo Horn. Auch hier ist die professionelle und vor allen Dingen unaufgeregte Herangehensweise mehr als wohltuend, der junge Torhüter geht diese Herausforderung zumindest in den Interviews sehr cool und entspannt an.
[perfectpullquote align=”left” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]”Schließlich hat der Berliner Trainer laut eigener Aussage auch schon Pferde kotzen sehen. Dabei spielt Gladbach doch in Drochtersen…”[/perfectpullquote]3.000 Kölner unterstützen den effzeh
Begleitet wird der effzeh von knapp 3.000 Fans, die die Reise in die Bundeshauptstadt antreten. Für den Gastgeber ist der Umzug ins größere Stadion wie immer ein zweischneidiges Schwert: während die Kulisse zwar bedeutend größer sein wird, geht dem Amateurverein durch höhere Kosten ein höherer Gewinn flöten. In jedem Fall erwartet den effzeh eine interessante erste Etappe in dieser Saison, die den Verein im Pokal natürlich möglich weit führen soll. Es ist mittlerweile auch Usus in Köln, nicht mehr vom Finale, sondern vielmehr von einem Heimspiel im Pokal zu träumen. Ein Erfolg gegen den BFC Preußen wäre dahingehend der erste Schritt. Andreas Mittelstädt und seine Spieler werden zwar alles unternehmen, um dem Favoriten das Leben so schwer wie möglich zu machen und an die kleine Chance zu glauben. Schließlich hat der Berliner Trainer laut eigener Aussage auch schon Pferde kotzen sehen. Dabei spielt Gladbach doch in Drochtersen…
Am Samstag tickern wir über das Pokalspiel in Berlin auf unserem Twitter-Account @effzeh_com! Halbgare Prognosen, wilde Schlussfolgerungen und viel Kölsch werden eine Rolle spielen.