Eine Saison, fünf verschiedene Trikots: Unser sammelwütiger Autor verzweifelt ein wenig an den stofflichen Zuständen im Profifußball. Ein kurzer Zwischenruf.
Ein wesentlicher Bestandteil im Leben eines Fußballfans liegt im Sammeln von Gegenständen, Kleidungsstücken und anderen Memorabilien, die der Liebe zum eigenen Verein Ausdruck verleihen sollen. Wer erinnert sich nicht an die Zeiten in der eigenen Kindheit, als man fleißig Panini-Alben mit Spielerbildchen vollklebte? Das erste eigene Trikot mit dem Flock „Lottner“ und der Rückennummer 30?
Nick Hornby hat, neben seiner Beschreibung des Fan-Daseins im ersten wirklich guten popkulturell anerkannten Fußball-Roman „Fever Pitch“, in seinen weiteren Werken genau jene Tätigkeit ausgemacht, die im Leben von normalen Menschen in unserer Gesellschaft eine große Rolle spielt: Das Sammeln von Dingen, von denen man glaubt, dass sie einem wichtig sind. In „High Fidelity“ sammelt der Protagonist Robert Fleming Schallplatten und kann sich genau an diejenigen biographischen Momente erinnern, in denen er sich eine bestimmte Schallplatte gekauft hat.
Das erste Trikot als Beginn einer lebenslangen Liebe
Ähnlich verhält es sich bei Fußball-Fans, deren große Sammelleidenschaft sich im Erwerb von Eintrittskarten, Autogrammkarten oder eben Trikots äußert. Das erste eigene Dress des Lieblingsvereins geschenkt zu bekommen markiert für viele den Beginn einer lebenslangen Liebesgeschichte – an die teils schönen, teils weniger schönen Leibchen werden Erinnerungen geknüpft, grandiose Siege oder bittere Auswärtsniederlagen im Duisburger Regen.
Jedes Jahr aufs Neue das aktuellste Trikot des Lieblingsvereins zu erwerben gehört zu den vielen festen Terminen in der noch fußballfreien Zeit, wenn die ersten Fanartikel-Kataloge versendet werden und die Hoffnung auf eine neue, eine bessere Saison noch am größten ist. Spekulationen über das Design, die Farben und auch den Hersteller der Trikots bestimmen losgelöst vom sportlichen Tagesgeschehen die Diskussionen vieler Fans, die gerne dazu bereit sind, für das neue Trikot 60, 70 oder 80 Euro hinzulegen – Jahr für Jahr und immer mehr.
Oktoberfest, Karneval & Co.: Sondertrikots boomen
Clevere Vereine machen sich dies zunutze und bieten Sondertrikots an, die wenig überraschenderweise dann ebenfalls gekauft werden wie blöd. In München gibt es Trikots in Bezug auf das Oktoberfest, anlässlich des Bremer Freimarkts spielte Werder kürzlich im ungewohnten Weiß-Rot. Und auch in Köln, man ahnt es schon, war die Marketing-Abteilung so clever, vor einigen Jahren auf die Idee des Karnevals-Trikots zu kommen, um dieses dann ausgiebig beworben an die effzeh-Fans zu verkaufen.
Über das ästhetische Empfinden lässt sich bekanntlich trefflich streiten und es ist fraglich, ob die bisherigen Karnevals-Trikots jemals einen Schönheitspreis gewinnen werden. Fest steht jedoch, dass sich somit ein wenig mehr Geld verdienen lässt und dieser Gewinn gleichzeitig in die Erzählung des „Spürbar Anders“ hineinpasst – welcher Verein bietet denn sonst so eine enge Beziehung zum städtischen Karneval?
100 Euro für das Leibchen deines Clubs
In Köln sah man sich anlässlich der überraschenden Qualifikation für die Europa League dann auch dazu gezwungen, dieses spezielle Ereignis in Form eines „Europa-Trikots“ zu feiern – man ergänze ein wenig Nostalgie in Erinnerung an die Finalspiele im UEFA-Pokal 1986 und schon hat man genügend Grundlage, das Trikot zu bewerben. Wählt man einen Spielernamen und dessen Rückennummer aus (sagen wir als Beispiel mal Jonas Hector und die Nummer 14), um ihn auf dem Rücken zu tragen und von mir aus auch noch das leicht überflüssige UEFA-Batch, kommt man auf einen Gesamtpreis von über 100 Euro.
Ein wahres Schnäppchen kann man schießen, wenn man sich das Heimtrikot für die Bundesliga-Spiele sichert – dieses kostet mit allem Drum und Dran 95,44 Euro. Genauso verhält es sich mit dem Auswärts- und dem Ausweichtrikot. Unter dem Strich kann man also, so man denn will, in dieser Saison für fünf effzeh-Trikots (das Karnevals-Leibchen wird ja sicherlich auch noch kommen), fast 500 Euro ausgeben.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das natürlich intelligent, schließlich bestimmt die Nachfrage in gewisser Form auch das Angebot, doch eine Frage muss erlaubt sein: Ist es zwingend nötig, den Erwerb von Stofffetzen, an die man seine Identifikation knüpft, dermaßen auszunutzen? Auch die nachfragende Seite, die Fans, sollten eventuell mal darüber nachdenken, ob man diese Form des Kommerzes wirklich auf lange Sicht aufrechterhalten will.
Wer hat, der kann – doch wie viel Emotion steckt da drin?
Gewiss, wenn jemand dazu imstande ist, sich jedes Jahr für 100 Euro ein neues Trikot zu kaufen, dann soll er das auch tun – ähnlich verhält es sich bei Pauschalreisen nach London, die über 700 Euro kosten. Wer hat, der kann! Doch irgendwie ist das alles nicht mehr so richtig schön. Mit jedem weiteren Trikot, das zu irgendwelchen Zwecken angeboten wird, geht auch ein Stück Identifikation verloren – welche Emotionen will man mit einem Kleidungsstück verbinden, das man keine fünf Mal angehabt hat?