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Kolumnen

Taktikanalyse: Stabilität vor Risiko

Das effzeh-Heimspiel gegen den VfB Stuttgart war sicherlich kein Leckerbissen für Fußball-Liebhaber. Die Kollegen von spielverlagerung.de haben die Partie unter taktischen Aspekten analysiert.

Foto: DIrk Unschuld
Die Grundformationen beider Teams Quelle: spielverlagerung.de

Die Grundformationen beider Teams
Quelle: spielverlagerung.de

Gastbeitrag von René Maric, zunächst auf spielverlagerung.de veröffentlicht

Der 1. FC Köln empfing den VfB Stuttgart. In einem Duell vieler Mannorientierungen und hoher defensiver Stabilität kam die Präsenz im letzten Drittel zu kurz, weswegen beide Mannschaften kaum Torchancen hatten. Dabei waren gut eine Stunde lang die Stuttgarter mit ihrer interessanten Defensivausrichtung die (leicht) überlegene Mannschaft.

Huub Stevens‘ asymmetrisches 4-4-1-1/4-3-2-1

Die Stuttgarter Formation in der Arbeit gegen den Ball war nicht eindeutig zu erkennen bzw. ist schwer zu definieren. Mittelstürmer Martin Harnik war im Normalfall der am höchsten positionierte Spieler, orientierte sich aber in den rechten defensiven Halbraum des Gegners und stand relativ passiv wie zugriffslos halbrechts offen. Leitner wiederum stand diagonal zu ihm versetzt etwas tiefer und besetzte die Mitte. Meistens orientierte sich Leitner an Lehmann und manndeckte diesen, um den Innenverteidigern die Anspielstation im Sechserraum zu nehmen.

Gentner war vermutlich der zweite Sechser neben Oriol Romeu beim VfB. Allerdings hatte er andere Aufgaben als der Spanier und schob immer wieder sehr weit heraus, um Kölns zweiten Sechser – Vogt – mannorientiert zu verfolgen. Dadurch gab es das wohl geplante 4-4-1-1 nicht durchgehend zu sehen, sondern ein 4-3-2-1 mit nach rechts geschobenem Mittelstürmer. Teilweise entstanden gar 4-3-1-2-Formationen wie in einer (sehr breiten) Raute, weil Gentner seinen Gegenspieler weiter verfolgte und höher stand als Leitner. Teilweise rückte Gentner sogar dynamisch auf den rechten Innenverteidiger Kölns heraus, wenn sein eigentlicher Gegenspieler Vogt weit nach hinten abkippte.

Klein und Sararer auf den offensiven Flügeln manndeckten ebenfalls situativ. Wenn Kölns Außenverteidiger weit nach vorne schoben, wurden sie von Stuttgarts Flügelstürmern verfolgt. Meistens geschah dies aber nur ballnah, während der ballferne Flügelstürmer bei den Schwaben zum Ball schob und dann gelegentlich den ballfernen der beiden Kölner Sechser mannorientiert übernahm. Dies erzeugte 5-4-1 und 5-3-1-Formationen.

Foto: DIrk Unschuld

Foto: DIrk Unschuld

Diese Spielweise war durch die Mannorientierungen innerhalb der Formation sehr aggressiv. Spielte Köln den Ball durch die Mitte in Stuttgarts Hälfte oder generell in Stuttgarts Formation hinein, dann gab es sofort aggressives Pressing und Druck. Auch die Abwehrkette Stuttgarts bewegte sich immer wieder mannorientiert aus der Kette heraus, wenn sich Möglichkeiten dazu anboten. Bei tieferer Ballzirkulation der Kölner blieb Stuttgart jedoch passiv, presste kaum über der Mittellinie und ließ die Mannorientierungen im Sechserraum auch sein, wenn Kölns Sechser weit zurückfielen. Dies drängte Köln den Ballbesitz auf; die wiederum das Gleiche beim VfB probierten.

Beide Mannschaften mit konservativem Aufbauspiel

Obwohl Köln viel vom Ball hatte, konnten sie sich kaum Großchancen herausspielen. Stuttgarts tiefe und relativ kompakte Formation im Verbund mit den vielen Mannorientierungen funktionierte relativ gut. In der Anfangsphase gab es noch viele Bälle der Kölner, welche aber wegen mangelnder Effizienz ad acta gelegt wurden. Später zeigten die Kölner durchaus ansehnliche Aufbaustrukturen, befreiten sich teilweise mit guten Bewegungen aus den Mannorientierungen oder nutzten schnelle Ablagen, um die durch die Mannorientierungen des Gegners geöffneten Räume zu bespielen, doch diese Bemühungen erlahmten letztlich allesamt spätestens im letzten Spielfelddrittel.

Stuttgart agierte ähnlich. Sie profitierten von Romeus guter Positions- und Entscheidungsfindung im Sechserraum sowie ganz guter Nutzung des Torwarts und der Innenverteidiger, um den Ball in der ersten Linie laufen zu lassen. Kölns 4-4-1-1 mit dem etwas tieferen Risse bedeutete auch, dass Stuttgart häufig einen freien Spieler im zentralen Dreieck vor dem Torwart hatte. Presste Köln höher, ging der freie Spieler allerdings verloren.

Aus dem 4-4-1-1 wurde dann ein 4-4-2 und einer der Sechser der Kölner verfolgte Romeu. Ansonsten blieb es jedoch beim 4-4-1-1 und einem tiefen Mittelfeldpressing, in welchem Risse sich an Romeu orientierte und Kölns Doppelsechs sich um Leitner und Gentner kümmerte.

Foto: DIrk Unschuld

Foto: DIrk Unschuld

Keine der beiden Mannschaften vermochte es die Mannorientierungen des Gegners konstruktiv und bis vor das gegnerische Tor effektiv zu bespielen. Desweiteren griffen sie unter Druck beide auf weiträumige Pässe entlang des Flügels oder schlichtweg lang gebolzte Bälle in die Spitze zurück, wodurch einzelne vielversprechende Ansätze wieder aufgegeben wurden.

Diese Spielweise bedeutete eine sehr ereignislose erste Halbzeit. In 45 Minuten gab es nur vier Schüsse (einen für Köln, drei für Stuttgart). In der zweiten Spielhälfte gab es ein paar kleinere Umstellungen, doch am Grundtenor des Spiels  veränderte sich wenig.

Anpassungen ohne Veränderungen

Beide Mannschaften passten sich im Laufe der zweiten Halbzeit ein bisschen an, doch auch die zweite Halbzeit stand im Zeichen geringer Präsenz im letzten Dritteln, vielen Unterzahlangriffen und wenigen Chancen. Köln brauchte sogar bis zur 77. Minute, um den ersten Abschluss in der zweiten Halbzeit (und den zweiten im gesamten Spiel) zu verzeichnen. Dabei war es sogar Kölns Trainer Peter Stöger, der seine Mannschaft mehr anpasste und versuchte mehr Offensivpräsenz aus dem eigenen Aufbauspiel heraus zu erzeugen.

Schon direkt nach Wiederanpfiff wurde das Zurückfallen der Sechser verschärft, ein paar Mal ging Lehman gar neben die Innenverteidiger und ermöglichte Rechtsverteidiger Olkowski eine sehr hohe Positionierung. Nach ungefähr einer Stunde gab es dann einen Doppelwechsel bei den Geißböcken, um mehr Dynamik im Zentrum und Anspielstationen innerhalb der Stuttgarter Formation zu erzeugen. Letztere hatten nämlich sehr gut Köln auf die Seiten geschoben und jeglichen Zugriff auf den Zwischenlinienraum versperrt.

Mit Gerhardt und Finne für Vogt und Pesko änderte sich gegen den Ball auf dem Papier nichts, außer, dass Risse nun auf den Flügel wechselte. In eigenem Ballbesitz bedeutete die Umstellung aber, dass Halfar (jetzt von rechts kommend) und Risse immer wieder weit einrückten und die Mitte besetzten. Dies wurde vom sehr weiten Aufrücken der Außenverteidiger unterstützt, die in den letzten dreißig Minuten sehr früh und weiträumig die Breite im letzten Drittel gaben. Desweiteren kippte Lehmann fast durchgehend zwischen die Innenverteidiger ab und blieb dort.

Diese Anpassung sollte nicht nur mehr Dynamik und Dribbelstärke in die Mitte bringen, sondern auch die Mannorientierungen Stuttgarts bespielen. Die Innenverteidiger und Lehmann waren entweder ungedeckt und konnten gemächlich aufbauen oder wurden gepresst, was Räume im Mittelfeld öffnete. Halfar und Risse besetzten die Räume neben Gerhardt dynamisch und Stuttgarts Mannorientierungsspiel griff nicht mehr.

Durch den Mangel an klaren und eindeutigen Manndeckungsmöglichkeiten wirkte Stuttgart in der Schlussphase immer schwächer. Hatten sie vor der Einwechslung Gerhardts und der Umstellung der Flügelbewegungen noch 0:3-Schüsse für sich in der zweiten Halbzeit verbuchen können, lag die Quote in der Schlussphase bei 4:0 für die Kölner. Die Einwechslung von Werner für Sararer und das erhöhte Ausweichen Harniks sowie Gentners tieferes Zurückfallen im Aufbau konnten dies in der Schlussphase nicht kompensieren. Ibisevics und Maxims Einwechslungen für Harnik und Leitner kamen zu spät.

Fazit

Bezeichnenderweise hatte der eingewechselte Finne die beste Chance des Spiels nach einer Ecke, die Ulreich zu Halfar zurückfaustete, der sich im Dribbling durchsetzte und im entstandenen Chaos Finne fand. Ansonsten gab es keine Großchancen, ein paar wenige Abschlüsse und viele Mannorientierungen. Das Spiel war zwar keineswegs langsam, doch beide Teams waren im Aufrückverhalten zurückhaltend und sehr sicherheitsbewusst in der Absicherung. Dies sorgte letztlich für die chancenarme Partie.

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