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Interviews

U19-Trainer Stefan Ruthenbeck im Interview: „Die wollen einfach jedes Spiel gewinnen!“

Nach seinem halbjährigen Intermezzo als Cheftrainer der Profis ist Stefan Ruthenbeck mittlerweile wieder bei der U19 – und das sehr erfolgreich. Wir trafen den Nachwuchstrainer zum Interview.

Foto: Selim Sudheimer/Collection: Bongarts

Wenn man einmal den Blick vom FC zur Situation des deutschen Nachwuchsfußball an sich lenkt, so liest man häufig, dass die Talentförderung in England, Frankreich oder Spanien uns voraus ist. Was fehlt dem Nachwuchsbereich in Deutschland, um wirklich wieder zur europäischen Spitze zu gehören?

Ich glaube, dass es da Aufs und Abs gibt. Vor drei, vier Jahren war der deutsche Fußball das Maß aller Dinge, und jetzt ist es der englische, französische oder holländische Fußball, und auch das wird sich irgendwann wieder drehen. Wir müssen uns einfach ein Stückweit neu orientieren und sollten darauf achten, welche Trends es im Fußball gibt und welche Impulse notwendig sind. Worauf genau muss ich die Spieler vorbereiten? Und da gibt mir das DFB-Lehrbuch von 1978 oder 1984 keine ausreichenden Antworten, denn der Fußball entwickelt sich immer weiter und wird von Jahr zu Jahr schneller, athletischer und komplexer. Die Trainer sind taktisch immer besser geschult, machen sich viel mehr Gedanken über die Positionierung auf dem Spielfeld, und da müssen auch wir Jugendtrainer drauf reagieren. Es kann ja nicht sein, dass wir eine ganze Saison lang ein System spielen und dann, wenn wir den Spieler nach oben abgeben, denken, dass er bei den Profis fünf Systeme spielen kann.

Dazu eine eigene Erfahrung: Das erste Spiel, das ich damals als Cheftrainer beim FC wirklich bewusst erlebt habe, war das Derby gegen Gladbach mit dem Siegtreffer von Terodde ganz kurz vor Schluss. Bei den Spielen davor, in der Europa League gegen Belgrad, bei den Bayern oder auch zu Hause gegen Wolfsburg, wo wir die ersten drei Punkte geholt haben, war das gesamte Trainerteam und auch ich gefühlt im Tunnel, wir haben dreieinhalb Wochen durchgearbeitet und funktioniert, aber nicht wirklich wahrgenommen, was um uns herum so passiert. Als dann klar war, dass wir weitermachen auch mit dem Trainerteam, hatten wir eine zweiwöchige Vorbereitung, und dann kam das erste Spiel gegen Gladbach. Da war es, das Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach in meinem Stadion, und da hatte ich mir vorgenommen, das Spiel auch ein bisschen zu genießen.

MUNICH, GERMANY - DECEMBER 13: Stefan Ruthenbeck, head coach of Koeln looks on prior to the Bundesliga match between FC Bayern Muenchen and 1. FC Koeln at Allianz Arena on December 13, 2017 in Munich, Germany. (Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images

Wie sah das dann genau aus?

Ich habe mich da vorne hingestellt, und nach zehn Minuten habe ich gedacht, was ist das denn für eine Sportart? Was ich da sah, hatte nichts damit zu tun, was ich in der 2. Liga erlebt hatte oder auch als Trainer der U19. Die Spieler der ersten Liga, das sind Hochleistungsmaschinen auf ganz hohem Niveau, wie die mit dem Ball zurechtkommen, wie die in Zweikämpfe gehen, wie die ein 1 gegen 1 auflösen, das war wirklich unglaublich. Und das hat mich dazu gebracht, mir zu meiner Idee des Fußballs in der U19 noch einmal einige Gedanken zu machen. Ich habe gemerkt, dass ich einige Dinge anders machen muss, wenn ich Spieler für die erste Liga ausbilden will.

Bedeutet das, dass Sie aus dem halben Jahr als Cheftrainer bei den Profis Schlussfolgerungen gezogen haben für Ihre Arbeit bei der U19?

Definitiv. Vor allem hinsichtlich Tempo, Athletik, Technik, in Bezug auf all die Anforderungen, die auf diesem Niveau an die Spieler gestellt werden. Bevor ich die U19 wieder übernommen habe im Sommer, habe ich mir viele Spiele nochmal angeschaut, mit einem besonderen Blick auf die Spitzenfußballer. Wie spielt ein Zakaria auf der 6, was macht einen Lewandowski so aus? Ich habe mir Gedanken dazu gemacht, wie z.B. eine Spielform im Training aussehen muss, um dorthin zu kommen. Dabei ist mir aufgefallen, dass wir im Training der U19 bis dato vieles gemacht haben, was man gar nicht unbedingt braucht, dafür aber eine ganze Anzahl von neuen Elementen dazukommen müssen, mit denen ich mich vorher gar nicht beschäftigt habe.

Können Sie ein Beispiel dazu geben?

Die Box-Verteidigung zum Beispiel. Wir haben eine Analyse vom DFB bekommen, aus der hervorging, dass zwischen 70 und 80% aller Tore im Strafraum erzielt werden. Daraus folgte für uns der Ansatz, wie man den Gegner aus dem Sechzehner heraushält, und wenn er sich dort schon befindet, wie man ihn dort verteidigt. Wir haben uns dann die Tore angeschaut, die der FC in meiner Zeit als Cheftrainer hinnehmen musste, und daraus haben wir Ideen entwickelt, wie wir uns zu verhalten haben, wenn der Gegner im Strafraum ist. Das haben wir Box-Verteidigung genannt. Mein Co-Trainer und ich haben einen Artikel dazu für das DFB-Magazin „Fußballtraining“ verfasst.

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Die Spiele auf höchster Ebene werden häufig durch einen Zweikampf im Sechzehner entschieden, durch ein gutes Dribbling, durch die Verwertung einer Flanke oder durch einen Standard. Wir trainieren mit der U19 Situationen, in denen der Gegner beispielsweise über außen in den Strafraum eindringt. Welche Winkel gebe ich dann frei und welche nicht, bei welchen Winkeln ist die Wahrscheinlichkeit eines Torerfolgs hoch, und bei welchen ist das nicht der Fall? Uns ist zum Beispiel auch aufgefallen, dass ganz viele Tore dadurch erzielt werden, dass der Ball durch die Beine eines Abwehrspielers geht, unter den Füßen hindurch oder noch einmal abgefälscht wird. Im Grunde genommen sollten die Abwehrspieler die Beine nicht mehr öffnen. Zu diesen Abwehrstrategien gehört aber auch, wie ich eine Flanke von außen gegnerorientiert verteidige zum Beispiel durch Körperkontakt. Das sind einige der Verhaltensmuster, die wir mit den Spielern bei der Box-Verteidigung trainieren. Sieben Gegentore in 14 Spielen sind das Ergebnis.

Ihr erstes Vorbereitungsspiel nach der Winterpause wird gegen die U19 des VfR Aalen sein. Dort haben Sie als Cheftrainer die ersten Schritte im Profifußball gemacht. Mit welchen Gedanken geht man in ein solches Spiel gegen seinen alten Verein?

Der VfR Aalen wird für mich immer ein besonderer Verein bleiben, weil mir dort die Chance gegeben wurde, im Profifußball zu arbeiten. Leider sind nicht mehr viele Leute dort, die ich kenne. Ich schaue mir aber am Wochenende immer die Tabelle der Regionalliga Südwest an, um zu sehen, wie der VfR gespielt hat. Die U19 der Aalener bereitet sich im Januar ganz in der Nähe auf die Rückrunde vor, und als die Anfrage kam, ob wir ein Vorbereitungsspiel gegeneinander austragen könnten, habe ich sehr gerne zugesagt.

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