Natürlich kann man über Berti Vogts streiten. Man erinnere sich nur an seinen denkwürdigen Auftritt beim Tatort, als er kaninchenstreichelnd den debil-ahnungslosen Nachbarn gab (wobei nach dem letzten Saarbrücker Tatort niemals, niemals wieder über einen vorangegangenen Tatort in irgendeiner Weise hergezogen werden sollte).
Aber mit einer Sache hatte unser ehemaliger Bundesberti recht: 1996, nachdem Deutschland den erst einmal letzten internationalen Titel (bis Lenas Grand Prix-Sieg) holen sollte, war es, als er bemerkte, dass der Star die Mannschaft sei. Trotz Sammer, trotz Möller, trotz Klinsmann. Weg vom Hype um den Einzelnen, hin zur mannschaftlichen Geschlossenheit lautete die Botschaft. Ein eigentlich einfaches Rezept für Erfolg, das dennoch in den vergangenen Jahren beim effzeh leider sehr vernachlässigt wurde, als man mehr darauf achtete, Namen zu verpflichten und weniger das Funktionieren eines Einzelnen in dem sozialen Gefüge eines Teams zu berücksichtigen. Vor der Saison wurde dann ein großer Umbruch eingeleitet, manche haben davon vielleicht schon gehört. Man trennte sich von einigen prominenten Spielern und wandte sich dem Prinzip des Zusammenhaltes zu. Nachdem dies zu Beginn der Saison noch keine Früchte tragen sollte, kam die Mannschaft zur Mitte der Hinrunde langsam in Fahrt. Sie ließ zwar noch einige unnötige Punkte durch Remis liegen, aber man merkte (auch wenn es spielerisch hin und wieder noch etwas rumpelte), dass da etwas zusammen wuchs, das sich vor allem durch Zielstrebigkeit und Bodenhaftung auszeichnet.
Umso ärgerlicher war es, als die Winterpause eingeläutet wurde. Schließlich war zu befürchten, dass das Läufchen, in das sich die Jungs, wie Stani sie immer so nett nennt, spielten, dadurch einen Riss erleben würde. Doch das Trainingslager in Belek verlief zu aller Zufriedenheit: Die Spieler äußerten sich durchweg positiv, lobten Trainingsbedingungen sowie den Teamgeist und scherzten beim traditionellen Abschlussabend mit den Fans. Und unser Trainer zeigte sich zufrieden ob der Darbietungen u.a. gegen den Ligakonkurrenten Bochum, den man humorlos mit 4:0 in einem Testspiel abfidelte, gute Spielweise inklusive. Nicht zuletzt erhielt er zudem seine gewünschten Zugänge für den Sturm (Maierhofer) bzw. zuletzt für die Abwehr (Bruno).
Anschließend folgten noch einige etwas krampfigere Freundschaftsspiele, die dennoch allesamt gewonnen werden konnten. Bis, ja bis am vergangenen Montag das große Highlight anstand: Das abschließende Testspiel gegen den Doublesieger! BVB in Müngersdorf, wie in noch nicht allzu weit entfernten Tagen. Auch dieses Spiel wurde gewonnen, obwohl der BVB teilweise Reus, Götze, Hummels und Sahin aufs Feld schickte und der effzeh wiederum teilweise seine B-Elf aufbot (und auch noch Timo Horn mit Nasenbruch verlor – wir wünschen gute Besserung!).
Was lassen sich für Rückschlüsse daraus ziehen? Ist der effzeh nun besser als der Real Madrid-Besieger und Anwärter auf die Champions League (sobald er mal wieder aufgestiegen ist)? Wohl eher kaum. Stani wies zurecht darauf hin, dass man durch die sechs gewonnenen Testspiele genau 0 Punkte und 0 Tore mehr auf dem Tabellenkonto habe. Und die angesprochene Bodenständigkeit des Teams lässt auch weniger befürchten, dass manchem ein Sieg in einem belanglosen Testspiel zu Kopf steigen könnte. Dennoch lässt sich durch ein solches Ergebnis Selbstbewusstsein für das anstehende Spiel gegen Aue tanken, womit wir endlich zum eigentlichen Kern dieses Beitrags vorstoßen wollen.
Personelle Lage
Offenbar wird Timo Horn trotz seines Nasenbeinbruchs noch rechtzeitig fit und kann am Samstag wieder zwischen den Pfosten stehen und dann hoffentlich auch angstfrei dem Gegner und den gegnerischen Angriffen entgegenhechten. Sollte man ihn aus Vorsichtsgründen doch schonen, wissen wir aber auch, dass wir mit Thomas Kessler eine herausragende Nr. 2 im Kader haben, die einen Ausfall Horns, so bitter er sein möge, dennoch auffangen würde (bildlich und sachlich gesprochen).
Ansonsten sind beim effzeh alle fit, mit Ausnahme der längerfristigen Ausfälle Chihi und Pritsche.
Die junge Garde des effzeh hat im Trainingslager nachdrücklich auf sich aufmerksam gemacht. Sei es Yabo, auf dem doch schon so lange große Erwartungen ruhen, sei es Schnellhardt, der offenbar am nächsten an der ersten 11 dran ist, sei es Gerhardt, sei es Müller. Wir dürfen gespannt sein, wer es nachhaltig schafft und in der Rückrunde zu Einsatzzeiten kommt.
Zudem verfügt der effzeh wie erwähnt durch Maierhofer und Bruno nun über zwei weitere Alternativen. Vorne dürfte auch für Aue Ujah gesetzt sein, sofern sich seine Beckenverletzung als nicht schwererwiegend herausstellen sollte. Hinten ist nicht damit zu rechnen, dass der junge Bruno mit dem Anpfiff der Partie auf dem Rasen stehen wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Stani an seiner Abwehr mit Brecko, McKenna und Maroh festhalten wird, auch wenn rechts hinten zuletzt Yabo und Kübler ausprobiert wurden. Einzig hinten links stellt sich die Frage, wer spielen wird: Eichner, Hector oder doch Wimmer?
Im Mittelfeld hat Clemens scheinbar etwas Boden gut gemacht in Belek, nachdem für ihn der größte Teil der Hinrunde eher enttäuschend verlaufen ist. Lehmann versprach, mit nun größerer Fitness endlich in die erhoffte Rolle der lenkenden Hand auf dem Platz zu wachsen. Er wird wohl gemeinsam mit Matu die defensive Zentrale bilden. Auf den Außenpositionen hat Royer auf sich aufmerksam gemacht, er wird sich einen Konkurrenzkampf mit Clemens liefern – Ausgang unklar. Bröker scheint weiterhin gesetzt und ist nach langer Zeit mal wieder beschwerdefrei. Schnellhardt könnte aber auch noch ins Team rücken, und dann hat der effzeh ja auch noch Sascha Bigalke in der Hinterhand. Die Mittelfeldoptionen bieten definitiv zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten.
Es könnte aber auch sein – und das hat Stani in der Winterpause mehrfach probiert – dass wir ein neues System erleben werden und der effzeh mit zwei Spitzen operiert. Das würde bedeuten, dass er einen Sechser opfern würde. Zumindest für Startelf ist damit allerdings weniger zu rechnen. Vielleicht wird Stani aber auch – je nach Spielstand – während der Partie beide Systeme einsetzen, wie auch zuletzt im Test gegen den Deutschen Meister gesehen.
Erzgebirge Aue brachte es in seinem letztes Testspiel gegen die dänische Mannschaft von Lyngby lediglich zu einem 2:2. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Veilchen auch am Samstag bestrebt sein werden, zwei Tore zu erzielen bzw. ihr Spiel übermäßig offensiv zu gestalten. Vielmehr wird es das oberste Ziel der Sachsen sein, sich auf die eigene Absicherung zu fokussieren. Dabei helfen soll ein nicht ganz Unbekannter: Kevin Pezzoni. Weitere Ex-Kölner im Aue-Kader wie Björn Schlicke und Tobias Nickenig scheinen auszufallen und die Reise in die alte Heimat nicht mit anzutreten – anders als ihr Trainer Karsten Baumann, effzeh-Recke der 90er Jahre. Dieser kann zudem je nach Kreuzband-OP nicht auf die Spieler Kern und Miatke zurückgreifen.
Ausblick
Teilen wir das Thema ‘Ausblick’ in zwei Blickrichtungen: Kurzfristig, also gegen Aue, muss und wird der effzeh alles in die Waagschale werfen, um stark zu starten, um also den Jahresstart versöhnlicher anlaufen zu lassen als den Saisonbeginn. Das Team ist gut drauf, hat Selbstvertrauen, ist mehr und mehr eingespielt und verfügt nun mit Maierhofer und Bruno über zwei sinnvolle weitere Alternativen. Interessant wird zu beobachten sein, inwiefern das junge Team gelernt hat, mit einem Gegner zurecht zu kommen, der vor allem auf die Defensive bedacht ist. In der Hinrunde fanden Stanis Jungs in derartigen Konstellationen zu selten eine passende Lösung und blühten vor allem dann auf, wenn es gegen Mannschaften ging, die ebenfalls auf Offensive und Konter setzten.
Mittel- bis langfristig stellt sich die Frage, ob die sechs Punkte bis zum Relegationsplatz tatsächlich aufzuholen sind. Dazu bleibt festzuhalten: Bei 15 ausstehenden Spielen allemal. Ob man mit der Thematisierung einer möglichen avisierten Aufholjagd der jungen Truppe einen Gefallen getan oder sie vielleicht zu sehr unter Druck gesetzt hat? Gegenfrage: Was wäre die Alternative? Völlig zielfrei die Rückrunde zu bestreiten? Es gibt immerhin einen Unterschied zwischen Ziel und Pflicht. Die Mannschaft eint nun das gemeinsame Ziel, etwas erreichen zu wollen, was ihr bis vor kurzem niemand zugetraut hätte. Das kann Kräfte freisetzen. Sie hat aber nicht die Pflicht, dieses Ziel zu erreichen. Denn ein weiteres Jahr Zweite Liga wäre zwar für die Finanzen des Clubs weniger erträglich und für den Zuschauer weniger packend als Duelle gegen Bayern München. Aber es würde diesem Team, das jung ist und sich im Wachstum befindet, vielleicht auch gut tun. Dennoch wollen auch wir helfen und einfach einmal daran glauben, dass es funktionieren kann. Dass die sechs Punkte aufgeholt werden und uns noch 17 statt 15 Spiele bevorstehen. Denn der Glaube versetzt bekanntlich Berge.
Stimmen der Redaktion
gerosimo: Endlich geht es wieder los! Die ganzen Siege der letzten Wochen machen mich ja schon völlig wuschig!!! Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Rausch gerade jetzt aufhören soll. Nach Adam Riese und Eva Klein komme ich somit auf ein glattes 3:0 für den effzeh.
Lukas: Erst Aue, dann Madrid!
Zyrock: Sechs Siege in der Vorbereitung, das ist eine Hausnummer. Aber im Zweifel können sich Fans und Mannschaft nichts davon kaufen. Es gilt jetzt, die Erkenntnisse aus der Winterpause in der Rückrunde umzusetzen. Zuhause gegen Aue ist eine gute Möglichkeit, damit anzufangen.
antistar: Unkomplizierte Vorbereitung ohne größere Verletzungssorgen? Check. Selbstbewusstsein durch Testspielsiege? Check. Zielsetzung “Relegationsplatz” fest im Blick? Check. Es läuft gut beim FC. Zu gut! Gegen einen tief stehenden Gegner wie Aue wird es am Samstag verdammt schwer, dazu kommt mit Ronny König ein kölsches Schreckgespenst nach Müngersdorf. Ich lege mich fest: Es bleibt bei der desatrösen FC-Bilanz gegen Ostclubs in dieser Saison.
Martin Gödderz: Wir sind jetzt Championsleaguetodesgruppenerster-Besieger. Die Welt steht uns offen. Aue hat im Hinspiel Zuhause deutlich über seinen Möglichkeiten agiert. Die Mannschaft ist gut drauf. Qualitativ sowieso überlegen. Hat eine starke Vorrunde gespielt. Die Folge? Ein mühsam erkämpftes 1:0. Maierhofer. 89.
DooMiniK: Die Mannschaft hatte über die vergangenen Wochen Gelegenheit zusammenzuwachsen und ist offensichtlich weiter gewesen, als manch Ligakonkurrent zum gleichen Zeitpunkt. Jetzt ist es an der Zeit, das wir-Gefühl auch auf den Platz zu bringen, wenn es um etwas geht. Gegen ein Team, das die letzten beiden Auswärtsspiele gewonnen hat, keine leichte Aufgabe.
PapaLöwe: Es läuft gut. Zu gut. Trotzdem muss Aue Federn bzw. Punkte lassen. Am besten drei. Egal wie. Dann gibt`s `nen Run! Ich sag 2:1. COME ON EFFZEH!