Guardiola: Eine Ausnahmeerscheinung
In der Fußball-Berichterstattung der letzten Jahre wird der Name Guardiola jedoch wesentlich häufiger genannt, wenn es um den Fußballstil des letzten Jahrzehnts geht. Natürlich prägte er mit seinem Positionsspiel den Fußball, gewann Titel um Titel und machte auch aus dem FC Bayern München eine (auch taktisch gesehen) europäische Spitzenmannschaft. Problematisch ist dabei jedoch in meinen Augen, dass der Guardiola-Stil ein wenig als das Nonplusultra dargestellt wird – die fußballerische Blaupause, mit der man Erfolg hat, gibt es nämlich nicht. Was man mit dem vorhandenen Spielermaterial anstellen kann, hängt natürlich erstmal davon ab, wie stark die einzelnen Spieler sind – eine derart talentierte Mannschaft wie den FC Barcelona von 2008 bis 2013 findet man sehr selten.
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Dementsprechend wäre es vielleicht sogar etwas wohltuend, wenn Guardiola bei Manchester City eben nicht sofort den Erfolg bringt, sodass man wieder über grundlegende, einfach zu bewerkstelligende Dinge im Fußball spricht, bis dann der nächste Guardiola kommt, der den Fußball revolutioniert. Positionsspiel mit einem durchschnittlich talentierten deutschen Zweitligisten durchzubringen ist eben eine Mammutaufgabe – Guardiola brachte eine Komplexität in das Spiel, die für den normalen Profifußball vielleicht sogar etwas zu groß war.
Diejenigen, die seinem Stil nicht ganz so viel abgewinnen konnten, setzten eher auf reaktive Elemente und kritisierten, dass die hohen Ballbesitzwerte Barcelonas reiner Selbstzweck seien. Zu häufig werden Trainer allerdings zwanghaft einem der beiden Lager zugeteilt, sie sind also entweder reine Ballbesitz-Fetischisten oder parken den Bus vor dem eigenen Sechzehner. Dass es jedoch auch anders gehen und man im Laufe einer Trainerkarriere durchaus Zutaten aus beiden Stilen vermischen kann, zeigen in der Bundesliga unter anderem Julian Nagelsmann, Carlo Ancelotti – und Peter Stöger.
Die Wandlung des 1. FC Köln
Die Komplexität der Bundesliga einigermaßen zu beherrschen, war auch für den Österreicher zu Beginn seiner Zeit beim effzeh eine große Aufgabe. Nach der souveränen Zweitligameisterschaft gelang es ihm aber, den effzeh als defensivorientierte, risikovermeidende Kontermannschaft wieder in der Bundesliga zu etablieren. In den ersten beiden Jahren nach dem Wiederaufstieg war in Köln lange Zeit das 4-4-2-System (Simeone!) an der Tagesordnung, in dem klare Abläufe und ein unterschiedlich intensives Pressing gespielt wurden.
Seine Mannschaft zeichnete sich in den meisten Spielen durch eine enorm stabile vertikale Kompaktheit aus, an der sich die meisten Gegner buchstäblich die Zähne ausbissen. Auswärts wurde häufig auch mal komplett darauf verzichtet, am Offensivspiel teilzunehmen, da man mit vielen Spielern extrem tief verteidigte und sich folgerichtig das 0:0 als Standardergebnis etablierte. Ergebnis und Performance stimmten beim effzeh in den bisherigen 84 Bundesligaspielen unter Stöger, Ausreißer nach unten gab es selten.
Seit mehreren Monaten ist jedoch zu beobachten, dass sich die Mannschaft wandelt: Reaktivität ist nicht mehr das höchste Gut, man sucht selbst häufiger die Initiative und weiß mittlerweile Lösungen, um das eigene Offensivspiel variabler zu gestalten. Stögers Mannschaft spielt eine gute Mischung aus tiefem und hohem Pressing, kann flexibel auf die strategische Herangehensweise des Gegners reagieren – und übernimmt in mehr und mehr Spielen selbst die Kontrolle.
Spielerische Elemente auf der Agenda
Damit dies gelingen konnte, musste Stöger zusammen mit seinen Trainerkollegen in der täglichen Trainingsarbeit immer wieder dieselben Reize setzen. Waren es zuvor noch Klopp-ähnliche Übungen, in denen nach Ballgewinn sofort nach vorne umgeschaltet werden sollte, nutzte Stöger in der Vergangenheit wohl immer häufiger Guardiola-ähnliche Elemente. Das eigene Spiel flach aus der eigenen Hälfte nach vorne zu tragen stand dementsprechend ganz oben auf der Agenda. Bereits im September schrieb ich dazu Folgendes: “Vielmehr haben sich die Transitionen im Offensivspiel verbessert, der effzeh befreit sich mittlerweile besser aus Pressingsituationen, ohne dabei auf das Mittel des langen Balls zu verzichten“. Das klingt dann schon nicht mehr so stark nach Reaktivität.
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