Hohe Erwartungen, Träume von großen Taten und die Hoffnung im Gepäck: Zum Start der Bundesliga-Saison scheint für viele Fans noch alles möglich zu sein. Das gilt insbesondere, wenn der Auftakt in die neue Spielzeit auch noch im eigenen Stadion stattfindet. Vor heimischem Publikum die Chance haben, perfekt aus dem Startblock zu kommen: Was kann es Schöneres geben? Für den 1. FC Köln so manches – auch wenn die Bilanz der gefühlten Wahrnehmung widerspricht. Am Samstag, wenn Darmstadt 98 zu Gast im Müngersdorfer Stadion ist, geht es für das „Real Madrid des Westens“ in seine 47. Bundesliga-Saison – zum 23. Mal startet der effzeh dabei zuhause. Und sieh an: Die Bilanz ist aktuell ausgeglichen, acht Siegen stehen acht Niederlagen und sechs Unentschieden gegenüber. So harmonisch diese Rechnung allerdings ausfällt, so heiß her ging es des Öfteren bei den Auftaktduellen unserer „Geißböcke“.
[perfectpullquote align=”full” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]2014/15: 0:0 gegen den Hamburger SV2011/12: 0:3 gegen den VfL Wolfsburg
2010/11: 1:3 gegen den 1. FC Kaiserslautern
2005/06: 1:0 gegen Mainz 05
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Beispielsweise zu Beginn in die Saison 2010/11, als es gegen den 1. FC Kaiserslautern nichtmals zwei Minuten dauerte, um den Hoffnungen der effzeh-Fans einen dicken Dämpfer zu verpassen: Youssef Mohamad stoppte nach 87 Sekunden den Kaiserslauterner Angreifer Erwin “Jimmy” Hoffer am eigenen Strafraum unfair, Dr. Felix Brych schickte den libanesischen Innenverteidiger stante Pede vom Feld. Eine umstrittene Entscheidung, gekrönt von einer Drei-Spiele-Sperre seitens des DFB. Zwar konnte der effzeh in der ersten Auftaktpartie nach dem Wiederaufstieg unter Christoph Daum noch durch Milivoje Novakovic (8.) in Führung gehen, doch ein Doppelpack von Srdjan Lakic sowie Ivo Ilicevics Treffer erledigte die ernüchternde Pleite zum Start.
Dabei hatten die Kölner ihren letzten Heimauftakt vor 2010 gewonnen, wenn auch auf ähnlich umstrittene Weise: Gegen Mainz 05 brauchte es 2005 zum Einstand von Uwe Rapolder einen unberechtigten Elfmeter, um letztlich kurz vor dem Abpfiff für die Entscheidung zu sorgen. Der ungarische Wunderstürmer Attila Tököli stolperte in seinem einzigen Bundesliga-Einsatz für den glorreichen effzeh in den Strafraum, Schiedsrichter-Legende Babak Rafati entschied zugunsten der jubelnden Kölner, Abwehr-Ikone Björn Schlicke blieb vom Punkt eiskalt: 1:0 im Duell zwischen “Alaaf” und “Helau”. Am Ende einer turbulenten Saison stand trotz Turbo-Start der nächste Abstieg zu Buche.
[perfectpullquote align=”full” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]1997/98: 3:2 gegen den MSV Duisburg1995/96: 0:1 gegen Schalke 04
1993/94: 0:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern
1990/91: 1:1 gegen Fortuna Düsseldorf
1988/89: 1:1 gegen Bayer Uerdingen
1985/86: 1:1 gegen Eintracht Frankfurt
1983/84: 2:3 gegen Arminia Bielefeld[/perfectpullquote]
Dabei hätte der effzeh doch nur aus der Vergangenheit lernen müssen, denn der letzte Auftakterfolg in Müngersdorf datierte aus der Saison 1997/98. Für die chronisch startschwachen Kölner sollte der MSV Duisburg eine Hürde sein, die zu nehmen war. Trotz zweimaligem Rückstand waren es Holger Gaißmayer, René Tretschok und Toni Polster, die die “Geißböcke” zum ersten Auftaktsieg im eigenen Stadion seit 26 Jahren (!!!) schossen. Leise Träume von besseren Zeiten hallten zum Start der Jubiläumssaison durch Köln, das bittere Ende nach 50 Jahren 1. FC Köln ist bekannt.
Zwei Jahre vorher ging es deutlich schwächer los: Gegen ein biederes Schalke setzte es für den effzeh, unter Morten Olsen mit leisen Europapokal-Hoffnungen gestartet, eine unnötige 0:1-Niederlage. Youri Mulder traf in der 75. Minute zum entscheidenden Treffer für die “Königsblauen”, die danach in den UEFA-Cup marschierten. In Köln herrschte große Ernüchterung, die zwei Wochen später noch schlimmer wurde: Bei der SpVg Beckum schied der effzeh um Polster, Labbadia, Munteanu und Oliseh in der ersten Pokalrunde sensationell aus, für den ambitionierten Olsen das endgültige Aus in der Domstadt. Nach nur zwei Spieltagen in der Bundesliga-Saison.
[perfectpullquote align=”full” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]1981/82: 1:0 gegen Borussia Dortmund1979/80: 2:1 gegen 1860 München
1976/77: 3:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern
1974/75: 0:1 gegen Rot-Weiss Essen
1973/74: 1:1 gegen Eintracht Frankfurt
1971/72: 0:0 gegen Werder Bremen[/perfectpullquote]
Eine andere Atmospäre herrschte definitiv im August 1979 vor, als der effzeh die neue Saison mit einem Heimspiel gegen 1860 München begann. Damit kam es direkt zum Auftakt zur “Rückkehr des verlorenen Sohns” Heinz Flohe, der nach Streitigkeiten mit Hennes Weisweiler den effzeh Richtung Süden verlassen hatte. Während die “Geißböcke” auf dem Platz einen verdienten 2:1-Erfolg erfuhren und es sich sogar leisten können, zwei Elfmeter zu verschießen, war die Stimmung auf den Rängen angespannt: Die Vertreibung des Publikumslieblings ließen die Fans nicht unkommentiert, sogar “Weisweiler raus”-Rufe sollen erklungen sein. Ein Auftakterfolg also, der die Nerven der anspruchsvollen Anhänger ein wenig besänftigen sollte.
Eine doppelte Premiere erlebten dagegen die 24.000 Kölner Anhänger, die zum ersten Spieltag der Bundesliga-Saison 1971/72 pilgerten: Gegen Werder Bremen gab nicht nur Gyula Lorant seinen Einstand als effzeh-Trainer, erstmals spielten die “Geißböcke” in der Radrennbahn, der direkten Vorgängerin des heutigen Albert-Richter-Radstadions. Zwar reichte es in Abwesenheit von Spielmacher und Kapitän Wolfgang Overath gegen die Hanseaten nur zu einem 0:0, doch die Kölner hatten mit der Radrennbahn ihren Frieden geschlossen: Während der Neubauphase des Müngersdorfer Stadions, eigentlich für die WM 1974 geplant und dann doch erst 1975 fertiggestellt, sorgten die Zuschauer dank ihrer Nähe zum Spielfeld in der engen Arena für eine geladene Atmosphäre und waren ein wichtiges Faustpfand für so manche Aufholjagd.
[perfectpullquote align=”full” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]1969/70: 3:2 gegen Eintracht Braunschweig1968/69: 2:1 gegen Kickers Offenbach
1966/67: 2:0 gegen 1860 München
1965/66: 0:1 gegen Hannover 96
1964/65: 2:3 gegen Hertha BSC [/perfectpullquote]
Den bekannten Kölner Wankelmut bewies der effzeh dagegen zum Auftakt der Spielzeit 1969/70: Nachdem in der Vorsaison der Abstieg erst am letzten Spieltag vermieden werden konnte, drohte nach 64 Minuten gegen Eintracht Braunschweig wieder ein ernüchternder Einstieg zu werden. Erich Maaß hatte die Niedersachsen mit einem Doppelpack 2:0 in Führung gebracht, doch der effzeh glich die Partie innerhalb von drei Minuten aus: Erst traf Carl-Heinz Rühl (72.) per Foulelfmeter, dann sorgte Peter Blusch für das 2:2. Die Entscheidung gebührte dem Star der Mannschaft: Nationalspieler Wolfgang Overath schoss seine “Geißböcke” fünf Minuten vor dem Abpfiff zum Auftakterfolg.
Bei der Premiere eines Bundesliga-Starts im eigenen Stadion 1964/65 lief das Spielchen noch andersherum: Nach der Meisterschaft in der Debütsaison der höchsten deutschen Spielklasse sah es gegen Hertha BSC lange nach dem standesgemäßen Auftakt in das Unternehmen Titelverteidigung aus. Hans Schäfer (damals mit 37 Jahren ältester Bundesligaspieler) und Karl-Heinz Thielen brachten den effzeh souverän in Führung, doch danach schlich sich offenbar der berühmte “Bruder Leichtfuß” ein: Nach den Toren von Faeder und Rühl gelang den Berlinern eine Minute vor Abpfiff sogar noch der Siegtreffer.
Was sagt uns das für den Auftakt gegen Darmstadt? Nichts ist wirklich so schlimm, wie die gefühlte Wahrheit es einem weismachen will. Und früher, in den goldenen Zeiten des glorreichen 1. FC Köln, war alles definitiv nicht besser, nur anders. Wobei: So einen 3:2-Heimerfolg nach 0:2-Rückstand – wäre das nicht etwas, dass den Samstag verschönern könnte? Klar ist, das nach elf Jahren ein erfolgreicher Saisonstart im Müngersdorfer Stadion einfach fällig ist.