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Fankultur & Sportpolitik

Polizeieinsatz in Bochum: Nicht die Fans sind das Problem, sondern die Einlasssituation

Am gestrigen Samstag kam es vor dem Gästeblock in Bochum zu einem laut der Kölner Fanhife „unverhältnismäßigem Polizeieinsatz”. Unser Autor war vor Ort und uns vorliegende Videoaufnahmen stützen diese Beobachtung. Ein Kommentar.

Man nehme an, die DFL terminiert ein NRW-Auswärtsspiel des 1. FC Köln auf Samstag, den 11.11. Das allein klingt schon so absurd, dass es nur wahr sein kann. Und so machten sich rund 3.000 Jecke an einem der höchsten kölschen Feiertage auf den Weg in den Ruhrpott. So leicht wie dieser saloppe Einstieg fiel, folgt nun aber leider die harte und ungalante Kehrtwende. Denn wir müssen dringend sprechen: über hausgemachte Probleme in Bochum, die Einlasssituation am Gästeblock, und über unverhältnismäßige Polizeigewalt gegenüber Fußballfans.

Die Situation entfaltete sich wie folgt: Rund 30 Minuten vor Anpfiff standen aufgrund der seit Jahren (!) katastrophalen und wirklich gefährlichen Einlasssituation am Gästeblock des Ruhrstadions noch rund 1.000 Fans des 1. FC Köln vor dem Stadion und warteten auf Einlass. Für den Stehplatzbereich, für den der Großteil der Fans anstand, existiert in Bochum exakt ein Eingang, der aus zwei Reihen und zwei Drehkreuzen besteht. Bei diesen Voraussetzungen braucht es keinen Albert Einstein, um zu merken, dass es in keiner Weise ausreicht, um eine so große Anzahl an Fans zügig und ohne große Wartezeit ins Stadion zu lassen. So entstand, je näher der Anpfiff rückte, auch Unruhe in der Menge.

Bereits an dieser Stelle muss die Frage gestellt werden, warum nur zwei Kontrollpunkte für so viele Fans vorgesehen sind? Dass die aktive Fanszene am Stadion ankam, merkte man im Übrigen daran, dass Polizeieinheiten hektisch zum Eingang liefen und sich dort vor dem Block als auch hinter der ersten Kartenkontrolle und vor dem Einlass an den Drehkreuzen in massiver Präsenz aufbauten. So ist die darauffolgende Eskalation eine sich immer wieder selbst erfüllende Prophezeiung. Nicht die Fans, die ins Stadion wollen, sind das Problem. Sondern die Einlasssituation, die nicht auf so viele Menschen ausgelegt ist.

Mangelhaftes Einlasskonzept für Gästefans ist in Bochum eine Konstante

Ich kann mich an kein Auswärtsspiel unseres 1. FC Köln in Bochum erinnern, an dem es beim Einlass nicht zu Drängeleien und Kontrollverlust der Sicherheitskräfte kam. Entsprechend ehrlich sollte man in Bochum sein, sich einzugestehen: Das Einlasskonzept für Gästefans dieser Größe ist nicht ausreichend und bedarf einer dringenden Überarbeitung! Zusätzlich trugen die „zur Hilfe eilenden“ BFE-Bundespolizisten mit ihrem aggressiven und martialischen Auftreten nicht zur Beruhigung, sondern massiv zur Eskalation der Einlasssituation bei.

Effzeh.com liegen Videoaufnahmen vor, in denen klar zu erkennen ist, wie Fans in den ersten Reihen stehen und erkennbar die Hände heben, um den vor ihn stehenden Beamten zu signalisieren, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht. Um in der Folge von behelmten, vermummten und nicht gekennzeichneten BFE-Polizisten mit Schlagstöcken und Pfefferspray massiv attackiert zu werden. Unter diesen Fans war keineswegs nur die von der Polizei sogenannte “Problemfanszene”, sondern auch ganz normale Fans. Ob es eine Entscheidung des Sicherheitsdienstes oder der Polizei war, nach dem Gedränge und dem Polizeieinsatz die Tore für alle draußen wartenden Fans zu schließen, wissen nur die Verantwortlichen. Die Fans, die zwischen den Kontrollpunkten festgehalten wurden, waren den Gewaltexzessen jedenfalls schutzlos ausgeliefert. Aus Fankreisen war zu vernehmen, dass mindestens drei Personen im Krankenhaus behandelt werden mussten.

COLOGNE, GERMANY - JANUARY 14: Police or Polizei watch the fans of Borussia Monchengladbach during the Bundesliga match between 1. FC Koeln and Borussia Moenchengladbach at RheinEnergieStadion on January 14, 2018 in Cologne, Germany. (Photo by Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Am Ende der Eskalationsspirale standen komplett geschlossene Zugänge, kein Fan kam mehr rein oder raus. Als eine Gruppe Fans den Stadionumlauf wieder verlassen wollte, kam es erneut zu einer Auseinandersetzung mit den BFE-Einheiten, die die Fans nicht aus dem Stadion lassen wollten.

Spätestens an dieser Stelle müssen grundsätzliche Fragen gestellt werden: Welche Einsatztaktik liegt einem solchen Verhalten und Umgang mit Fans zugrunde? Welches Ziel wird hier verfolgt? Lernt man an der Polizeischule wirklich, dass Gewalt gegenüber einer Masse an Fans unruhige Situationen beruhigt? Was, wenn eine Panik aufgelöst worden wäre und die Tore geschlossen waren? Muss erst ein Fußballfan so unglücklich mit einem Schlagstock getroffen werden, dass ernsthafte Konsequenzen für Leib und Leben entstehen, bis wir über Polizeigewalt sprechen? Am Vorabend unseres Spiels in Bochum machte ein anderer Polizeieinsatz von Pfefferspray in einem vollbesetzten Auswärtsblock (von Hannover bei St. Pauli) Schlagzeilen: Wann wird endlich der Einsatz von Pfefferspray in Menschenmassen von einer breiten Öffentlichkeit thematisiert und geächtet? Was, wenn es zu einer Panik kommt?

In vielen Bundesligastadien werden Gästefans strukturell benachteiligt

Erst bei unserem Spiel in Frankfurt kam es in dieser Saison zu einem Polizeieinsatz im Gästeblock, bei der die Polizei in den vollen Block pfefferte und so viele Verletzte billigend in Kauf nahm. Leider wurde dieser unverhältnismäßige Polizeieinsatz wiederholt und auch nicht durch die eigenen Vereinsfunktionäre ausreichend aufgearbeitet. Auch das Einlassproblem in Frankfurt ist im Übrigen hausgemacht, denn dort erwartet Gästefans immer eine doppelte Kontrolle. Auch dort wird der Einlass vor dem Block künstlich verkleinert und dann eine große Masse an Gästefans durch einen so geschaffenen Flaschenhals getrieben, sodass es dort regelmäßig zu Stress und Auseinandersetzungen kommt. Denkt man wirklich, dass Pfefferspray eine Situation, in der gedrängelt wird und hunderte Fans durch einen viel zu kleinen Eingang geleitet werden, beruhigt? Wäre es nicht viel wichtiger, die Einlasssituation strukturell zu verändern, sodass diese Flaschenhälse nicht entstehen? Warum werden Gästefans in Frankfurt immer doppelt kontrolliert?

Doch zurück nach Bochum: Die künstlich geschaffene Pattsituation löste sich erst auf, nachdem die aktive Fanszene im Laufe der ersten Halbzeit von draußen verkündet hatte, auf einen Besuch im Stadion zu verzichten und abzureisen. Und erst als die aktive Fanszene bei ihren Reisebussen war, wurden zum Ende der ersten Halbzeit die Tore wieder für alle geöffnet und der Einlass für draußen wartende Gästefans möglich.

Fußballfans als Testballon für Euro2024?

Gerne hätten wir für euch auch ein paar Sätze zum Spiel geschrieben, doch viel dringender scheint die Aufarbeitung des Einlasskonzeptes und des Polizeieinsatzes. Ein Schelm, wer bei diesem Ausmaß der allwöchentlichen Polizeigewalt bei Bundesligaspielen an die anstehende EM 2024 im eigenen Land denkt und das Einsatzkonzepte schon jetzt an Fußballfans exerziert werden könnten. Gleiches war schon im Vorfeld der WM 2006 zu beobachten, als Fußballfans ein überdurchschnittliches Maß an polizeilichen Repressionen zu spüren bekamen.

Wenn ihr selbst Augenzeuge der Vorfälle gewesen seid oder Handyvideos gemacht habt, lasst sie der Fanhilfe “Kölsche Klüngel” unter Kontakt@koelsche-kluengel.net zukommen. Die Fanhilfe selbst hat auch schon auf die Vorfälle reagiert und spricht in einem ersten Statement von einem unverhältnismäßigen Einsatz. Schickt eure Vorfälle auch dem 1. FC Köln und dem Mitgliederrat unter Mitgliederrat@fc-koeln.de. Es braucht eure Stimme, wir brauchen eure Eindrücke. Wir sind Fußballfans und eben keine Verbrecher. Wir sind kein Testballon für Polizeieinsätze. Lasst uns nicht zulassen, dass die Mär von gewaltsuchenden “Problemfans” unwidersprochen in Medien verbreitet wird.

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