Er sollte die Zukunft des effzeh mitbestimmen und eine der Säulen beim Neuaufbau werden, nun steht er beim FC Bayern unter Vertrag. PLATZSPERRE für Mitchell Weiser.
Mitchell Weiser. „FC-Köln Star“ (BILD), „Super-Talent“ (BILD, tz), “Juwel” (Express), “Köln-Juwel” (T-Online), wahlweise auch „das größte FC-Talent“ (wieder BILD). Der neue Poldi, das kommende Gesicht des effzeh, der zukünftige Nationalspieler. Was wurde nicht alles geschrieben über diesen achtzehnjährigen mit der beeindruckenden Erfahrung von 16 Bundesligaminuten. Ich will Weiser keinesfalls sein Talent absprechen, das er in diversen Einsätzen für die U-Nationalmannschaften bewiesen hat. Aber die mediale Überhöhung und die damit einhergehende Überhöhung durch viele Fans bringt mich nach wie vor nur dazu, heftig mit dem Kopf zu schütteln.
Das Messias-Denken ist in Köln, bei Fans und Medien, tief verwurzelt. Weiß ich, kenn ich, bin ich auch nicht immun gegen. Aber wenn wir für einen Moment unsere Emotionen, unseren Wunsch nach Besserung auf dem Einfachsten aller Wege vergessen, dann müssen wir die unzähligen Spieler, Trainer und Verantwortlichen sehen, die vor allem in den letzten Jahren in diese Rolle gedrückt wurden und sie zu keinem Zeitpunkt ausfüllen konnten. Da muss man nicht bei Daum anfangen, da reicht schon der Verweis auf Denis Epstein. Es ist zu einfach, Zukunftschancen und Neuaufbau an einzelnen Personen festzumachen. Wenn die Poldi-Rückkehr eine Sache gezeigt hat, dann diese. Man braucht, egal ob in der Bundesliga oder in der zweiten Liga, mehr als einen überragenden Einzelspieler, um Erfolg zu haben. Kurzfristig und langfristig.
Bei Mitchell Weiser kommt noch der Unsicherheitsfaktor hinzu, dass niemand wissen kann, ob er dieser überragende Einzelspieler sein kann. Zu viele Spieler vor ihm haben den Sprung in den professionellen Fußball nicht geschafft, konnten ihr Potential aus der Jugend nie wieder abrufen. Es wäre also falsch seinen Abgang nun übertrieben zu bedauern, schon weil der effzeh diesmal – ausnahmsweise, möchte man fast sagen – alles richtig gemacht hat. Der Spieler hatte nur noch ein Jahr Vertrag und wollte wechseln, man hatte also die Wahl nun eine Ablöse / Ausbildungsentschädigung zu generieren, oder ein Jahr einen unzufriedenen Spieler zu haben, den man dann ohne Gegenleistung ziehen lassen muss. Der finanziell Klamme effzeh entschied sich für das Geld und damit für die Chance, einen Neuaufbau nur mit Spielern zu machen, die langfristig an den Verein gebunden sind und auch über das erste Jahr hinaus Teil dieser Mannschaft sein werden.
Im Gegenzug dazu hat Mitchell Weiser in meinen Augen einen schlechten Deal gemacht. Sicher, man kann im Profifußball keinen Erfolg haben, ohne eine gewisse Portion an Arroganz und Selbstbewusstsein. Trotzdem ist es doch nach all diesen Jahren, in denen Spieler mit großen Worten zum FC Bayern gelotst wurden, traurig und naiv, wenn ein Spieler sich freut, direkt mit der ersten Mannschaft trainieren zu dürfen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler, der nicht für die erste Mannschaft geholt wurde, sondern „zunächst“ für die Bank / die zweite Mannschaft, sich auf Dauer durchsetzt? Petersen, Olic und Pranjic sind nur drei Spieler, die unter dieser Prämisse geholt wurden und über eine Ergänzungsrolle nie hinauskamen. Machen wir uns nichts vor, der FC Bayern ist kein Verein für Perspektivverpflichtungen. Das mussten schon Jan Schlaudraff und Marcell Jansen feststellen, neben gefühlt Hundert anderen, zu denen sicher auch in diesem Jahr einige Neuzugänge hinzukommen.
Besonders traurig ist in diesem Zusammenhang der bittere Beigeschmack, den der Wechsel von Mitchell Weiser hinterlässt. Ist es Zufall, dass er den effzeh verlässt, kurz nachdem sein Vater, Patrick Weiser, als Co-Trainer beurlaubt wird? Der Spieler bestreitet einen Zusammenhang, aber irgendwo wird es sicher eine Rolle gespielt haben. Und wenn es nur ein Grund weniger war, in Köln zu bleiben. Ausschlaggebend wird es aber nicht gewesen sein, ausschlaggebend war wohl wirklich die Überzeugung anders zu sein als all die Anderen. Mitchell Weiser glaubt daran, dass er die Ausnahme von der Regel ist. Der Perspektivspieler, der sich durchsetzen kann. Nach seinem Dienstantritt an der Säbener Straße sagte er der Bayern-Vereinshomepage: “Ich bin überzeugt, dass ich es schaffen kann – irgendwann.”
Ich wünsche ihm viel Glück dafür. Er wird es brauchen.