Die 14 Millionen für Thomas Häßler sind bis zum heutigen Tag nicht komplett gefunden worden. Man verpasste es schlicht, Littbarski passende Mitspieler an die Seite zu stellen. Die vom Offensivstar angesprochenen drei Jahre waren vorbei. Ein Jahr später bestand dennoch noch einmal die Chance auf Silberware, denn der FC erreichte unter Trainer Erich Rutemöller das Pokalfinale in Berlin und traf dort auf Werder Bremen. In der Liga hatten die “Geißböcke” den UEFA-Cup verpasst und gegen Ende einige happige Niederlagen kassiert.
Auf dem Weg ins Endspiel gab es aber einmal mehr einen emotionalen Höhepunkt in der Karriere von Pierre Littbarski: Im Viertelfinale kreuzten die “Geißböcke” die Klinge mit dem VfB Stuttgart, trainiert vom ehemaligen Kölner Erfolgscoach Christoph Daum. Littbarski hatte sich nach dem WM-Titel am Knie operieren lassen, sein Comeback wurde von den FC-Fans sehnlichst erwartet. Gegen die Schwaben sollte es endlich so weit sein – mit einer kleinen List.
Litti hatte bei seiner Rückkehr ins Mannschaftstraining unter der Woche zunächst angeschlagen gewirkt, im Stadion blieb der Name hinter “seiner” 10 zunächst leer. Unter großem Jubel erschien dann kurz vor Spielbeginn dort “Littbarski” – die Masse im Müngersdorfer Stadion tobte. Nach großem Kampf mit einem starken Rückkehrer rangen die “Geißböcke” den VfB in der Verlängerung durch einen Treffer von Maurice Banach auf Littbarskis Vorlage nieder. “Das emotionalste Spiel meiner Karriere” – da ist sich der Meisterdribbler auch heute noch sicher.
Kleiner Mann, große Fußstapfen
Im Endspiel gab es für die Kölner nichts zu jubeln: Der FC verlor gegen Bremen in einer umkämpften und ausgeglichenen Partien erst nach Elfmeterschießen, auch Litti verschoss diesmal einen wichtigen Elfer. Der Verein verpasste so die wichtigen Europapokal-Einnahmen und ward seitdem im Berliner Endspiel nicht mehr gesehen. Bremen hingegen schwang sich auf zum Spitzenteam und gewann im Folgejahr den damals noch existenten Europapokal der Pokalsieger.
Nicht der einzige Tiefschlag für die “Geißböcke”, die kurz nach der Finalniederlage ein vielversprechendes Talent auf tragische Weise verloren: Trotz des Riesenschock durch den Unfalltod von Maurice Banach schaffte es der FC in der Saison 1991/1992 unter Trainer Jörg Berger irgendwie, den vierten Platz zu erreichen. Damit wurde der Einzug in den Europapokal noch einmal geschafft, allerdings schieden die Kölner bereits in der ersten Runde gegen Celtic Glasgow aus. Mit Pierre Littbarski kämpfte der FC in der Saison 1992/93 dann nur noch gegen den Abstieg, der hier noch verhindert werden konnte.
Foto: imago images/kicker/Eissner
Für Litti war nun Schluss, der 33-jährige hatte ein Angebot aus Japan angenommen und wechselte nach Asien, wo er für sich persönlich schöne Jahre erlebte, dem großen Fußball aber Adé sagte. In Köln hinterließ er ein gewaltiges Erbe: 406 Bundesligaspiele (116 Tore), 40 DFB-Pokalspiele (10 Tore), 55 Europapokalspiele (16 Tore), dazu 73 Länderspiele (18 Tore). Nur Toni Schumacher und Wolfgang Overath haben mehr Bundesligaeinsätze für den FC, nur Hannes Löhr und Dieter Müller haben öfter in der höchsten deutschen Klasse mit dem Geißbock auf der Brust gespielt und getroffen.
Ein merkwürdiger Abschied und Distanz zum 1. FC Köln
Umso merkwürdiger, das sein Abschiedsspiel im Jahr 1993 nur verhältnismäßig wenige Zuschauer anzog (um die 20.000) und sich danach der Kontakt zu seinem langjährigen Stammverein sehr schnell abkühlte. Das Verhältnis wirkt bis zum heutigen Tage eher kühl und freundlich-distanziert. Immerhin ist er jetzt auch bereits seit zehn Jahren in Wolfsburg ansässig und beim dortigen Werksverein mittlerweile als Markenbotschafter tätig.
In Fankreisen ist Litti für die Mehrheit ein großer FC-Held geblieben, wenn es auch einige gibt, die ihm eine Co-Trainer-Funktion beim Rivalen aus Leverkusen, auch aufgrund einiger damals provakanter Sprüche aus dieser Zeit Richtung Köln, nicht ganz verzeihen möchten. Pierre Littbarski aber war ein Spieler des 1. FC Köln, der zwei Epochen des Vereins erlebte und maßgeblich prägte. Zum ersten die, als der Verein auf dem Wege war, nach dem gewonnenen Double nach noch Jöherem strebte und dabei – trotz guter Platzierungen – ohne Littbarskis Verschulden letztlich scheiterte.
Foto: imago images/WEREK
Zum zweiten prägte er die Zeit und weckte die Hoffnungen nach seiner Rückkehr in der Ära Daum, als der „neue” 1. FC Köln zurück auf dem Weg zur nationalen Spitze war und den übermächtigen Bayern zeitweise Paroli bieten konnte. Als er den Verein verließ, ging der letzte Superstar auf dem Feld. Graue Zeiten brachen an, die in den ersten Abstieg mündeten. Um die Meisterschaft hat seit Littis Ära keine FC-Generation mehr gespielt. Alles Gute zum 60. Geburtstag, Effzeh-Legende!