“Kein Spieler wird ohne Live-Begutachtung verpflichtet. Wir arbeiten eng mit unseren Live-Scouts zusammen, geben Anregungen, stimmen uns ab und überprüfen gegenseitig unsere Erkenntnisse”, wurde Boris Notzon, mittlerweile Sportdirektor in Kaiserslautern, damals zitiert. Das “komplexe, gut aufgestellte Modell” sei in Europa gar einmalig, was auch an der technischen Umsetzung gelegen habe. Damals mussten Server, Leitungen und Satelliten eingerichtet werden, um die Abteilung überhaupt erst funktionsfähig zu machen. Die “BILD” schrieb damals gewohnt sachlich über die Innovation beim effzeh: “Entdeckt wurde der Brasilianer am Computer – unter der Tribüne des Franz-Kremer-Stadions. Im geheimen „Scouting-Keller“ des 1. FC Köln. Schon der Eingang erinnert an einen James-Bond-Film. Die Tür ist schwer gesichert. Einlass nur über einen Code.”
Keine Revolution des Spielerscoutings durch das “SportsLab”
Für die Verpflichtung von Geromel hatte der Aufwand sich tatsächlich bezahlt gemacht, die langfristigen Erfolge im “SportsLab” sollten sich dann allerdings nicht einstellen. Damals gab es einen großen Hype um die Quantifizierung und Analyse von Daten, das Spielerscouting brachte das aber letztendlich nicht entscheidend voran. Jörg Jakobs, mittlerweile ehemaliger Sportdirektor des 1. FC Köln, kritisierte das “SportsLab” 2014 in einem Interview mit “Spox”, er sagte: “Nach unseren Vorstellungen soll eine Scoutingabteilung wie gesagt möglichst geräuschlos arbeiten. Beim FC wurde zuvor ein anderer Weg gewählt. Nachdem das Sportslab 2008 gegründet wurde, ist man damit auch immer ganz offensiv als Vision und Innovationstempel nach außen gegangen. Das ist aus meiner Sicht unlogisch.”
Foto: Lucas Uebel/Getty Images
Im Zuge der Umstrukturierungen unter Jakobs und Schmadtke wurde das “SportsLab” aufgelöst. Bis heute wird es dennoch immer noch mit der Verpflichtung von Geromel assoziiert wird. Dass die Qualitäten des Brasilianers in Köln bleibenden Eindruck hinterließen, lässt sich nicht leugnen: Die Eleganz des Innenverteidigers war im unausgewogen zusammengestellten Kölner Kader etwas Besonderes. Man kann sich diffus an unzählige Szenen erinnern, in denen der Verteidiger erst ganz grazil einen Zweikampf gewann, bevor er den Ball mit einem guten Pass nach vorne spielte. Der Autor dieser Zeilen ist nach wie vor der Meinung, dass Geromel vielleicht unter anderen Umständen und in einer anderen Mannschaft zu einem Innenverteidiger hätte reifen können, der bei einem europäischen Top-Verein hätte spielen können. Man darf nicht vergessen, dass Geromel erst 22 Jahre alt war, als er nach Köln kam – man hätte ihm aber dennoch einen schöneren Europa-Aufenthalt gewünscht.
Geromel über den 1. FC Köln: “Ich bin Fan geworden”
Dass ihm die Stadt Köln ans Herz gewachsen ist, verriet er anlässlich des Länderspiels am Dienstag zwischen Deutschland und Brasilien dem “EXPRESS”. “Nachdem ich dort aufgehört habe, bin ich ein Fan geworden. Es weckt noch viele Emotionen in mir, wenn ich an die Stadt und den Verein denke. Der FC steckt in einer schwierigen Situation. Ich glaube aber, dass es der FC noch schafft. Jetzt sind sie nicht mehr Letzter, das war der erste Schritt.” Seine eigene Zeit in Köln beurteilt er wie folgt: “Es waren es sehr lehrreiche Jahre. Die ersten zwei Jahre waren spektakulär, da war die Mannschaft sehr gut. Mit der Verpflichtung von Podolski und Maniche wollte der Verein das nächste Level erreichen, aber im vierten Jahr hat es uns leider erwischt. Nichtsdestotrotz habe ich sehr positive Erinnerungen, und ich war in Köln sehr glücklich. Ich habe mich als Mensch und Spieler in Köln weiterentwickelt.”
In seinen vier Jahren in der Domstadt entwickelte das Kölner Publikum jede Menge Sympathien für den Innenverteidiger, der jetzt ein paar Jahre später als Symbolfigur des “alten” effzeh mal wieder nach Deutschland zurückkehrt. Während Geromel in Brasilien um die ganz großen Meriten kämpft, geht es für den 1. FC Köln wahrscheinlich mal wieder in Richtung zweite Liga. Und so haftet beiden ständig etwas Unstetes an.