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Novakovic hört auf: Abschied eines echten Typen

Milivoje Novakovic hat seine Karriere beendet. Mit ihm geht einer dieser echten Typen, der in dunklen Zeiten zumeist Lichtblick beim 1. FC Köln war.

Foto: Jure Makovec/AFP/Getty Images

Milivoje Novakovic hat seine Karriere beendet. Der Slowene stand am Wochenende bei einem Länderspiel gegen Malta zum letzten Mal als aktiver Profi auf dem Platz. Mit Novagol geht einer dieser echten Typen, der lange Zeit einen der einzigen Lichtblicke im dunklen Kölner Himmel darstellte.

Es ist gerade einmal ein paar Tage her, da gingen die Bilder von einem in Tränen aufgelösten Francesco Totti um die Welt. 24 Jahre lang hatte der mittlerweile 40-Jährige für den AS Rom gespielt. Er galt als einer der letzten waschechten Typen im Profi-Fußball, als aussterbende Spezies in Zeiten der austauschbaren Instagram-Boys. Seine Ehrenrunde durchs Olimpico dürfte auch Menschen gerührt haben, die weder mit Italien noch mit Fußball etwas am Hut haben.

Nun ist die Karriere von Milivoje Novakovic nicht unbedingt mit der des ewig treuen italienischen Weltstars Totti vergleichbar, da sich die Profi-Laufbahn des Slowenen zum Großteil in Randligen oder der Zweitklassigkeit abspielte. So war es auch nicht verwunderlich, dass der heute 38-Jährige einen leiseren Abschied feierte.

Novakovic: Eher Totti als Lahm

Am letzten Wochenende stand der lange Sturmschlaks ein letztes Mal für die slowenische Nationalmannschaft auf dem Feld. In der 64. Minute wurde Novagol unter dem tosenden Applaus der heimischen Zuschauer eingewechselt. Bei seinem letzten Spiel als Fußballprofi gelang ihm tatsächlich noch einmal ein Treffer. Es war das Tor zum 2:0-Endstand gegen Malta, Novas 32. Treffer für sein Nationalteam – nur Zlatko Zahovic war in der Geschichte des slowenischen Fußballverbandes erfolgreicher.

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Novakovic, in Slowenien schon längst mit Kultstatus und Narrenfreiheit ausgestattet, wurde von seinen Teamkollegen anschließend minutenlang gefeiert. Wie bei Totti flossen Tränen. „Ich werde einige Zeit brauchen, um meine Gedanken zu ordnen und etwas mehr über alles sagen zu können“, äußerte sich Novakovic im Anschluss an das letzte Spiel seiner Karriere.

Die wohl größte Gemeinsamkeit zwischen Totti und Novakovic liegt aber nicht im tränenreichen Abschied oder der Treffsicherheit im gegnerischen Strafraum begründet, sondern in der Tatsache, dass mit Novakovic ebenfalls einer dieser letzten Typen seinen Hut nahm. Eine Art Anti-Lahm. Wer könnte das mehr unterstreichen als Kölner Fans?

Foto: Jure Makovec /AFP/Getty Images

Zwischen Treffern und Eskapaden

Schon als der Slowene den 1. FC Köln vor knapp fünf Jahren gen Japan verließ, schrieben wir von seinen Ecken und Kanten und dem Geißbock, der in seinem Herzen schlug. Das hat sich bis heute nicht geändert.

In einer mittlerweile unmöglich weit weg erscheinenden Zeit, in welcher der effzeh noch nicht dieser monströse Europapokal-Vertreter war, sondern zwischen Zweitklassigkeit und Erstliga-Abstiegskampf hin- und herwankte, war Novakovic zweierlei: Mit seinen Treffern und seiner kauzig-charismatischen Art war er einerseits Lichtblick einer Söldnertruppe, mit seinen Querelen abseits des Feldes, von denen wohl nur ein Bruchteil wirklich öffentlich wurden, war er gleichzeitig auch ein Symbol für vieles, was in Köln falsch lief.

Dass Super-Nova dem Alkohol zugeneigt war, wusste irgendwann jeder Fan, der sich hin und wieder in Kölns Kneipen aufhielt. Dass seine chronischen Rückenprobleme in Wirklichkeit für Entziehungskuren standen, wurde immer wieder gemunkelt. In Zeiten, in denen gefühlt stündlich Mannschaftinterna an die Öffentlichkeit durchsickerten, machten außerdem immer wieder Gerüchte die Runde, wonach er aufgrund seines engen Verhältnisses zum Boulevard der ominöse Maulwurf im Team war.

Bayern-Comeback und Derby-Freistoß

So richtig böse sein konnte man dem schrulligen Slowenen aber nie. Schließlich zeigte er immer wieder, dass ihm anders als so vielen anderen Spielern aus dieser Zeit, etwas an der Stadt und dem Verein lag. Schließlich war er es, der sechs Jahre lang konstant knipste, den effzeh vor etlichen Niederlagen und womöglich vor noch größeren Abstürzen bewahrte. Schließlich besorgte zumeist er jene kurzen Momente der Ekstase, die vor wenigen Jahren noch zur absoluten Rarität im Leben eines effzeh-Fans gehörten.

Der markanteste dieser Momente war wohl sein Doppelpack beim 3:2-Sieg gegen den großen FC Bayern im Februar 2011, als der effzeh dank seines Slowenen einen 0:2-Halbzeitrückstand noch in einen Sieg verwandelte. Novakovic hatte bis dato eine eher dürftige Rückrunde abgeliefert, weswegen der effzeh den Hamburger Eric Maxim Choupo-Moting verpflichten wollte, was wiederum wegen eines defekten Faxgerätes nicht funktionierte. Gegen die Bayern explodierte er und mit ihm ein ganzes Stadion.

Ein anderer besonderer Moment war sein irres Derbytor in Mönchengladbach. Fast genau acht Jahre vor Marcel Risses fulminanten Tor des Jahres im Nordpark hatte der effzeh schon einmal durch einen Freistoß in der Schlussphase gegen die Borussia gewonnen. Im Oktober 2008 war es Novakovic, der das kölsche Derbyglück mit einem Freistoßtreffer in der 88. Minute perfekt machte.

Parallelen zu Anthony Modeste

Es blieben nicht die einzigen Momente. 166 Spiele macht der Slowene in Bundesliga und 2. Liga für den 1. FC Köln, wobei er 74 Treffer erzielte. 2008 schoss er den effzeh als Zweitliga-Torschützenkönig wieder ins Oberhaus, ein Jahr später war er mit 16 Saisontreffern in der Bundesliga entscheidend für den Klassenerhalt.

Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

In der Saison 2010/11 wurde er mit 17 Treffern Dritter der Bundesliga-Torschützenliste und erzielte beim 3:2 gegen den Hamburger SV seinen ersten Hattrick für den effzeh (sowohl der dritte Platz in der Torjägerliste wie auch der Hattrick gegen den HSV sind übrigens Parallelen zur abgelaufenen Fabelsaison von Anthony Modeste). Neben all seinen Treffern war Nova aber eben trotz seiner manchmal etwas zugeknöpften und unnahbaren Art eine der wenigen Identifikationsfiguren, als die Mannschaft eben noch nicht zu fast einem Drittel aus in Köln geborenen Eigengewächsen bestand.

Danke, Novagol

Ein Stürmer, der von modernen Begriffen wie Polyvalenz und Gegenpressing nicht viel wissen wollte, aber konstant als Knipser zur Stelle ist, der abseits des Platzes aber mit Problemen zu kämpfen hatte – Novakovic wäre in den 70er- und 80er-Jahren, den Zeiten von Gerd Müller und Diego Maradona, wohl nicht weiter aufgefallen.

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Im heutigen Fußball nimmt er eine Sonderstellung ein. Eine Sonderstellung, die ihn in Köln zu einem Spieler gemacht hat, der stets polarisierte und zu schwanken vermochte zwischen dem Bild des Publikumslieblings und dem Sinnbild für alles, was im Verein falsch läuft.

Anlässlich seines Karriereendes ist es als Fan des wundervollsten Vereins der Welt aber Zeit, sich bei Novakovic zu bedanken. Danke für zahlreiche helle Momente in düsteren Zeiten, danke für eine Treue zu Stadt und Verein, die in jenen Zeiten beinahe beispiellos war, danke für Ecken, danke für Kanten, danke für all die Treffer, ohne die wir vielleicht heutzutage auch nicht dort stünden, wo wir jetzt stehen.

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