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Nachspiel

Nach dem Sieg gegen BATE: Seelenbalsam im Europapokal

Es geht noch! Beim 5:2-Sieg gegen Borisov tankt der 1. FC Köln erneut abseits der Bundesliga Selbstvertrauen für den Abstiegskampf.

Foto: Patrik Stollarz/AFP/Getty Images

Es geht noch! Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen tankt der 1. FC Köln abseits der Bundesliga Selbstvertrauen für den Abstiegskampf. Dem „kleinen“ Comeback beim 5:2-Sieg gegen BATE Borisov soll nun bald das große in der Liga folgen.

Fußballspiele im Stadion sind ein komplett anderes Erlebnis als Begegnungen vor dem Bildschirm. Das ist nichts Neues. Jeder, der schon einmal beides durchlebt hat, kann das bestätigen. Der Gang durchs Marathontor aufs rot-beleuchtete Müngersdorfer Stadion vermittelt schon immer eine ganz besondere Stimmung, die vor dem heimischen Fernsehgerät niemals aufkommen würde. Und so schwebte auch vor dem vierten Spieltag der Gruppe H in der Europa League jede Menge Europapokal-Luft rund um die einstige WM-Arena. Das Hinspiel in Borisov hatten sich bis auf etwa 1000 Positiv-Bekloppte schließlich alle nur auf dem eigenen Sofa oder in einer von Kölns Kneipen angesehen.

>>> effzeh-Live: Alles rund um das Tagesgeschehen beim 1. FC Köln

Es war eine etwas dröge, mutlose Vorstellung, die der effzeh da in Weißrussland geboten hatte. Eine Leistung, die erstmals für etwas Unmut gesorgt hatte. Und so richtig fühlte sich das vor dem Bildschirm nicht nach europäischer Spitzenklasse an. In Köln war das ganz anders: Die nichtssagende Europa-League-Hymne wurde schon vor dem Anstoß von lautstarken Sprechchören überstimmt. Der weißrussische Gegner verkam ohne Hintergrundinformationen des Sky-Kommentators zu einem Klumpen voller nichtssagender Ov’s, Uk’s und Ic‘s, vorgetragen durch den Gast-Stadionsprecher im dreckigsten Nuschel-Russisch. Die Stadionbildschirme flimmerten im eleganten Schwarz-Orange. Ein klein wenig Gänsehaut.

Ganz besondere Heimspiel-Atmosphäre

Sehrou Guirassy 1. FC Köln Europapokal Europa League BATE Borisov

Foto: Patrik Stollarz/AFP/Getty Images

Dass ein Europa-League-Heimspiel auch für die Mannschaft von Peter Stöger etwas ganz Besonderes ist, hatten die Spieler bereits im Vorfeld mehrfach betont. Und so begann sie auch, ganz anders als noch im weißrussischen Städtchen, angepeitscht vom eigenen Anhang schwung- und druckvoll. Während der weißrussische Meister den effzeh erst einmal wie erwartet tief empfing, suchten die Geißböcke schon früh nach Lösungen. Der direkt gut eingebundene Guirassy hatte schon in den ersten zehn Minuten wieder zwei gute Torchancen. Auf der Gegenseite wäre dagegen beinahe schon wieder so ein abgefälschtes Eier-Tor, das die Stöger-Elf in dieser Saison schon gefühlte 1948. Mal kassiert hat, reingelullt, was der insgesamt starke Timo Horn, der später im Spiel noch mit Sprechchören gefeiert werden sollte, allerdings mit einer tollen Parade zu vereiteln wusste.

Erster „echter“ Jubel im Müngersdorfer Stadion

Nach 16 Minuten kam dann zum ersten Mal überhaupt in dieser Saison „echter“ Jubel im RheinEnergie Stadion auf. In den bisherigen Heimspielen hatte der effzeh bekanntlich mit Toren gegeizt und die einzigen beiden bisherigen Treffer (durch Sörensen und Osako) waren zu Zeitpunkten gefallen, als man das Spiel eigentlich schon längst gegen sich entschieden glaubte. Toller Steilpass von Özcan in den Lauf von Zoller. Der setzt sich gegen zwei Weißrussen durch und schiebt locker rechts ein. Ein schönes Tor, welches unterstrich, dass der Ex-Lauterer momentan einer der wenigen FC-Spieler in Top-Form ist.

Was danach folgte, erinnerte an ein altbekanntes Phänomen der Stöger-Elf, die in dieser Spielzeit ja noch nicht allzu oft in Führung lag. Wie schon in Leverkusen zog sich der effzeh deutlich weiter zurück, wurde zunehmend passiver und ließ die zuvor sehr destruktiven Gäste besser ins Spiel kommen. Wieder einmal reichten fünf Minuten Kölner Tiefschlaf, um den Spielverlauf auf den Kopf zu stellen. Bei einem Freistoß von rechts in der 31. Minute überlisteten die Gäste die Kölner Raumdeckung und Milunovic schob trocken direkt aus zehn Metern ein.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Zwei Minuten später nutze Rios eine komplett offene rechte Seite zu einer präzisen Flanke auf den Elfmeterpunkt, wo Signevich gegen Maroh einen tollen Fallrückzieher auspackte. Eiskalt schlugen die Weißrussen. Der effzeh schien geschockt und brachte bis zur Pause nicht mehr viel auf die Kette. Doch zum x-ten Mal in dieser Saison bewies der Erste Fußballclub Köln Moral, die auch endlich mal belohnt und in Zählbares umgemünzt wurde. Stöger, der nach dem Spiel betonte, dass seine Halbzeitansprache ganz nüchtern analysierend gewesen wäre, wechselte für den einmal mehr komplett verunsicherten und wirkungslosen Clemens Yuya Osako und damit den Sieg ein.

Kölsche Rarität: ein Weitschusstor

Der Japaner traf nach knapp zehn Minuten in der zweiten Hälfte per Fernschuss (!) von der Strafraumgrenze nach Brustvorlage von Frederick Sörensen – ein höchst seltenes Erlebnis, denkt man an die Schüsse zurück, die der effzeh in Borisov noch abfeuerte. Der Osako-Treffer war in vielerlei Hinsicht ein Dosenöffner. Er sorgte dafür, dass der effzeh fortan mutiger und viel zielgerichteter aufs Tor schoss, dass insgesamt ein Ruck durch die Mannschaft ging und dass jene Symbiose zwischen Mannschaft und Fans entstand, die beide Partien wechselseitig nach vorne trieb. Ein Phänomen, das nur in besonderen Stadien bei besonderen Spielen und einem besonderen Verlauf entsteht.

Schon durch den Osako-Treffer hatte Köln-Müngersdorf in nur einem Spiel genauso viele Treffer gesehen wie in allen vorherigen Heimspielen diese Saison zusammen. Doch es sollte noch besser kommen, denn der einmal mehr emsige und als Anspielstation sehr brauchbare Guirassy schlenzte einen Freistoß (!!), noch so eine kölsche Rarität, direkt aus 18 Metern rechts ins Eck. 3:2. Tollhaus. Ein beinahe schon vergessenes Gefühl für die knapp 45.000 effzeh-Fans im Stadion.

Teamfoto 1. FC Köln Europapokal Heimspiel BATE Borisov

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

30 Minuten ohne Bundesliga-Ängste

Für die restlichen 30 Minuten legten die Akteure auf dem Feld und der Tribüne schließlich den Ballast der so schwierigen Bundesligasaison zur Seite und vergaßen für kurze Zeit die bedrohliche Lage in der Liga. Stattdessen spielte der effzeh sich (ja, wir sagen das jetzt mal so, wir sind ja gerade nicht wirklich verwöhnt) in einen Rausch. Nachdem Horn eine Doppelchance von Signevich und Volodko glänzend vereitelt hatte, und dafür mit dem Ausruf seines Namens durch 45000 Zuschauer belohnt wurde, kam der effzeh noch zu zwei weiteren Schussgelegenheiten durch Özcan, der eines seiner besten Spiele seiner jungen Karriere machte, sowie durch Dribbelgott Dominique Heintz.

Erst in der 82. Minute machten die Hausherren aber den Deckel drauf. Nach einer wohl überlegten und punktgenauen Flanke (!!!), noch so ein Erlebnis mit Seltenheitswert, durch den in dieser Phase wie entfesselt spielenden Leonardo Bittencourt von links staubte der überragende Osako am langen Pfosten aus kurzer Distanz ab. Und der Japaner krönte schließlich seine bockstarken 45 Minuten mit einer weiteren starken Flanke (unglaublich, aber wahr) auf den Kopf von Mittelfeld-Riese Milos Jojic, der zum 5:2-Endstand einnickte und damit den Deckel auf ein atemberaubendes Comeback setzte.

Seelenbalsam im Europapokal

Der Kantersieg war Balsam für die geschundene Seele von Spielern und Fans. Endlich durfte man im Müngersdorfer Stadion mal wieder jubeln. Und das mehrfach. Nach schön herausgespielten Toren. Vier davon durch Stürmer erzielt. Die Mannschaft wurde endlich mal für ihren enormen Aufwand belohnt und bekam gleichzeitig in der ersten Hälfte vor Augen geführt, was passiert, wenn man mal für zehn Minuten ein bisschen nachlässt. Nun gilt es aber nach dem ersten Europapokal-Sieg nach 25 Jahren, all die positiven Erkenntnisse auch im harten Liga-Alltag am Sonntag umzusetzen.

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