Ich will ehrlich sein: Du hattest es nicht leicht mit uns. Und wir hatten es nicht leicht mit dir. Der Kredit, den du bei den Fans des 1. FC Köln „genießen“ durftest, hatte wahrlich eher die Größe „Lassen Sie doch Ihr Smartphone als Pfand hier“ denn „Du kannst deinen Deckel bezahlen, wann du willst, Jung!“. Du hast uns in den sieben Jahren mit dem Geißbock auf der Brust aber auch gewaltig zur Weißglut getrieben. Mit deinen Flanken. Mit deinen Sicherheitspässen. Mit deiner mitunter ungeschickten Zweikampfführung. Und doch: In all der Zeit bist du, leeven Miso, uns auf eine unheimliche Art und Weise ans Herz gewachsen. 225 Pflichtspiele für diesen großartigen Verein – das können nicht viele von sich behaupten. Nun beendest du im Alter von 34 Jahren deine illustre Karriere: Hvala Brele – für all die Zeit, die du die Knochen für den effzeh hingehalten hast!
Viele Erinnerungen kommen dabei hoch: Die „BREEEEEEEECKO“-Flüche, wenn wieder einmal ein Offensivvorstoß mit einer dieser Flanken auf Kniehöhe endete. Das entsetzte Aufstöhnen, wenn du aus einem vielversprechend aussehenden Angriff das Tempo dank eines sinnlosen Quer- oder Rückpasses herausgenommen hattest. Diese recht hilflosen Verteidigungsversuche, wenn der Ball von links Richtung zweitem Pfosten segelte und du nicht einmal den Ansatz machtest, das Kopfballduell mit deinem Gegenspieler führen zu wollen. Ich kann mich noch gut an ein Heimspiel gegen Hannover 96 erinnern, als der Gegner die Strategie verfolgte, deine rechte Seite nahezu unbeackert zu lassen. Viel Grün für Brecko versprach wenig Gefahr für das eigene Tor. Eigenwillige Herangehensweise, die allerdings auch noch Erfolg hatte. Wie gesagt: Wir hatten es nicht immer leicht mit dir!
Dank Özat-Erkrankung: Vom Backup zum Stammspieler
Und wie gesagt: Du hattest es auch nicht immer leicht mit uns. 2008 ablösefrei vom Hamburger SV ans Geißbockheim gekommen sollte er die Rolle als Ersatzmann in der Außenverteidigung einnehmen – rechts wie links, ein solider Kaderspieler, der während der Saison ab und zu Einsatzzeit sieht. Es kam anders, ganz anders: Bereits in der ersten Spielzeit bei den „Geißböcken“ war der zurückhaltende Slowene Stammspieler, absolvierte 33 von 34 Partien. Das hatte zuvorderst einen ganz bitteren Grund: Ümit Özat, von Trainer Christoph Daum hinten rechts gesetzt, erlitt beim Auswärtsspiel in Karlsruhe am 2. Spieltag einen Herzstillstand, konnte gerade noch gerettet werden und musste daraufhin seine Karriere beenden. Brecko übernahm den Posten – in seiner ureigensten Form. Defensiv grundsolide, im Angriffsspiel nur bedingt tauglich. Aus dem Backup war ein Stammspieler geworden. Die Fans quittierten es häufig genug mit einem Augenrollen.
Eine Position, die Brecko jahrelang nicht mehr abzugeben gedachte. Wie er seine Außenbahn ohne große Allüren beackerte, nötigte Respekt ab. Das gilt genauso für die stoische Ruhe, mit der er den Gegenwind der eigenen Anhänger ertrug, ohne sich davon großartig verunsichern zu lassen. Der 1,78 Meter große Außenverteidiger machte sein Ding – professionell und abgeklärt. Trotz der Zugehörigkeit zur „Heumarkt“-Connection um den notorisch verhaltensauffälligen Milivoje Novakovic: Brecko galt während seiner gesamten Kölner Zeit als Musterprofi, der im Training überzeugt und auch neben dem Platz ein Vorbild ist. Bis, ja bis auf diesen einen verhängnisvollen Abend im Februar 2012: Im Vollrausch bretterte Brecko nach der Karnevalssitzung des 1. FC Köln in die Bahnhaltestelle am Heumarkt, durch ein Baustellenlabyrinth hindurch der Linie 1 hinterher direkt auf die Schienen. Bundesweite Schlagzeilen waren die Folge, die Spekulationen, ob er tatsächlich gefahren war oder nur den Kopf dafür hingehalten hat, halten bis heute an. Das gängige Gerücht, soviel ist klar, entspricht jedenfalls nicht der Wahrheit.
Unter Stanislawski und Stöger: Als Kapitän zurück in die Bundesliga
Von diesem Tiefpunkt inklusive dem bald darauffolgenden Abstieg erholte sich Brecko allerdings schnell und wuchs in der neuformierten Truppe, die in der 2. Bundesliga zu bestehen hatte, zur Führungsfigur heran. Wie gut sein Standing in der Mannschaft war, zeigt auch die Ernennung zum Kapitän durch den neuen Trainer Holger Stanislawski. Zwar klappte es nicht mit dem Aufstieg, doch der Slowene hatte sich einmal mehr einen Stammplatz erkämpft und war aus dem effzeh-Team mittlerweile kaum mehr wegzudenken. Der größte Erfolg auf Vereinsebene erfolgte für den WM-Teilnehmer von 2010 dann in der Saison 2013/14: Als Kapitän führte Brecko den glorreichen 1. FC Köln zurück in die Bundesliga, durfte am Ende der Spielzeit im Müngersdorfer Stadion sogar die Trophäe des Zweitliga-Meisters in die Höhe stemmen. Es war das letzte Hurra für den Slowenen im Trikot mit dem Geißbock auf der Brust, denn mit Pawel Olkowski holten die Verantwortlichen um Jörg Schmadtke und Peter Stöger einen Konkurrenten, der sich letztlich durchzusetzen vermochte. Brecko blieb nach sieben Jahren im effzeh-Dress nur die Flucht nach Nürnberg, wo er 2018 ebenfalls als Kapitän aufstieg.
Schon bei seinem Abschied aus Köln war klar: Die meisten hatten ihren Frieden mit dir gemacht, leeven Miso! Wir hatten verstanden, dass du an guten Tagen ein solider Erstliga-Außenverteidiger warst. Und dass diese guten Tage nicht die Regel waren. So nüchtern-sachlich du deine Aufgabe in der Defensive erledigtest, so uninspiriert war es zumeist im Vorwärtsgang. Doch seien wir ehrlich: Du konntest doch genauso wenig dafür wie wir. Du musstest über Jahre eine Rolle ausfüllen, die dir eigentlich nicht zugedacht war. Dass es auf der rechten Abwehrseite über Jahre keinen Besseren als dich gab, ist nicht deine Schuld. Du hast im Rahmen deiner Möglichkeiten abgeliefert – allen Widrigkeiten zum Trotz. Das ist dir hoch anzurechnen. So ist es auch kaum verwunderlich, dass du auf deine alten Tage in Köln doch noch ein wenig zur Kultfigur geworden bist. Nicht nur, weil sich dein Name wunderbar in den Hit „Barbra Streisand“ einfügen ließ. Sondern auch, weil du bei all dem begrenzten Talent dein Herz stets auf dem Platz gelassen hast. Hvala Miso – und viel Glück für die Zeit nach der Fußballerkarriere!