Eine Analyse von Christopher Kohl und Yannik Stracke
Pressekonferenzen sind selten Orte für legendäre Statements. Einem Wutausbruch à la Giovanni Trapattoni stehen tausende nichtssagende Termine voller hohler Phrasen über den Respekt vor dem starken Gegner, der Notwendigkeit, alles heraushauen zu müssen und dem schweren Wettbewerb gegenüber. Als sich allerdings vor dem vergangenen Bundesliga-Spieltag beim FC Bayern München die zwei Alphamännchen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zusammen mit ihrem Azubi Hasan Salihamidzic ankündigten, machten die meisten Medienvertreter bereits große Augen.
Die ohnehin schon riesigen Erwartungen wurden aber bei weitem noch übertroffen: In einem absurden Rundumschlag attackierten die Bayern-Bosse die kritische Berichterstattung der vorangegangenen Wochen, zitierten bereits zum Einstieg den ersten Artikel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und schafften es innerhalb weniger Augenblicke, ihren Appell für mehr Respekt mit peinlichen Anwürfen gegen Ex-Spieler und Journalisten zu konterkarieren. Ein zeitloses Dokument für die Ewigkeit, das aber auch Bände über das derzeitige Verhältnis zwischen Fußballvereinen und Medienvertretern spricht.
Kritik? Nein danke! Die Beziehung beider Parteien ist von einem seltsamen Verständnis auf allen Seiten geprägt. Distanzlose Kumpelei, die sogar so weit geht, dass gestandene “Bild”-Leute ihre Artikel mit dem Kommentar „Ich kann noch alles ändern!“ an die DFB-Granden zum Abnicken schicken. Kritikfreie Anbiederung, die nur die Verlautbarungen der Funktionäre übernimmt. Betretenes Schweigen, wenn es um hinreichend belegte Vergewaltigungsvorwürfe gegenüber einem Superstar der Branche geht. Auf der anderen Seite erschreckende Dünnhäutigkeit, wenn bestimmte Themen angesprochen werden. Rummenigge und Hoeneß stehen mit ihrer Medienschelte im deutschen Fußball sicherlich nicht allein auf weiter Flur.
Kölner Zustände: Freund oder Feind
Wie das Ganze ein wenig subtiler aussehen kann, zeigte sich beispielsweise auf der Mitgliederversammlung des 1. FC Köln vor etwa zwei Wochen, als Präsident Werner Spinner uns unverblümt in der Ultrà-Ecke verortete. Seine Äußerungen waren eindeutig: “Leider finden sich in euren [Anm. d. Verf.: gemeint waren der Südkurve e.V. und die Initiative 100% FC] Texten keine Argumente, sondern nur Behauptungen. Und unser wiederholtes Angebot, euch mit uns öffentlich auseinanderzusetzen, habt ihr abgelehnt. Genau wie eine Auseinandersetzung in euren Medien wie effzeh.com, den Foren oder wo auch immer”, erklärte Spinner in seinem Jahresbericht, der mehr abrechnete denn Rechenschaft ablegte. Damit sprach er sinngemäß aus, was offensichtlich ist: Der Vorstand des 1. FC Köln scheint offenbar nur noch Freunde und Gegner zu kennen – egal, ob es sich um Mitglieder oder Medien handelt.
Foto: Sebastian Bahr
Die Aussagen auf der Mitgliederversammlung sollten womöglich verdeutlichen: Wer ein Freund ist, ist repräsentativ für die Mehrheit, steht nicht in der Südkurve und ist gegen Gewalt. Wer ein Gegner ist, stellt selbstverständlich Behauptungen anstelle von Argumenten auf, ist auf einer Linie mit Mitgliederinitiativen wie “100% FC” sowie “den Ultràs”, in einer Minderheit und im Zweifel auch nah an Gewalt. Dabei schreckt der Vorstand auch nicht davor zurück, unabhängige Medien wie uns zu diskreditieren – auch in anderen Fällen, wie beispielsweise 2017 bei einem vergleichsweise harmlosen Kommentar im „Express“, scheuen sich Verantwortliche nicht, öffentlich gegen unliebsame Meinungen zurückzuschießen.
Bereits im Mai dieses Jahres stellte Ralf Friedrichs, der Moderator des FC-Stammtisch Talk, in seiner effzeh.com-Kolumne fest, dass konstruktive Kritik an der FC-Führung rund um den Verein zunehmend als Angriff verstanden werde. Diese Entwicklung hat sich zuletzt sogar noch verstärkt – das liegt auch daran, dass die meisten Medien sich mit Kritik an der Arbeit des Vorstandes, der Transferpolitik oder auch der sportlichen Leistung der Mannschaft zurückhalten. Dabei hat der 1. FC Köln in den vergangenen Jahren viel Aufwand betrieben, die Kölner Sportpresse zu befrieden – sportliche Erfolge vereinfachen das natürlich. Im Gegensatz zu der Wild-West-Presse, die etwa zu Zeiten Wolfgang Overaths noch um sich schlug und nahezu täglich neue pikante Interna verriet, sind die Reaktionen im traditionell schwierigen Medienumfeld aktuell handzahm wie selten zuvor.
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einer Studie Mangelware in Deutschland