Der 1. FC Köln hat nach Markus Anfang, André Pawlak und Achim Beierlorzer im Jahr 2019 den nächsten Trainer installiert: Mit Markus Gisdol übernimmt ein Fußballlehrer, der zuletzt 22 Monate ohne Anstellung war. Sein neuer Vorgesetzter Horst Heldt, mit dem Markus Gisdol bereits auf Schalke zusammenarbeitete, hatte bei der Entscheidung, einen neuen Trainer zu finden, auch seine Finger im Spiel. Gisdol selbst zeigte sich auf der Pressekonferenz zu seiner Vorstellung zufrieden und voller Vorfreude auf seinen neuen Job. “Wenn man von einem Club einen Anruf bekommt und sich das erste Mal trifft, merkt man, ob es passt oder nicht. Es waren mit dem FC von Anfang an sehr gute Gespräche. Ich bin sehr glücklich, dass ich ausgewählt wurde, um die Situation hier zu meistern”, bekannte er.
Nach seiner Entlassung beim Hamburger Sportverein im Januar 2018 war er arbeitslos gewesen, bis der 1. FC Köln sich bei ihm meldete. Genau dieser Verein war es auch, der sein Aus im Norden besiegelte – eine 0:2-Heimniederlage gegen den damaligen Tabellenletzten aus der Bundesliga war sein letztes Spiel als HSV-Coach. Nach nur 15 Punkten in 19 Spielen wurde er freigestellt, der ehemalige Bundesliga-Dino stieg am Ende der Saison erstmals aus der Bundesliga ab. Im ersten Jahr hatte er den Hamburger Sportverein auf Rang 16 übernommen, am letzten Spieltag sicherte ein spätes Tor von Luca Waldschmidt den Verbleib in der Liga – in die Relegation musste der unterlegene VfL Wolfsburg.
Weiterbildung und WM-Analyse
Die Zeit zwischen den Anstellungen in Hamburg und Köln nutzte der 50-Jährige für Weiterbildungsmaßnahmen, Gisdol reiste viel und schaute sich an, wie in Asien, England und Belgien trainiert wird. “Als Trainer musst du immer hellwach sein”, sagte der Schwabe im letzten Jahr dem SWR. Für ihn stünde die Frage im Zentrum, wohin sich der Fußball entwickle. Bei seinen Fortbildungen erkannte er, dass es mittlerweile nicht mehr ausreicht, “nur eine Idee vom Spiel” zu haben.
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Das beste Beispiel war für ihn die französische Fußball-Nationalmannschaft, die 2018 Weltmeister wurde – dieses Turnier hatte er für sich analysiert. “Das Team hatte tolle Lösungen bei Ballbesitz, aber auch viele Torerfolge aus der schnellen Umschaltbewegung”, lautete sein Fazit. Mittlerweile darf er nun auch wieder in der täglichen Arbeit mit einer Fußball-Mannschaft seine Vorstellungen vom Fußball vermitteln.
Markus Gisdol gilt als introvertierter Mensch
Die “schöne Zeit als ganz normaler Familienvater”, wie der neue FC-Trainer es gegenüber dem SWR ausdrückte, sei daher vorbei. Zuvor war sein Name immer wieder dann in den Gazetten aufgetaucht, als irgendwo in der Bundesliga ein Trainer entlassen worden war. “Das ist nicht immer angenehm”, gestand er im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk vor einiger Zeit. “Man muss nicht überall reinspringen als Trainer, das kann ich mir inzwischen herausnehmen”, schob er nach, um gleichzeitig zu ergänzen, dass “man auch nicht zu lange warten” und dabei nicht nervös werden sollte. Die Ligazugehörigkeit hatte für ihn ohnehin nicht die höchste Priorität, vielmehr ging es darum, dass die Konstellation passen müsse.
“Markus ist kein Umarmer.”
Die Situation, zwischen den Stühlen zu stehen, sei daher nicht immer ideal. “Einerseits bist du darauf angewiesen, dass irgendwann ein Trainerposten frei wird. Andererseits wünschst du es aber auch keinem Kollegen, dass er entlassen wird”, lautete seine Einschätzung. Gisdol, der während seiner Bundesliga-Jahre als talentierter Trainer galt, wurde zu seiner Hamburger Zeit von Sportchef Jens Todt als “introvertiert” charakterisiert, als jemand, der “nicht die große Bühne” suche. Dem Abendblatt sagte Todt damals: “Markus ist kein Umarmer. Er kennt die Spielregeln des Zirkus Profifußball, aber er muss nicht unbedingt im Rampenlicht der Manege stehen.”
Erfolgreichste Zeit bei der TSG Hoffenheim
Während seiner Anfangszeit in Köln dürfte er daher analog zu seiner Zeit beim HSV zuerst verstärkt die Beobachter-Rolle einnehmen, bei der er analysiert, wie die Mannschaft funktioniert und arbeitet. Aus seiner Zeit bei den Rothosen ist auch noch bekannt, dass er den “Inner Circle”, also den Kreis der Personen, die Kontakt zur Mannschaft haben, drastisch verkleinerte. Dazu passt sein Credo, dass er sich nicht “ständig von Nebengeräuschen ablenken lassen” und sich stattdessen “auf die Arbeit mit Team und Verein” konzentrieren möchte, wie er es beim SWR zusammenfasste.
Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)
Eine Zeitlang funktionierte das ganz gut, nämlich als Gisdol für zweieinhalb Jahre Trainer der TSG Hoffenheim war. Im April 2013 hatte er die Kraichgauer übernommen und in der Relegation gegen Kaiserslautern gerade noch so zum Klassenerhalt geführt. In den zwei folgenden Saisons stabilisierten sich die Leistungen der Mannschaft, die erst auf Rang 9 und dann auf Rang 8 landete. Gisdol, der Retter aus 2013, brachte der TSG nach Jahren der Identitätssuche den Offensivfußball zurück und setzte dabei auf hohes Pressing und schnelles Umschalten. Vor einigen Jahren, als es für ihn bei Hoffenheim noch ganz gut lief, fasste er seine Idee in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wie folgt zusammen: “Ich will mutigen Eroberungsfußball spielen. Das heißt: hoch verteidigen, frühes und energisches Pressing und nach Ballgewinn ohne überflüssige Wege zum gegnerischen Tor.”
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